"Es wäre durchaus hilfreich, wenn einige der an dieser Liste Teilnehmenden eine kurze Rückmeldung hier geben würden." (KJ)

Scheint zu funktionieren.


Am 24. August 2023 00:07:49 MESZ schrieb "Karl Janssen über PhilWeb" <philweb@lists.philo.at>:


Am 20.08.2023 um 10:01 schrieb Rat Frag <rat96frag@gmail.com>:

Hallo liebe Liste,

ich wurde durch Zufall aufmerksam auf folgenden Link:
https://www.blaetter.de/ausgabe/2023/februar/libertaer-und-autoritaer

Was denkt ihr darüber?

Mit freundlichen Gruß

Der, wie immer, Ratlose.


Vorab der Hinweis, dass mit den Wartungsarbeiten am Listserver der phil. Fakultät univie ein zwischenzeitlicher Ausfall der philweb-Liste verbunden war. Diese Arbeiten sind abgeschlossen und somit sollte auch diese Liste wieder funktionieren. Ohne Wartungs- und Betreuungsarbeiten an den EDV-Systemen ist ein gesicherter Betrieb der darauf laufenden programmgestützten Foren, i.w. der Mail-Listen nicht möglich, daher mein Dank dafür an das EDV-Team der Fakultät und darüber hinaus generell für die Bereitstellung und techn. Betreuung dieser Plattform!


So wird meine Antwort auf Ratfrags letzten Beitrag auch ein Test für das Funktionieren der Mailverteilung in philweb. Es wäre durchaus hilfreich, wenn einige der an dieser Liste Teilnehmenden eine kurze Rückmeldung hier geben würden.


Nun meine Antwort Ratfrag auf Deine Frage zum benannten Beitrag  https://www.blaetter.de/ausgabe/2023/februar/libertaer-und-autoritaer


Im dort benannten Essay von Carolin Amlinger und Oliver Nachtway, der sich auf deren Buch „Gekränkte Freiheit, Aspekte des libertären Autoritarismus“ bezieht, werden m.E. gesellschaftliche Entwicklungen unseres postmodernen Zeitalters beschrieben, wie sie sich allgemein als bisweilen unerträgliche Egozentrik, also einer individuell übersteigerten ICH-Präsenz auf Kosten der Allgemeinheit allenorts zeigt. Anders ausgedrückt: Der Bürger sieht sich als König mit all seinen Rechten, Privilegien und Marotten, vor allem dem Recht auf die eigene Meinung, wie er sich diese aus bisweilen fragwürdigen Quellen bildet.

Diese Attribute kann man natürlich nicht allen Menschen dieser postmodernen Epoche zuschreiben. Dennoch bestimmt diese Denkrichtung einen wesentlich einflussreichen Teil der Gesellschaft, da deren Vertreter schließlich auch an den Schaltstellen gesellschaftspolitischer Machtzentren (Medien, Politik, Bildungswesen etc.) diese bisweilen bedenkliche gesellschaftspolitisch-wissenschaftliche Richtung im Sinne eines sozialisierend wirksamen „Framings“ vorgeben.


Paradox erscheint dabei, dass sich derartige Vorgaben zumeist geradewegs gegen institutionelle Bevormundung, gegen Auswüchse der (Post-)Moderne und deren Methoden richten, was dem sog. Tocqueville-Paradoxon zu entsprechen scheint. 

Das lässt auch an Horkeimer-Adornos „Dialektik der Aufklärung“ denken, worüber wir vor etlichen Jahren hier diskutiert haben. Dabei geht es um deren These, dass mit steigender Selbstbehauptung (bis hin zum benannten übersteigerten ICH zulasten eines Kollektivs), neben der überlebenswichtigen Behauptung gegenüber einer im Prinzip ungnädigen Natur (Albert Schweitzer) eine darüber hinausgehende Beherrschung, resp. institutionalisierte Herrschaft von Menschen über ihre Mitmenschen gesellschaftlich ausgeprägt hat. Und diese Herrschaft spielt sich in heutiger Zeit nicht notwendigerweise nach konventionellen Methoden der Machtausübung, resp. des -erhalts, sondern durch subtile Formen eben des institutionalisierten libertären Autoritarismus ab. 


Aus einer spezifischen Rahmenbedingung, die auf dem von Horkheimer/Adorno als vernunftsorientiertem Herrschaftscharakter gründet, hat sich somit im Sinne der Dialektik eine "Rückkehr der bereits aufgeklärten Gesellschaft zur Barbarei in der Wirklichkeit" eingestellt. Das führte zwangsläufig zu einem Aufschwung der Mythologie (was sich auf drastische Weise im Dritten Reich verwirklicht hat und aktuell an faschistoiden Formen von Staats- und Kriegsführung zu sehen ist).


Die Frage erhebt sich, ob diese Entwicklung durch Selbstbesinnung und -kritik verhindert werden könnte. Darauf aufsetzend ebenso die Frage, ob damit auch der offensichtlich zunehmenden Entwicklung eines libertären Autoritarismus entgegen gewirkt werden kann, wie er sich nach dem Prinzip Actio gleich Reactio mittlerweile auf beiden Seiten gesellschaftlicher Systems bei Regierenden und Regierten auf bisweilen beunruhigende Art etabliert hat.


Bester Gruß an Dich und in die Runde! - Karl