Karl Janssen
janssen.kja@online.de



Am 06.03.2025 um 09:09 schrieb Ingo Tessmann über PhilWeb <philweb@lists.philo.at>:



Am 05.03.2025 um 23:17 schrieb Karl Janssen über PhilWeb <philweb@lists.philo.at>:


Unbenommen dessen ist davon auszugehen, dass hier Teilnehmende weiterhin trefflich mit dem genuin generischen Maskulinum zutreffend benannt sein werden.


Moin Karl, 

ich plädiere für Sprachfreiheit; denn abweichende Wortverwendungen und Satzgestaltungen zeigen Gewohnheiten und Traditionen auf und können der Aufklärung und Ideologiekritik dienen. Bezeichnend sind ja bspw. die Bedeutungen von „dämlich" und „herrlich" oder „Arbeitnehmer“ und „Arbeitgeber“ oder „Neger" und „Weißer“ oder „Jude" und „Christ". Wie wäre es, wenn Männer maskulin und Frauen feminin und alle dazwischen wechselnd schrieben? Oder überhaupt wechselnd geschrieben würde? Ich hatte einmal erwogen, das generische Femininum zu verwenden. Der StuRa der Uni Freiburg hat sich bspw. dagegen ausgesprochen: 


Das ist eben das Missverständnis derer, die ihren Impetus einer Veränderung der bislang üblichen Sprachform des generischen Maskulinum partout von der patriarchalen Geschlechtskategorie in das gegenteilige, sprich die feminine verlagern wollen. 

Historisch gesehen, waren alle Gesellschaftsformen patriarchal geprägt. Die Gründe dafür sind hinlänglich beschrieben. Selbstredend waren damit auch die Sprachformen dementsprechend angelegt. Nicht wenigen Feministinnen kann es nun nicht schnell genug gehen, diesen Umstand zu ändern, merken aber an vielen Stellen der gesellschaftlichen Kommunikation, dass der über Jahrhunderte übliche Sprachgebrauch nicht nach einem Semester am Lehrstuhl für Gender Studies zu ändern ist, zudem dort noch die Problematik entsprechender Benennungen bzgl. der Intergeschlechtlichkeit hinzukommt.

Sieht man in die gesellschaftlichen Strukturen vornehmlich der industriell geprägten Länder, scheint sich derzeit ein ganz anderes Problem aufzutun, das mit dem dort im vergangenen Jahrzehnt stark zugenommenen Liberalismus (im Sinne des „alles ist mir erlaubt“) im Zusammenhang steht. 

Freiheit hat nur derjenige, der genau weiß, was er tut. Diesen Satz hatte ich vor Zeiten hier zitiert. Und nun würde ich mit Waldemar einstimmen, wenn ich dem Menschen nicht das Vermögen zuschreibe, sich wirklich seines Tuns bewusst zu sein. Ich hatte mich stets gegen diese Verallgemenerung gewehrt, vor allem wenn hier immer von „Wir“ gesprochen wurde: "Wir richten die Welt zugrunde, wir wissen nicht, was wir tun", usf. 

Dabei gibt es so viele Menschen in unserem Land, wie auch weltweit, die sich sehr wohl ihres Tuns bewusst sind. Doch ihr Vorbild, ihre Moral wirkt ganz offensichtlich eher als Verstärker des eigenen Schuldgefühls (sofern dieses überhaupt gegeben ist).

Augenblicklich fällt es mir sehr schwer, diese Welt unter optimistischem Aspekt zu sehen und da erscheinen mir Diskussionen um Änderung von eingeprägten Sprachformen dem Lösen eines „Luxusproblems“ gleichzukommen.

Für mich steht weiterhin das generische Maskulinum zur Benennung des Menschen und habe wenig übrig für die Befindlichkeiten derer, die sich in jedem sprachlichen Ausdruck partout spezifisch als Männlein oder Weiblein darstellen wollen. Doch dieses Ansinnen ist weit weniger gesellschaftlich verbreitet, als es die entsprechenden Bemühungen in den Medien praktiziert wird. Da ich gesellschaftlich ziemlich aktiv eingebunden bin, erlebe ich eine andere, nämlich die diesbezüglich herkömmliche Sprachform (besonders bei Frauen) in meiner alltäglichen Kommunikation mit Menschen aller Gesellschaftsschichten. 

Wer also absolut dem Gendern zugetan ist, sollte diesem Ansinnen nach Kräften folgen. Die Änderung der Sprachform wird jedoch nicht wesentlich zum Wechsel von patriarchalen Gesellschaftsformen beitragen, viel eher jedoch ein sich aktives Einbringen von Frauen in das Gesellschafts- und Arbeitsleben. Dieser Prozess ist im vollen Gange, wie das jeden Tag im persönlichen wie auch medialen Umfeld zu erleben ist.

Wer das nun mit politischen Veränderungen in Verbindung bringen will, könnte am Beispiel aktuell der in hohen Staatsfunktionen agierenden Frauen beobachten, inwieweit deren Führungsstil sich von dem der Männer unterscheidet. Auch in vielen Firmen sind inzwischen mehr Frauen in Führungspositionen als Männer und deren Führungsstil ist zumeist kaum von dem ihrer „Vorbilder“ zu unterscheiden.

Die Mechanismen der Macht sind eben nicht genderbezogen, denn Im Zweifel agiert immer der Mensch als solcher und nicht Mann oder Frau. 

KJ