Am 25.05.2024 um 09:09 schrieb Ingo Tessmann über PhilWeb <philweb@lists.philo.at>:



Am 24.05.2024 um 21:14 schrieb Karl Janssen über PhilWeb <philweb@lists.philo.at>:

Ich persönlich neige (nicht nur als Christ) zu der Annahme, dass menschliches Leben prinzipiell (also vom biologischen Faktum ausgehend) mit der Verschmelzung von Ei- und Samenzelle beginnt und damit ein Mensch konzeptionell entsteht.

Moin Karl, 

ja, wann schreiben wir einmal nicht aneinander vorbei? Als Possibilist sähe ich in der Zygote immerhin die Möglichkeit zur Entwicklung eines Menschen. Aber in welcher Hinsicht könnte ich darin ein Konzept sehen? Vielleicht innerhalb der Lebensplanung der Frau-Mann-Beziehung. Die Natur verfolgt natürlich keine Konzepte, wie es handelnde Personen können.  

Auch hier schreiben wir nicht aneinander vorbei, denn wo könnten wir mit unseren diesbezüglichen Ansichten eine konvergierende Position finden. Es ging um die Definition, wann menschliches Leben beginnt und Deine Aussage ist, dass es mit dem ersten Atemzug eines neugeborenen Kindes, somit postpartal beginnt. Das ist bekanntermaßen die argumentative Position jener, die in einer Abtreibung bis zur Geburt weder ein moralisches noch rechtliches Problem sehen. Doch darum ging es ja zunächst nicht, sondern um den von Claus angeführten Aspekt, dass ein Kind sich bei Gewahrwerdung seiner „Zeugungsmethode“ als eine „erweiterte Reproduktionsmethode“ und somit als Laborratte empfinden könnte.

Natürlich kann man menschliche Fortpflanzung als gewisse Form von Reproduktionsmethode sehen und benennen. Im Kontext einer humanistischen Terminologie würde ich jedoch den Menschen und hier eben zwei Menschen sehen, die sich gemeinsam für Nachwuchs entschließen. Es ist also zunächst und vornehmlich eine Frage des gemeinsamen menschlichen Mitfühlens, wie Thomas es hier beschrieben hat. Man könnte es diesbezüglich auch ein „Zusammenfühlen“ oder eben einfach nur Liebe nennen. Aus Liebe zueinander entscheiden sich Menschen für ihren Nachwuchs. Das erscheint mir weitaus humaner, als die Entscheidung einer Frau, die mit Männern nichts anfangen kann (wie Du es angeführt hast) sich ihren Kinderwunsch per Samenbank zu besorgen.. Ganz anders liegt natürlich der Fall, wenn Zeugungsunfähigkeit vorliegt oder ein Gesundheitsrisiko besteht. Dann sollte auch eine „Leihmutter“ kein Problem sein. Das hängt vom der jeweiligen Situation und den beteiligten Personen ab, wie Thomas schreibt. 
Betrachte ich das Thema unter dem Gesichtspunkt einer intakten Partnerschaft, bzw. Familie, dann kann ich mir eben nicht vorstellen, wie man überhaupt an „Reprodukktionsmethoden“ wie das Klonen denken kann. 

Du schreibst, dass Du Vater und Opa bist und ich frage mich, ob Du in diesem familiären Zusammenhang jemals an Klonen gedacht hast, oder ob Du das nur als eine Deiner provokativen Thesen hier vorbringst.

Um vielleicht nochmal auf den Schwangerschaftsabbruch schlechthin zurück zu kommen, kann m.E, diesbezüglich nur die von Thomas angeführte Situation der Gefährdung einer Mutter moralisch vertretbar sein und nicht etwa die beliebige Abtreibung eines unerwünschten Kindes. 

Und nochmal zu Deiner Frage, warum  lesbische Frauen oder solche, die von Männern genug haben, sich nicht per Samenspende einen Kinderwunsch erfüllen können? Und warum sollen bspw. Studentinnen ihr Studium nicht durch Eispenden finanzieren dürfen?

"Der Junge lernt die sexuelle Rolle an der Mutter, das Mädchen am Vater". An dieses Statement aus meinem Psychologiestudium (Nebenfach) kann ich mich bis heute erinnern. Wie soll also ein (aus der Samenbank gekauftes) Kind zweier Lesben das entsprechende Rollenverständnis lernen? Die Normalität ist nach wie vor die heterogene Familienform. Es bleibt abzuwarten, wie sich künftig entwickelnde Familienbilder hinsichtlich eines Leitbildes, wie gegenseitiges Vertrauen, Liebe, wechselseitige Unterstützung etc. bewähren. In Deiner Vergangenheit u.a. als "Hippie" (womöglich in einer Kommune) wirst Du ja Vor- und Nachteile solchen Zusammenlebens erfahren haben. 

Wichtig scheint mir die Abkehr vom herkömmlichen Familienbild im Kontext patriarchaler Dominanz. Da geht es um eine hinreichende Unabhängigkeit voneinander, denn nur wenn jeder Partner stabil für sich stehen kann, hat eine Zweisamkeit Bestand und ist notwendige Voraussetzung für eine glückliche Beziehung.



nun, zu den Populisten wollen wir uns ja nicht zählen. Den Begriff der „Laborratte“ hast übrigens Du in den Diskurs eingebracht. Zur Frage einer präpartalen Prägung gibt es unzähliges Schriftgut, müssig, hier quasi eine diesbezügliche Autorisierung durch namhafte Vertreter der einen, wie der anderen Meinung vorzulegen. Deine Meinung entspricht exakt Deiner Ideologischen Prägung und vice versa eben auch meine.

Von Laborratte hatte Claus geschrieben, wohl in der Absicht, dass Kinder schon vorsorglich vor Beschimpfungen geschützt werden sollten. Ich halte ein derartiges Ansinnen für absurd; denn Beschimpfungen gehören zum Lebensalltag und Kindern sollte zu soviel Selbstbewusstsein verholfen werden, dass sie dem zu begegnen wissen. 

Das ist ein wünschenswertes Vorhaben, doch genau jene, die da „gemobbt“ werden, haben zumeist keine Eltern, die ihnen präventive Verhaltensformen angeben können.




Von Prägungen zu schreiben, halte ich im sozialen Kontext für unangemessen. Passender wäre es, Milieus, Situationen oder Einflüsse anzunehmen. Und die waren in meinem Leben vielfältig, u.a.: Prolet, Rebell, Hippie, Juso, Grüner, Nihilist, Possibilist ...; dabei aber stets bestrebt, an allem auch zu zweifeln, es zu hinterfragen, möglichst weitgehend verstehen zu wollen und erklären zu können.      

Was präpartale Prägungen anbelangt, können die natürlich vielfältig sein. Es bleibt aber die Frage, inwieweit sie während des Lebens dynamisch überformt werden. So verhält es sich ja schon bei den Erbanlagen hinsichtlich der Persönlichkeitsbildung, die vielfältig situativ modifiziert wird. Das Schrifttum dazu, ist kaum mehr überschaubar — und kontrovers. Deshalb interessiert es mich, auf welche Originalarbeiten oder Lehrbücher Du Dich beziehst.      

Studienskripte hole ich nicht mehr hervor und Bücher als da sind, jene von Krecht/Crutchfield, Schönpflug, Zimbardo, Rattner und viele weitere. Was soll eigentlich diese Frage?? Jetzt stelle ich die Bücher wieder in’s Regal.


  
Und wenn nun schon Leihmütter für Geburten „herhalten“ müssen, bzw. sollten, wird das so bedeutende Element der Familie, als kleinste Einheit der Gesellschaft einmal mehr infrage gestellt. Es entspricht einem mir nicht zugänglichen Liberalismus, um nicht zu sagen einer Lebensweise nach (vornehmlich eigenem) Belieben; Da ist nix mehr mit sozialem Zusammenhalt und das drückt sich mittlerweile auf dramatische Weise in einer bislang nicht gekannten Spaltung der Gesellschaft aus. 

Unsere Gesellschaft ist nicht gespalten, es werden nur die immer wieder pöbelnde Minderheiten medial überbewertet. Das haben wir hier doch schon wiederholt thematisiert. 

Gesellschaft ist nicht gespalten? Sicherlich nicht als Ganzes, doch wie hältst Du es mit der zunehmenden Popularität eben der AFD. Ist das nicht ein bedenklicher Prozentsatz an Zustimmung bei den üblichen Umfragen? „Merkel ist die Mutter der AFD“ hat seinerzeit der Salon-Linke Augstein (jun) angemerkt. Wie kommt der nur zu dieser Aussage?


 
Plump ausgedrückt: Je mehr die Linke deren gelegene Veränderungen der Gesellschaft einfordert, desto mehr gruppieren sich die Opponenten und es mindert sich die gesellschaftspolitische Mitte. Binsenweisheit, für die es kein SoWi-Studium braucht. Das lässt an das Ende der Weimarer Republik denken, die nachfolgend tragische Entwicklung ist hoffentlich noch hinreichend in den Köpfen unserer Zeitgenossen präsent.

Zum SoWi-Grundwissen gehört, dass es mehr Lebensformen als die Kleinfamilie gibt.

s.o.

Und das ist schon schlicht possibilistisch gedacht so und hat nichts mit politischer Ideologie zu tun. So wie Kinder zu lernen haben, mit Beschimpfungen umzugehen, sind Gesellschaften auch in der Lage, Protesten zu begegnen. Dass Autokraten und Faschisten weltweit Zulauf haben, liegt kaum an der Familienpolitik, vielmehr an der verbreiteten ineffizienten und verschwenderischen Lebensweise.

Eine mir kaum zu vermittelnde Ansicht! Einst meinte ein Autokrat, der labile, verschwenderische Westen ersticke von selbst an seiner Dekadenz.

Vor Weimarer Verhältnissen hierzulande schützt uns die heutige europäische Einbindung.

Das habe ich in ganz anderem Kontext geschrieben, nämlich als die Erinnerung an diese Zeitphase. 

Die Nazi-Nähe der AfD ging doch sogar der französischen Rechten zu weit.

Beide politischen Ausprägungen an den Rändern sind mir suspekt oder schlichtweg zuwider! Doch eines dürfte klar sein: Je mehr die Linke sich „als pöbelnde Minderheit“ geriert, desto mehr befördert sie das extrem rechte Lager! 

   

Gerechtigkeit, selbstbestimmtes Leben etc. sind das eine, Emotionen, Mutter sein ( in aller Konsequenz) ein anderes.

Ja, deshalb sollte beides nicht vermengt werden und Emotionen nicht als Maßstab für Gerechtigkeit und Selbstbestimmung herhalten. 

Solange Selbstbestimmung nicht als ideologischer Egoismus verstanden wird,  im Bezug etwa auf: „Mein Bauch gehört mir!“

KJ