Am 19.06.2023 um 17:21 schrieb Ingo Tessmann über PhilWeb <philweb@lists.philo.at>:


warum nicht Mathematik, Physik und Philosophie im Alltag zusammendenken? Dazu erwarte ich vom Philosophieren vor allem die Einsicht in die eigenen Beschränkungen.


Moin, moin Ingo,

wie Du doch von mir weißt, plädiere ich immer für das interdisziplinäre Zusammenspiel zwischen Natur- und Geisteswissenschaft, insbes. der Philosophie. Um es mit Einstein sagen zu dürfen: Wissenschaft kann nur feststellen, was ist, nicht aber was sein sollte und außerhalb ihres Bereiches verbleiben notwendigerweise Werturteile beliebiger Art. 

Geisteswissenschaft befasst sich vornehmlich mit der Bewertung menschlichen Denkens und Handelns und wird/kann daher nicht über konkret erfassbare, messbare Fakten sprechen und somit auch nicht von Beziehungen zwischen diesen. Da fehlt schlichtweg der entsprechende „Wertevorrat“ an Worten. Es existiert immer noch ein „missing link“ zwischen diesen Wissenschaftsbereichen. Es zeichnet sich aber ab, dass dieses fehlende Bindeglied durch zeitgemäße interdisziplinäe Forschung geschaffen wird, wie das z.B. mit dem von Dir angegebenen Buch „Philosophie der Quantenphysik“ (C. Friebe) gezeigt ist.

Warum nicht Mathematik, Physik und Philosophie im Alltag zusammendenken? fragst Du mich und genau das versuchte ich mit meinem letzten Beitrag zum Leibnitz-Prinzip darzulegen: Friebe et.al. beschäftigen sich u.a. mit der Frage, ob Quantenobjekte das Prinzip der Kausalität verletzen. Da schließt sich sogleich die Frage an, ob diese unsere Lebenswelt (streng) determiniert oder entscheidend von Zufälligkeiten abhängig ist und exakt darauf bin ich zuletzt eingegangen.

Der Bezug auf Worte eines entsprechenden Anwendungsbereichs ergibt sich doch von selbst. Mit welch anderen Worten sollte ich denn beschreiben, als diese, die ich zum diesbezüglichen Thema gewählt habe? Vermutlich verstehe ich gar nicht, was Du von mir willst, resp. was Du an meiner Ausdrucksform kritisierst.

Wenn es Dir um die Unterscheidung von Umgangs- und Wissenschaftssprache geht, ist es doch eine Binsenweisheit, dass erstere allernorts im Alltag vorzufinden ist, hingegen Wissenschaftssprache an entsprechende Bildungs- und Forschungsstätten gebunden ist, sowie sich in beliebiger wissenschaftlicher Fachliteratur findet.

Hier im Forum ergibt sich m.E. eine Mischung aus beidem, den weder ist philweb ein Alltags-Debattierclub, noch eine Plattform für streng wissenschaftlichen Austausch, so sind hier Beiträge sowohl alltagssprachlich, als auch an wissenschaftlicher Ausdrucksform angelehnt abgefasst. Was willst Du also mit Deiner Kritik sagen?


Bester Gruß! - Karl


PS: Es bleibt hier das latente Problem der viel zu geringen Zahl an aktiv Teilnehmenden. Würden mehr verschiedene Beiträge hier einfließen, würde das für alle Beteiligten – insbes. der üblichen Protagonisten hier – ein wichtiger Korrekturfaktor sein. Für mein Teil würde ich gerne auch mal von anderen hören, ob die von mir hier eingestellten Beiträge überhaupt von irgendeiner Relevanz oder eben nur „Geschreibe“ sind, wie Du, Ingo, es zu gerne benennst. 








Obwohl schon vielfach wiederholt, gilt die Umgangssprache nur für den Bereich des menschlichen Umgangs, aus dem sie hervorgegangen ist. Meinen erneuten Hinweis auf das Bedenken des Anwendungsbereiches der jeweiligen Worte hattest Du wieder einmal ignoriert. Wie sollen wir da einander näher kommen? Für Claus gilt das ebenfalls, wenn er meint für den Umgang mit Geldscheinen die gleichen Worte wie für den Umgang mit Gehirnen verwenden zu können. 

Wenn ich umgangssprachlich Identität bedenken will, wende ich mich über meinen eigenen Alltagshorizont hinaus der Literatur zu, lese bspw. Romane von Max Frisch. Philosophisch lässt sich an Leibniz anknüpfen: Identisch ist das, was in allen Eigenschaften übereinstimmt. In der Mathematik lässt sich ein Identitätsoperator definieren und die Physik geriet nicht erst mit Planck, sondern schon mit Gibbs in statistische Ungereimtheiten. Das Verständnis der Hohlraumstrahlung erforderte die Annahme der Ununterscheidbarkeit in der Abzählmethode Boltzmanns und die Mischungsentropie einen Korrekturfaktor hinsichtlich der auszuschließenden Permutationen. 

Im Anschluss an Gibbsen Korrekturfaktor und Einsteins Photonenhypothese leitete Bose dann 1924 die Strahlungsformel rein statistisch für ein Photonengas ab. Mathematisch wesentlich war die Annahme der Permutationsinvarianz, die in der Quantenmechanik hinsichtlich der Positivität der Wahrscheinlichkeit genau zwei Teilchensorten zur Folge hat: Bosonen und Fermionen. Erstere sind ununterscheidbar, letztere unterscheidbar. In der Physik sind es die mathematischen Strukturen und das Experimentieren, die für Klarheit sorgen. Sollte sich das Philosophieren nicht daran orientieren und womöglich sogar Alltagsempfehlungen zur weiteren Disziplinierung der Umgangssprache formulieren? Z.B.: Bedenke den Anwendungsbereich deiner Worte! 

IT

 
_______________________________________________
PhilWeb Mailingliste -- philweb@lists.philo.at
Zur Abmeldung von dieser Mailingliste senden Sie eine Nachricht an philweb-leave@lists.philo.at