transmitted from iPad-Client

Am 30.10.2024 um 08:16 schrieb Dr. Dr. Thomas Fröhlich <dr.thomas.froehlich@t-online.de>:


"Schade um die Zeit und damit sind wir wieder beim Thema.
 
KJ"

 

Lieber Karl, 

Danke, dass Du das mir wichtige Thema Zeit wieder einbringst. Ingos Hinweise haben mir sehr geholfen – auch im Sinn eines Entwurfs von „kristalliner“, auf je bestimmten, definierten Elementen beruhender Konstrukte, wie in der Mathematik – auf durchaus bewundernswert klare und binnen-schlüssige Weise.


Diesmal komme ich erst mit einiger Verspätung dazu, auf diesen Beitrag zu antworten und das nicht nur aufgrund mangelnder Zeit (sic!), sondern weil die von Dir hier dargelegten Gedanken ein gründliches Nachdenken erfordern, um es mit benannter deutlich bewussten Wahrnehmung zu erfassen und daraus folgend mit hinreichender Gültigkeit zu inferieren. Darin liegt aber das oftmals entstehende Problem vorschneller  Interpretation, etwa einer wahrgenommenen Gegenständlichkeit oder als etwas, das auf die Sinnesorgane einwirkt, insbesondere aber im sprachlichen Austausch, wenn man beispielsweise ein Gesagtes zwar hört, es aber nicht hinreichend apperzipiert, resp. in das eigene Bewusstsein aufnimmt, denn das erfordert einen Zugang von innen, d.h. sprachliche, wie sinnliche Kommunikation (i.W. Austausch von Zeichen) kann nur zu hinreichender Bildung von Kohärenz führen, wenn die Sinnhaftigkeit der ausgetauschten Zeichen verstanden wird. Das setzt wiederum ein entsprechendes (insbes. geistiges) Potential voraus, gewissermaßen als Verdichtung über die Zeit hin apperzipierter Augenblicks-Erfahrungen, bildlich vorgestellt eben als in einer Schale gesammelt.

Wenngleich empirische Zeit partiell zukunftsoffen ist, konvergiert sie als Prinzip dennoch gegen Unendlich aber nicht gegen ein Nichts, sondern gegen eine Grenze, die ihrerseits keine ist. Was wie ein Paradox erscheint, somit auch nur schwer vorstellbar ist, war es Roger Penrose, der mir diese Vorstellung dennoch durch sein „Treppenmodell“ (wie auch mit seinen „Escher-Dreiecken“) vermittelt hat. 

Die Stufen in dieser zweidimensionalen Darstellung einer Treppe bilden eine endlose Schleife, die trotz ihrer Auf- oder Abstiege nicht wirklich nach oben führt. Das lässt an Sisyphos denken oder an Samsara, diesem endlosen Wandern durch die Zyklen von Werden und Vergehen.

Zyklen gemessen in Zeitabschnitten, den kleinsten im Planck-Maß, den unvorstellbaren 5,4x10p(-44)Sekunden, den größten mit 10p(106) Jahren als ebenso gedanklich nicht fassbarer Zeitspanne. So sind es einzig  Mathematik und Physik als Sprachen der Natur, die dem Menschen eine hinreichend konkrete Vorstellung von Massstäben dieser kosmischen Dimensionen vermitteln. Bei der Vorstellung von Unendlichkeit jedoch versagen diese Werkzeuge - glücklicherweise, denn wir Menschen könnten den unmittelbaren Blick in diese reale existenzielle Ausgesetztheit, die Sicht auf scharfe Abrisskanten und Abbrüche ins Ungewisse nicht ertragen. Daher sprach Goethe vom „gütigen Schleier der Natur“, ein Schleier, der uns vor dem „Horror vacui“ bewahrt und damit die Illusion von einem einzigartig angelegten Lebensraum bestehen lässt: „Die beste aller möglichen Welten“ wie Leibniz es postulierte. Das konnte, resp. musste aus damaliger Sicht so angenommen werden, aus heutiger kann  vermutet werden, dass unzählige andere Welten in habitablen Zonen dieses Universums existieren. Damit kommt klar vor Augen, wie bedeutsam es ist, den Horizont des Denkens über das Denkbare, vor allem aber über das Sichtbare, Zählbare, Messbare und somit das Begreifbare dieser Lebenswelt hinaus zu erweitern. Das kostet Zeit - Lebenszeit, die uns wie Sand zwischen den Fingern entgleitet. Ein Leben reicht nicht hin, um Welt und Kosmos zu begreifen und doch scheint bisweilen in Bruchteilen einer Sekunde alles diesbezügliche Geschehen als das real zu Begreifende übersteigende als „perceptio clara et distinctaa vor dem inneren(sic!) Auge.

Bester Gruß an Dich und in die Runde!

Karl