Am 10. März 2024 14:14:15 MEZ schrieb "Ingo Tessmann über PhilWeb" <philweb@lists.philo.at>:
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>> Am 09.03.2024 um 19:19 schrieb Claus Zimmermann über PhilWeb <philweb@lists.philo.at>:
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>> Eine Theorie, der die Tatsachen keinen Strich durch die Rechnung machen könnten und bei der es nur auf die formale Korrektheit der Ableitungen ankommt wäre eher eine Art Kunstwerk. Offenbar werden die Hypothesen an die Erfahrungsfront geschickt, damit die Theorie intakt bleibt, wenn sie fallen.
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>Moin Claus,
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>es geht nicht NUR um formale Korrektheit, sondern AUCH um empirische Bewährung. Dabei halte ich Einsteins Relativitätstheorien auch für Kunstwerke. Popper's Diktum dagegen ist wohl seiner Sozialphilosophie geschuldet: „Ein empirisch-wissenschaftliches System muss an der Erfahrung scheitern können.“ (vgl. C. Beisbart, Klassikerseminar: Karl R. Popper) Das ist primär gegen politisch-ideologische Systeme gemünzt, die sich als wissenschaftlich ausgeben. „Ein Satz ist genau dann wissenschaftlich, wenn er empirisch falsifizierbar ist.“ Dem ist zuzustimmen, dem aber nicht: „Eine Theorie ist genau dann falsifiziert, wenn sie mit einer bewährten allgemeinen Hypothese unvereinbar ist.“ Demnach wäre Newtons Mechanik ebenso falsifiziert wie Maxwells Elektrodynamik. Sie sind aufgrund von Unvereinbarkeiten mit bewährten Hypothesen lediglich in ihren Gültigkeits- und Genauigkeitsbereichen eingeschränkt worden. Neben den Gesetzen sind die Einschränkungen und Quantitäten wesentlich.  
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Wäre denn nicht eine viel weitergehende Einschränkung der Gültigkeits- und Genauigkeitsbereiche bis hin zur Reduzierung auf nichts in den Fällen der Newtonschen Mechanik und der Maxwellschen Elektrodynamik (was auch immer das ist) denkbar? Denken kann man sich alles mögliche, es ist natürlich keine Widerlegung, aber es zeigt, dass und unter welchen Bedingungen wir eine Hypothese als widerlegt betrachten würden. Wenn der innere Kern der Theorie davon unberührt bliebe, scheint mir das nur dadurch möglich zu sein, dass er als blosse Form mit irgendwelchen Tatsachen nichts zu tun hat. (Das ist es ja, was man an der Kunst schätzt: die schöne, leuchtende Form.)


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>> Aus dem Prinzip wird sich, vielleicht mit Hilfe mathematischer Strukturen, vermutlich etwas ableiten lassen. Aber doch wohl keine Tatsachen. Sollte man nicht lieber sagen, das Dirac die Existenz von Positronen einschliesslich ihrer Annihilation mit Elektronen plausibel postulieren konnte? Und dann sieht man nach, ob es nicht nur in sich schlüssig ist, sondern auch tatsächlich zutrifft.
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>Ja, in Prinziptheorien ist neben dem formalen zudem der experimentelle Existenzbeweis wesentlich. Einstein hatte von innerer Vollkommenheit und äußerer Bewährung gesprochen. Dabei ist ihm klar, „dass man im allgemeinen eine Theorie als umso vollkommener beurteilen wird, eine je einfachere Struktur sie zugrunde legt und je weiter die Gruppe ist, bezüglich welcher die Feldgleichungen invariant sind."
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Also doch äussere Bewährung und experimenteller Existenzbeweis.

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>> Die Natur hat also das Prinzip anscheinend ebenso durchdekliniert wie der Theoretiker. Gegen diese Feststellung ist nichts einzuwenden. Ich gehe ja auch nicht davon aus, dass die Natur verrückte Sprünge macht und sich morgen ganz anders verhält als heute.
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>Deshalb wird ja gelegentlich das Induktionsprinzip ebenso wie die Invarianzprinzipien mit der Naturkonstanz zusammengebracht. Seinem Vertrauen in die Invarianz der Wellenelektrodynamik nach musste es so etwas wie ein positives Elektron und magnetisches Monopol geben. Letztes ist bis heute nicht gefunden worden, somit existiert es nur formal.


Das Induktionsprinzip setzt doch Naturkonstanz voraus. Sonst würde man doch nichts aus Beobachtungen "schliessen" (in Anführungszeichen wegen des Unterschieds vom logischen Schluss).

Claus

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