Am 17.04.2023 um 12:34 schrieb Ingo Tessmann über PhilWeb <philweb@lists.philo.at>:


Moin Karl,

Nietzsche frönte ja dem literarischen Philosophieren und stand als klassischer Philologe der Mathematik fern; denn was kann klarer sein, als mathematische Gedanken? In der Theorie dynamischer Systeme sehe ich auch den Rahmen, in denen physiologische Mechanismen, Homöostase und Emotionen analysiert werden können; wobei sich die „primären Formen" nicht „überlebensstrategisch entwickelt“ haben können, da nur Menschen Strategien verfolgen, die Natur lediglich stochastisch-kausal im Evolutionsschema von Stoffwechsel, Selbstreproduktion und Mutation in der ökologischen Nische notwendig die jeweilige Selektion bewirkt.  

Moin moin Ingo, 

diesen Einwand kann ich nicht so recht verstehen, denn es geht doch hier gar nicht in erster Linie um Natur an sich, sondern um Entstehungstheorien von Emotion beim Menschen wie auch bei Tieren. Zudem bezog ich mich nicht auf primäre Formen schlechthin, sondern auf die Art der Entwicklung, also somit ein durchaus an überlebensstrategischen Strategien orientiertes Entstehen von Emotion im Verlauf der Ontogenese.

Emotion als basaler Gefühlsausdruck ist selbstredend ein physiologischer Prozess, der im Gehirn/ZNS mit weiteren geistigen Prozessen korreliert und als solches sich im Verlauf - wie angeführt – in natürlicher Evolution ausgebildet hat. 

Dabei können physiologische Mechanismen insbes. im fürsorglichen Verhältnis zum Nachwuchs, ebenso zum Erhalt resp. Pflege einer sozialen Einheit zu einer signifikanten Überlebens- und Fortpflanzungswahrscheinleichkeit (nach implizit ablaufendem stochastisch-kausalen Evolutionsschema) den entscheidenden evolutionären Vorteil erbracht haben. 

Daraus kann abgeleitet werden, dass primäre Emotionen auf physiologischen Mechanismen beruhen, die sich evolutionär zur Bewältigung essentieller Herausforderung wie eben die Beschaffung von Nahrung, die Sicherung der Fortpflanzung und vor allem auch diverse Feindabwehr (etwa der Kriegsruf der Indianer oder der Kampfschrei der Kendoka) entwickelt haben, was durchaus als Überlebensstrategie zu sehen ist.





Clausens Frage nach dem Ursprung des Lebens ist im Evolutionsschema zu sehen, nach dem bereits die Ratengleichungen für Nukleinsäuren im Bioreaktor formuliert werden können. Von dort zu den vielzelligen Organismen ist es allerdings noch ein weiter Weg, der Mrd. Jahre währte. Aber warum sollten die weiteren Entwicklungsschritte bis hin zu Emotionen und Kognitionen sich nicht einmal in sich selbst weiter entwickelnden künstlichen Lebewesen entstehen können? In ihnen wären die Emotionen und Kognitionen natürlich ebenso subjektiv besonders wie in natürlichen Lebensformen. 

Nun, das ist derzeit wieder hochaktuelles Thema, etwa die vielen offen Fragen zu ChatGPT, für die es derzeit keine abschließende Antwort geben kann. Alleine schon die damit verbundenen Spekulationen sind atemberaubend und ich denke, wir werden hier noch oft darauf zurückkommen.





Mir scheint nicht der Ursprung des Lebens rätselhaft, sondern mein alltäglicher Wachzustand, auch Selbsterleben oder Bewusstsein genannt. Wie bringt das Gehirn diese Erlebnisfülle hervor, die nicht vermittelbar, sondern nur erlebbar oder bewusst ist. Dieses Selbsterleben, indem sich stets vielfältige Emotionen und Kognitionen überlagern in einem Wirlichkeitsraum aus Erinnerungen und einem Möglichkeitsraum aus Vorstellungen. Die ständig hirngenerierten Superpositionen all dieser Übergangszustände legen eine algebraische Beschreibung wie bei quantenmechanischen Verschränkungen nahe. Aber die bleibt der Innenwelt ebenso äußerlich wie die Umgangssprache. Und so simple Verbindungen wie bspw. Lachgas vermögen Bewusstseine einfach auszuknipsen. Ob das Bewusstseinsgeheimnis jemals gelöst werden wird? 

Ja auch hierzu hatten wir uns oft schon ausgetauscht und man wird dennoch immer wieder auf's Neue erkennen, dass man dem eigentlichen Wesen von Bewusstsein (bezogen auf seine prozessualen Gehirnzustände) keinesfalls näher gekommen ist, durchaus jedoch damit korrelierten Gehirnfunktion, auch wenn entsprechende Denkmodelle weit entfernt von einer abschließend plausiblen Erklärung sind. 

Für meine Begriffe sind diesbezügliche Ansätze, etwa die Hameroff-/Penrose-Thesen aufschlussreich, wonach die Mikrotubuli (wegen ihrer symmetrischen Struktur) im Gehirn als „Resonanz- und Speicherelemente“ eine entscheidende Rolle bei der Bewusstseinsbildung spielen.

Hameroff ist Anästhesist und weiß um das Disabling des Bewusstseins, bei dem die quantenmechanischen Zustände des Gehirns temporär außer Kraft gesetzt sind. Doch auch diese These hat ihre Kritiker wie z.B. Tekmark.

Resonanz ist für mich das entscheidende Stichwort, da mit diesem Phänomen die unerlässliche Interaktion des Gehirns/ZNS mit diversen Feldern/Frequenzen (z.B. die kürzlich erwähnte Schuhmann-Resonanz von 7,8 Hz) verknüpft ist und darüber hinaus deren essentielle Bedeutung für alle Bereiche der klassischen Physik einschließlich jener der Metaphysik (zu der ich persönlich das Phänomen der Verschränkung resp. Nichtlokalität zähle), insbes. aber der QM durch die Beziehung E=hf. 

Bester Gruß an Dich und in die Runde! - Karl