Über Rene Girard kommt Thiel zur Beschäftigung mit dem christlichen Erlösungsglauben und über Carl Schmitt zur politischen Theologie. Aber kommt es Thiel (gemäß Habermas) auf kommunikatives Einverständnis an oder denkt er vornehmlich instrumentell-strategisch? Es lassen sich jedenfalls zwei wesentliche ideologische Entwicklungsphasen im Denken Thiels ausmachen: Die libertäre orientiert an Ayn Rand und Friedrich Hayek, die erlösungsgläubige nach Girard und Schmitt. Interessant und aufschlussreich wäre es, die verwickelten Zusammenhänge zwischen jeweiligen ideologischen und Geschäftsinteressen Thiels genauer zu behandeln. Ich beschränke mich auf einen groben Anfang.
1998 ging es Thiel darum, in libertärer Absicht mit Confinity Inc. Geldgeschäfte weitgehend unabhängig von Staat und Banken tätigen zu können. Bekanntlich verfolgte Musk mit
X.com das gleiche Ziel — und anstatt zu konkurrieren fusionierten sie beide Firmen zu Paypal. Damit war allerdings nur ein neuer effizienter Geldtransferdienst eingeführt, aber noch lange nicht die ersehnte Unabhängigkeit von Staat und Banken erreicht worden. Infolge der Anschläge 9/11 gründete Thiel dann 2003 im Vorweg zum "9/11 Commission Implementation Act“ Palantir Technologies, um Terrorismus zukünftig durch weitreichende und detaillierte Datananalysen bereits präventiv begegnen zu können.
Hatte sich Thiel hinsichtlich der Geldgeschäfte schon nicht unabhängig machen können, so verkaufte er sich mit einem milliardenschweren Rahmenvertrag bis 2029 an das US-Verteidigungsministerium, um mit Palantirs KI-System Maven die Datenanalysefähigkeiten der US-Armee zu revolutionieren. Entgegen Thiels libertären Ambitionen ermöglichen Palantirs KI-Systeme gerade den Überwachungs- und nicht den Freiheits-Staat. Im Einklang mit seiner Abneigung gegen Wettbewerb und der Befürwortung von Monopolen entwickelte Thiel sich dann zum Antidemokraten im Trump-Team 2016 — als „Contrarian" entgegen seiner Mitstreiter im Silicon Valley.
Nunmehr scheint Thiel im Kampf gegen den „Antichristen" dem Religionswahn verfallen zu sein, wobei er mit „Antichrist die vermeintliche Gefahr einer autoritären Weltregierung von Klima- und Sicherheitsfanatikern“ meint und den zum Katholizismus konvertierten Vance zum Vizepräsidenten empfahl. Damit denkt er bereits über Trump hinaus, um die nächste Wahl mit Vance gewinnen zu können. Schmitt folgend soll auch Thiel als „Katechontiker“ Antiapokalyptiker sein und sich als Vertreter einer den „Antichrist“ aufhaltenden Geschichtstheologie sehen. Thiel hat ein interessegeleitetes Verständnis von Apokalypse und reduziert dieses auf die Ansage der Katastrophe. Damit schürt er Ängste im Volk, die sich dann nach dem autokratischen Führer in der Not sehnen sollen. Selbst wird ihn hauptsächlich die Angst davor umtreiben, seine Mrd. verlieren zu können.
Im Patriarchat ist Religion wesentliches Herrschaftsinstrument und in den USA bis heute mehrheitsbeschaffend einsetzbar. Im Unterschied zu Vance sehe ich Thiel nicht ernsthaft dem Religionswahn verfallen, sondern lediglich instrumentell-strategisch über Trump hinaus um die Sicherung seiner Mrd. bemüht zu sein. Schon Konstantin wird bei der Auszeichnung des Christentums als Staatsreligion damals beabsichtigt haben, fortan über die Schätze in den Tempeln und Kultstätten der anderen Götter verfügen zu können. Was ist Ideologie und was seriöse Politik? In der Wirtschaft geht es um Profit und in der Politik um Macht zur Sicherung des Profits. Dabei hegt Thiel nach wir vor seine Vision von einem als Unternehmen geführten Staat. Einen Anfang dafür sieht er im „Seasteading“.
IT