Am 29.06.2023 um 14:42 schrieb Joseph Hipp über PhilWeb <philweb@lists.philo.at>:

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Das ist gut gesagt, ein Teil des Problems kann ich anders beschreiben. Ich bin ja ziemlich stur immer mit dem Wort Sache. Vielleicht hast du das schon gemerkt. Es gibt Leute, die mit dem Wort Sachverhalt kommen, und dann sagen: Sachverhalt ist verschieden von Sache. Dem kann ich so wiederum nur zustimmen. Wenn ich nur Sache als Wort verwende, so muss ich intern oft denken "Sache1", "Sache2", denn es treten eben verschiedene Sachen auf, intern und extern, und schon stehe ich vor dem Problem: So einfach ist es nicht, immer dasselbe Wort zu verwenden. Dann muss die Zahl dazu kommen, wenn die eine Sache kurz nach der anderen kommt. Das mag dir zu theoretisch erscheinen, ist es aber nicht. Für die Juristen ist Sachverhalt etwas ganz genau Definiertes, für andere Personen nicht. Für sie gibt es dann schon dasselbe Problem, das ich vorhin mit den Zahlen geschrieben habe, sie sagen: Der Sachverhalt der Partei 1, der Sachverhalt der Partei 2, und nun muss "das Gericht" daraus und aus anderem den dritten Sachverhalt herausfinden. Die drei Sachverhalte stimmen meist nicht überein, so dass es offensichtlich ist, dass dem mit verschiedenen Wörtern nichts Zusätzliches gesagt würde. In meiner Sprache: Es sind drei verschiedene Sachen. Und ungenau gesagt: Es ist in dem Fall derselbe Brei, nur die Zusammensetzung ist eine andere. Das hat auch schon Schopenhauer mit seinem Teig-Kuchen-Brot-Beispiel gezeigt, indem er schrieb, dass Kuchen und Brot beide Mehl als Bestandteil haben. Wenn du meinst, es wäre meine "Passion", ok. Es ist bekannt, dass einige Personen ein absolutes Gehör haben. Hast du auch schon gehört, dass sie sich darüber ärgern, dass sie beim Musikhören die Noten mit denken, mit denken müssen? Das ist dann keine Passion, sondern eine "innere" Obsession, sie haben das nicht unbedingt gerne. Angenommen ich hätte diese Wörter-Passion, Wörter-Obsession, dann würde ich mich an meinen eigenen Wörtern stören. Zuvor habe ich das Wort "gezeigt" verwendet. Was ist "zeigen" anders als "zu denken geben"? Nun müsste ich in mir streiten, das tue ich nicht, weil es in mir dasselbe ist. Ich sage dann nicht: "zeigen" ist etwas anderes als "zu denken geben". Einerseits ja, anderseits ist es nicht nötig darüber zu diskutieren. So ist es auch mit den Wörtern "denken" und "vorstellen". Dass mit dem eher ein bildliches Denken verbunden sein soll, mit dem anderen ein ... (rechnerisches, literarisches, schwafelndes, phantastisches ...) Denken, spielt keine Rolle, wenn wie du schreibst, "versuchen, das auszudrücken, was man  ... denkt", geht es dann darum, dass der eine in etwa dasselbe denkt wie der andere. Es ist so wie bei den drei o.g. Sachverhalten. Ein gerichtliches Verfahren kann sogar ohne das Wort Sachverhalt ablaufen, und es läuft ab, ohne die Nummerierung wie oben angegeben. Nur läuft dieses (in deinem Wortpaar "im Kern") immer mit ab, Sachverhalt ist ein und dieselbe Sache, die jeweils in anderen Darstellungen und Personen abläuft. Und weil das Innere in den Personen nur mit Sätzen gesagt werden kann, werden diese Sätze aufgeschrieben. Wenn zusätzlich mit das Wort "Sachverhalt" ständig gesagt würde, würde das nicht viel nutzen.

Was Musiknoten anbelangt, bin ich als Sänger und Geigenspieler froh, das Notenblatt beim Lesen auch quasi hören zu können.

Selbstredend haben Kuchen und Brot das Mehl als gemeinsamen Bestandteil. Dabei liegt dennoch ein gravierender Unterschied vor, denn das für Kuchen verwendete Mehl ist in aller Regel ein feine gemahlenes weißes Mehl, während für Brot (sofern nicht Weißbrot) ein grobkörnigeres Mehl (ggf. nach Weizen- oder Roggenmehl unterschieden) verwendet wird. Im Kern (sic!) geht es jedoch um den Sachverhalt, dass zwei unterschiedliche Sorten sich dennoch aus der gleichen Grundsubstanz zusammensetzen können. Irgendwie läßt mich das an das hier diskutierte Phänomen der Chiralität denken, eher aber noch an unsere eigene Konstitution als Molekularverbund, als eben auch ein gleicher „Brei“, aus dem sich fortwährend dennoch unzählige in sich unterschiedene Menschen entwickeln. 

Geht man auf Teilchenebene zurück, dann unterscheiden wir uns nur marginalbezogen auf die Konstituenten unseres Körpers mit etwa 14 Bioelementen, wovon nur die Hälfte davon als essentielle Bestandteile definiert werden. Worin liegt dann der nicht zu leugnende, bisweilen gravierende, Unterschied zwischen Menschen? Einzig doch in seinem Verhalten, oder nicht?  Und was bestimmt eigentlich menschliches Verhalten? Diese Fragen sind vom Menschen selbst in unzähligem Schriftgut auf die unterschiedlichste Art und Weise erklärt, keine derartige Frage ist unbeantwortet geblieben. Dennoch werden sie immer wieder aufs Neue gestellt, jüngste Beispiele – sei es im Zusammenhang mit dem Putin-Krieg oder den Krawallen in Paris. Da ist etwas – wieder einmal – fatal aus den Fugen geraten. Aus welchen Fugen?

Menschen also, obgleich alle aus dem gleichen „Biobrei“ beschaffen, verhalten sich dennoch auf zerstörende Weise extrem ungleich. Bei dieser Frage kann es eigentlich nicht mehr um „Sachen“ gehen, auch wenn diverse Sachverhalte zu solchem Verhalten führen. Und es kann auch nicht mehr um gleichen Biobrei gehen, sondern um ein Geistiges, um eine jeweils  unterschiedlich geistige Verfassung. 

„Welcher Geist ist denn in diesen Körper gefahren?“ fragte der Volksmund und lag mit dieser Frage nach dem Geist im Menschen sicher nicht falsch. 

Da ist sie wieder, die Information, über die wir hier so oft kontrovers diskutiert haben, insbes. mein Statement: „it's all about information“. Damit meine ich nicht Information in ihrer nachrichtentechnischen Struktur, sondern insbes. gemäß der ihr zugrunde liegenden Bedeutung und somit ihrem immateriellen Inhalt. 

Die Frage, was verbindet Menschen über derartige „Kanäle“, die eben keine technischen Nachrichtenkanäle (i.e. Twitter, Telegram) sind, steht für die meisten Menschen unbeantwortet im Raum. Doch was anderes kann zu diesen Affinitäten führen, als diverse Resonanzgeschehen, die sich auf Quantenebene abspielen, einerlei zunächst, ob man hier die Wellentheorie nach Bohm/deBroglie oder andere Mechanismen (i.e. Sheldrakes Morphofelder) in Betracht zieht.

Das sind also Fragen, die mich bewegen und nicht so sehr die Bedeutungen von Worten, obgleich derartiges Fragen immer nur in Worten unserer Sprache formuliert sein kann, es sei denn, man könnte „wortlos“ denken. Anders gefragt: mündet Denken letztlich immer im entsprechenden Wortevorrat gehirnlich spezifisch individueller Erfahrungspotentiale?


Bester Gruß! - Karl






Entschuldige, dass ich mich hier "verliere", oder auch nicht. Nur bedenke ich hier: Es nutzt manchmal gar nichts, verschiedene Wörter zu gebrauchen, wenn es um dasselbe geht, oder um dasselbe mit verschiedenen Ausformungen, Erlebnissen usw. Du hast sicher schon einmal oder gar oft gemerkt, wenn du eine Geschichte erzähltest, die dir widerfahren ist, der Zuhörer dann sagt, dass er das auch schon erlebt hat. Oder dass es ihn langweilt, weil es für ihn eine Wiederholung ist. Dann kannst du ihm oft sagen, dass das etwas anderes ist, was du erlebtest, als er, der Streit kann beginnen.

> „Vom Hölzgen zum Stöcksgen“ sagt man im Rheinischen wohl dazu. Da „denkt“ einer schon während des Sprechens, anstatt vor dem Sprechen zu denken. Wer des öfteren Reden aus dem Stehgreif zu halten hat, wird eher froh um dieses „Vermögen“ sein, wer sich dabei am liebsten selbst zuhört, dem wird von anderen eher ungern zugehört. Es gilt wohl wie für viele sonstige Bereiche auch: das rechte Maß finden!

Richtig. Nur wenn es um eine Sache geht, dann kann diese wichtig oder unwichtig sein. Und dann geht es um diese, und nicht um das richtige Maß zwischen dieser und anderen.

> Und doch gilt es auch immer, die richtigen Worte zu finden und diese obendrein im zutreffenden Kontext anzuwenden; Das wird um so leichter gelingen, wenn einer Äußerung eine klare Vorstellung davon zugrunde liegt, die ihrerseits ein dementsprechendes Denken voraussetzt. So zeigt sich die enge Verbindung von Vorstellung und Denken, obgleich diese Begrifflichkeiten nicht gleichzusetzen sind.

Ja, das ist noch nicht alles. "Wir müssen uns über die Wörter einigen", diesen Satz habe ich schon gehört. Angewandt darf ich schreiben: Es geht manchmal nicht anders, als den Unterschied zwischen Worten und Wörtern zu denken, dass es zwei verschiedene Sachen sind, die in der Umgangssprache oft, aber nicht immer verwischt werden. Worte sollen schon Bedeutungen transportieren, Wörter nicht, weil sie auf einem Träger oder nur im Schall vorhanden sein können, unabhängig von einer Person. Für Wörter bedarf es keines Streits um Bedeutungen, für Worte schon. Es ist unglücklich, dass es hier in der Einzahl keinen Unterschied für Worte und Wörter gibt. Ich kann schließlich nicht sagen: Dieses Wort (Einzahl von Wörtern) gibt zu denken, wenn im Wort schon das Denken liegen soll, darin wäre dann ein Zirkel. Auch kann ich nicht immer auf genaue Definitionen pochen, und etwa die Sprache der Linguisten ständig benutzen: Lexem, Sem, usw. oder die Sprache mit Wörtern wie Information, Signal, oder die Sprache mit Wörtern wie Reiz usw.

Viel zu viel Paraphrasierung von mir, entschuldige, es geht nicht um nur um die Wörter, wenn es um eine Sache geht. Als Programmierer weißt du, dass es nicht um die Schreibweise der when-if-Zeilen geht, nur muss Einigkeit bestehen, sonst gibt es keine Verständigung zwischen Programmierer und Computer. Wenn du deinem Laboranten sagst: Bring mir eine Welle, und er bringt dir eine Nabe, dann bist du schließlich vor einem Problem. Oder du zeigst auf dein verschmutztes Kleid und verlangst eine Bürste, und dein Freund bringt dir eine Zahnbürste. Dann nutzt es absolut nicht, sich in Definitionen zu verlieren, und zu sagen: Eine Kleiderbürste ist keine Zahnbürste, jedoch sind Begrifflichkeiten nicht gleichzusetzen, einverstanden.

Nun denke ich doch zurück verwiesen zu haben auf meine letzte Mail, entschuldige wenn ich dir "vorwerfe", die Paraphrasierung angefangen zu haben, so dass du Öl auf mein Feuer schüttetest, ich mitmachte, und dann doch nur zurück verweisen kann.

> Zu Deinem Beispiel mit dem „Reparateur“ möchte ich noch einwenden, dass es ggf. sehr wohl darauf ankommt, der Frage nach dem Ausfall, bzw. Defekt eines Gerätes/Moduls/Teils nachzugehen. Hier gilt es allerdings zu differenzieren, wer als reparierende Person agiert. Der Techniker einer Reparaturwerkstatt wird mehr oder weniger routiniert ein defektes Teil ausfindig machen und dieses ersetzen, ohne primär nach dem Grund des Ausfalls zu fragen. Der Entwickler (dem man ggf. sein von ihm entworfenes Teil auf den Labortisch legt) wird daran interessiert sein, warum es ausgefallen ist, bzw. funktionsuntüchtig wurde. Da spreche ich als Entwicklungsingenieur sehr wohl aus bisweilen leidiger Erfahrung, wenngleich ich nicht mehr am Labortisch sitze.

Richtig!

> Soweit erst mal zu diesem Deinem Passus, zu den anderen möchte ich später kommen, jetzt ist erst mal Arbeiten, statt Schreiben bzw. über "Gott und Welt" zu schwadronieren, angesagt.

Gut so, dann ist das eben Sache, arbeite gut! Und insgeheim gesagt: Wir schwadronnieren doch lieber als an der Sache zu bleiben, oder etwa nicht. Wenn es um "Gott und die Welt" geht, geht es schließlich nicht nur um eine Sache, da geht es um's Ganze. Provokation, reingelegt, wer wen? Das Ganze mehr als die Teile? Dann wird die Sache als Teil angesehen, so geht das Schwafeln weiter. Auf jeden Fall bin ich einverstanden!

JH
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