Könnte man nicht der (sicherlich normalerweise etwas leichtfertigen) Rede vom „Verfließen der Zeit“ trotzdem einen Sinn abgewinnen, indem man darauf verweist, daß sie eben nicht, wie für die Naturwissenschaftler, ein objektiver Rahmen, eine Hintergrundkonstante oder so etwas, sondern (auch und zumeist) eine subjektive Größe, „gelebte Zeit“, und insofern eine endliche Größe, die wenn sie nicht „fließt“, dann aber doch „verfließt“, also: schrumpft, schmilzt, abnimmt, zu „Ende“ geht? War das nicht Heideggers radikal-subjektiv-existentialistischer Rückbezug von Zeit auf „Sein“? Zeit „fließt“ dann in dem gleichen herakliteischen Sinn wie ein Fluß eben „fließt“: natürlich sind die Wasserpartikel nicht „verloren“, irgendwann kehren sie vermutlich wieder, über verschiedene Aggregatszustände, und in diesem Sinne sind wir irgendwie immer „vom gleichen Wasser umgeben“, aber doch nur, wenn wir uns ganz abstrakt-holistisch-naturalistisch, mit einem God-eye´s view, betrachten. Warum sollte man das tun? Die lebensweltliche Wahrheit ist, daß dieser aktuelle Fluß, vor dem ich jetzt stehe und in den ich steigen kann, nie mehr so sein wird wie gerade jetzt. So ist es auch mit der Menschenzeit: sie fließt eben (weg). Nicht das „alltägliche Zeiterleben ist eine Art Ideologie“, sondern anders herum: alle auf diesem primären Zeitverständnis abgeleiteten naturwissenschaftlichen und metaphysischen Zeitkonzepte sind Projektionen, Extrapolationen, Verfremdungen von dann plötzlich nicht mehr fließender, sondern stillstehender Zeit.
Hätte ich mal probehalber gesagt.
JL