Am 06.09.22 um 16:59 schrieb Ingo Tessmann über PhilWeb:

auf meine Hinweise zum Wort Kapitalismus:
...  Sombart ...  seine Definition des Kapitalismus lautet: „Unter Kapitalismus verstehen wir ein bestimmtes Wirtschaftssystem, das folgendermaßen sich kennzeichnen läßt: es ist eine verkehrswirtschaftliche Organisation, bei der regelmäßig zwei verschiedene Bevölkerungsgruppen: die Inhaber der Produktionsmittel, die gleichzeitig die Leitung haben, Wirtschaftssubjekte sind und besitzlose Nurarbeiter (als Wirtschaftsobjekte) durch den Markt verbunden, zusammenwirken, und die von dem Erwerbsprinzip und dem ökonomischen Rationalismus beherrscht wird.“

Ich muss mich leider immer wieder wiederholen mit dem Hinweis auf den Dialog Phaidros. Sokrates verlangte von seinem Gesprächspartner,  doch bitte selbst zu sprechen. Im Phaidros machte er eine Ausnahme. Er würdigte auch die fixierten Texte, kritisierte daran, dass sie unverrückbar sind. Doch ok. Ich gehe nicht zu Referenzen hin, sondern erfinde das Rad neu, oder ich sage es aus den mir bekannten Erinnerungen heraus. Das hat auch seine Probleme, einverstanden.

An der obigen Definition ist die Teilung der Gesamtheit in zwei. Eine Teilung ist immer eine beliebige. Derjenige, der definiert, hat die freie Hand. Die zwei Bevölkerungsgruppen sind gemäß Autor von vornherein getrennt zu sehen, es wäre ein Ideal, wenn es denn so wäre. "verkehrs.." und "Organisation" passt nicht so recht. Statt "zusammenwirken" würden andere Personen lieber "gegenwirken" hören. Und einige wollen weder die einen noch die anderen Personen als Objekte ansehen. Und so könnte ich meine Bedenken fortsetzen. 

Auch wenn ich den höchsten Respekt vor diesem Sombart hätte, würde ich doch sagen, dass seine Definition nicht besser ist, als diejenigen, die auch andere ausdrücken. Bei dem von dir genannten Gabler fahre ich jetzt nicht weiter.

Das Gleichsetzen von Kapitalismus und Marktwirschaft steht natürlich unter Ideologieverdacht; denn warum sollte es keine Marktwirtschaft ohne Kapitalismus geben?  

Das wäre eine Frage, die du nur den Begriffsdenkern stellen kannst, mir nicht. Nur ein Hinweis: In meinen Mails von vorhin habe ich genau auf die Probleme der Benutzung  von Wörtern hingewiesen, ohne eigene Kriterien anzugeben. Wenn das Wort Kapitalist höre, höre ich die negative Bewertung, die mit dem Wort einher geht, fast immer mit. Mit dem Wort "Marktwirtschaft" muss ich denken: Da ist jemand, der versucht, die Sache ohne die negative Bewertung zu denken zu geben. Bei ihm ist offen, ob er dabei etwas Positives denkt oder nicht, jedenfalls finden diejenigen, die das Wort Kapitalismus benutzen, ihn suspekt. Analog dazu sind bei den "guten" Wörtern Probleme. Wenn jemand mir sagt, er sei Sozialist, so muss ich ihm wohl antworten, ob ich auch einer bin, oder nicht. So funktioniert Sprache. Wer seinen Beruf sagt, wartet darauf, dass ich ihm sage: Ich bin Schornsteinfeger.

JH