Am 21.10.2025 um 03:20 schrieb Karl Janssen über PhilWeb <philweb@lists.philo.at>:

Hier finden sich benannte Ebenen, als solche die physisch-stoffliche, vegetativ-autonome sowie die emotionale und insbesondere die mental-geistige Ebene, wobei letztere in ihrer spezifischen Ausbildung den Menschen ausmacht. 

Moin Karl, 

damit knüpfst Du an die Ontologie Hartmanns an, dem es ja um eine Wiederbelebung der klassischen Metaphysik ging. Andererseits ist der Positivismus (des 19. Jahrhunderts) über den logischen bzw. Neo-Positivismus in Sprachphilosophie und Wissenschaftstheorie aufgegangen. Aber warum den Traditionen folgen? Sei es Positivismus oder Idealismus. Mein philosophisches Motto lautet ja: Rationalität statt Tradition! Alltäglich werden Steine, Pflanzen, Tiere und Menschen unterschieden. Steine werden bewegt, Pflanzen wachsen, Tiere verhalten sich und Menschen handeln. Philosophen sollten sich an die terminologischen Unterscheidungen dieser Aktivitäten halten und bspw. Tieren keine Handlungen zusprechen. Warum gibst Du Dich metaphysisch mit ontologischen Ebenen ab und hältst Dich nicht an alltägliche Handlungszusammenhänge?   

Unglücklicherweise führte die Menschheitsentwicklung im Verlauf der weltumfassenden Technisierung inzwischen zu einer Lebensführung, die benannte Ganzheitlichkeit nicht mehr wahrnimmt und vermutlich irreversibel zu signifikanten Störungen im Kreislauf dieser Lebensformen führen wird. 

Weltumfassende Technisierung fördert partikulare Lebensführungen und unterminiert die Kreisläufe der Lebensformen. Du wolltest Dich kurz fassen, aber so pauschal lässt sich die Menschheitsentwicklung kaum verstehen. Mich hat die Verleihung des Ökonomie-Nobelpreises an Weiterdenker Schumpeters erheitert; denn ist das nicht eine gelungene Verhöhnung der Fossil-Marionetten, die noch nichts von kreativer Zerstörung gehört zu haben scheinen?      

Das dem Positivismus affine Materielle, nicht das ideell Geistige wird diese Lebenswelt in den Abgrund stürzen, gleichwohl ein aus Abermillionen „Kleingeistern“ teuflisch geformtes Gebilde die größte Gefahr für diesen Planeten darstellt.

Dieses Palaver dünkt mir zu vorurteilsbeladen. Der Planet wird weiter rotieren auf seiner Bahn um die Sonne, auch wenn die Menschen sich dezimiert haben sollten. Bei McEwan gibt es 2119 immerhin noch 4 Mrd. Menschen, unter denen einige Historiker unsere Zeit für geradezu paradiesisch halten und sich gerne in sie hineinzuversetzen versuchen. Aber was können sie noch wissen von ihr? Wenders hat Anselms Kunst als  „Rauschen der Zeit“ inszeniert und Herzog Steinzeitkunst als „Höhle der vergessenen Träume“ verfilmt. Wovon mögen die Höhlenmalenden geträumt haben und wovon werden Menschen 2119 träumen?  

Mir ist nicht klar, warum Du wieder auf dem Positivismus herumreitest und dem metaphysischen Gegensatz von materiell und geistig das Wort redest? Der logische oder Neo-Positivismus, wie er im Wiener Kreis ausgearbeitet wurde, verbindet denken und empfinden bzw. Logik und Sinne, hat aber nichts mit der Metaphysik von Materiellem und Geistigem zu tun. Menschen agieren stets in Handlungszusammenhängen, die heute überwiegend von Systemimperativen bestimmt werden, die es in der Alt-Steinzeit noch nicht gab. Das änderte sich im Übergang vom Wildbeuter- zum Bauerntum. Follett hat in „Stonehenge. Die Kathedrale der Zeit“ die Konflikte und ihre Bewältigungen zwischen Bauern und Wildbeutern am Beispiel Stonehenge zu umschreiben versucht.  

Inwieweit tragen Gemeinschaftsprojekte zur Konfliktlösung bei? Was macht „Heiligtümer" aus? Begann der Krieg zwischen Völkern wie gegen die Natur nicht schon im Neolithikum? Wie hätte es mit dem Bauerntum besser weiter gehen können? Bis heute ist es mehrheitlich ein Hort der Rückständigkeit und Tradition geblieben. Wie wäre die Menschheitsentwicklung ohne Privateigentum verlaufen? Und kommt der Technisierung eine so fundamentale Rolle zu wie Du sie siehst? Ich sehe die Zweckrationalität der Technik gebunden ans Privateigentum und den religiösen wie politischen Machtstrukturen bis zu den gegenwärtigen Staatssystemen. D.h. nicht das „Materielle", sondern das „Geistige" führt die Menschheit bis heute ins Verderben.       

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