… Das meine ich mit „Versuch und Irrtum“ als ein unumgängliches Prinzip der Fortentwicklung und der damit verbundenen Aussage, dass alles Leben ein fortwährendes Problemlösen sei (Karl Popper: Alles Leben ist Problemlösen). Jedes problematische Geschehen beginnt irgendwie mit einem Versuch und endet mit einem Irrtum, den es zu erkennen und zu beheben gilt. Wo ein Irrtum nicht (rechtzeitig) erkannt wird oder – weit schlimmer – ein erkannter Irrtumsweg nicht verlassen wird, da wird ein Problem zum wirklichen, zumeist irreversiblen Problem.
Moin Karl,
wir schreiben wieder aneinander vorbei, denn natürlich waren der seit der Antike betriebene Bergbau und die Metallurgie ursprünglich nicht theoriegeleitet. Unstrittig ist auch, dass das Problemlösen einen wesentlichen Aspekt des menschlichen Lebens ausmacht. Poppers Verallgemeinerung dagegen ist weitgehend Metaphorik. Dabei erfolgt das Problemlösen sowohl nach Versuch und Irrtum als auch theoriegeleitet. Und Beispiele für theoriegeleitete Innovationen hatte ich doch genannt, nämlich die, die von der Elektrifizierung zum Internet, vom Computer zum Smartphone, von der Pferdebahn zur Eisenbahn, von der Pferdekutsche zum Auto führten.
Auch Dampfmaschinen gab es bereits in der Antike, aber die Entwicklung von Verbrennungs- und Elektromotoren, von Generatoren und Computern setzten Mathe und Physik voraus, erfolgten theoriegeleitet — und nicht „irgendwie mit einem Versuch“. Nicht Irrtümer dominieren den technischen Fortschritt, vielmehr nehmen Anzahl und Genauigkeit technologischer Parameter mit der Zeit monoton zu. Ideologiekritisch geht es darum, kontingente Naturwüchsigkeit nicht mit zweckmäßiger Technik zu verwechseln. Denn warum sollte „alles Leben Problemlösen“ nach dem Prinzip von Versuch und Irrtum sein?
Meine These ist, dass technische Innovationen seit dem 19. Jahrhundert vermehrt und gegenwärtig nahezu ausschließlich theoriegeleitet erfolgen. Historisch interessant dabei sind natürlich nicht nur Wissenschaft und Technik, sondern auch Macht und Geld. Auch Wind- und Wasserräder gibt es seit der Antike. Warum sind sie nicht schon vor Jahrezehnten flächendeckend für die Stromerzeugung eingesetzt worden? Deine Nachsicht mit den Machenschaften des fossilen Imperiums kann ich nicht nachvollziehen. Ebensowenig kann ich nachvollziehen, dass die friedfertige Letzte Generation in Bayern als kriminelle Vereinigung vorverurteilt wurde, während mordende Terroristen als Einzeltäter verharmlost (Oktoberfest, OEZ), wenn nicht geduldet worden sind (NSU).
Falls Du die Berichte über die Machenschaften nicht nur ExxonMobil’s zur Leugnung des anthropogenen Klimawandels noch nicht kennen solltest. „In 2015, investigative journalists discovered internal company memos indicating that Exxon oil company has known since the late 1970s that its fossil fuel products could lead to global warming with “dramatic environmental effects before the year 2050.” Additional documents then emerged showing that the US oil and gas industry’s largest trade association had likewise known since at least the 1950s, as had the coal industry since at least the 1960s, and electric utilities, Total oil company, and GM and Ford motor companies since at least the 1970s“:
IT