Moin Ingo,


nachdem Du Thomas und mich quasi als Tandem bezogen auf unseren „literarischen“ Zugang zur Philosophie zusammen spannst, erlaube ich mir auf einen Passus der ihm zugedachten Mail zu antworten: Thomas hätte sich als Mythologe geoutet, schreibst Du und bringst damit auf unterschwellig herablassende Art Deine gemeinhin hier bekannte Ablehnung gegen eine Sichtweise zum Ausdruck, die sich auf andere als Deine pur naturalistische bezieht. Du offenbarst Dich geradewegs als Ignorant gegenüber aus anderen Perspektiven hier darlegte Denkmodelle.

Bezogen auf Strukturbildungen von Materie laufen beide Sichtweisen eigentlich auf dasselbe hinaus, nämlich eine Materialität, die nicht gegen die Meta-Ebene der Passung, Fügung, des Wunders des Zusammenhängens steht, wie Thomas es beschrieben hat. Diese Darlegung ist doch keineswegs mit Wunderglaube in Verbindung zu bringen, sondern damit ist lediglich zum Ausdruck gebracht, dass bislang keine allgemein gültige Theorie (TOE) zur genuinen Strukturbildung von Materie vorliegt. Wie hier erwähnt wird diesbezüglich u.a. am DESY HH geforscht und man wird mit ziemlicher Sicherheit dem Geheimnis oder Wunder von Struktur und Dynamik der Materie näher kommen, ggf. sogar eine abschließende Theorie entwickeln können. 

Was steht also dagegen, bis dahin die diesbezüglich eingeführten Begriffe der Metaphysik, wie etwa das des Aquinaten oder Aristoteles zu nutzen, wo man sich hier in einem philosophisch orientierten Forum befindet. Nichts steht dagegen, außer Deiner Sichtweise, da Dir jeglicher Zugang und grundsätzlich das Verständnis für Metaphysik fehlt, geschweige denn hinsichtlich theologischer Aspekte und insofern fehlt Dir die Kompetenz, diesbezüglich zu urteilen. 

Strukturbildung von Materie (als Vielteilchensysteme betrachtet) ist ein selbstorganisierter Prozess des Zusammenspiels von Atomen, bzw. Molekülen, wobei die Entstehungsmechanismen erst nach und nach in den vergangenen Jahrzehnten erforscht wurden, jedoch bis heute weiterhin offene Fragen, insbes. bezüglich der Ordnungsprinzipien verblieben sind. 

Diesen Ordnungsprinzipien, also Regeln folgend, laufen komplexe, scheinbar chaotische Entwicklungsprozesse ab, die dennoch deterministisch sind und damit auf eine gesetzmäßige Universalität Strukturbildung schließen lassen. Und eben diese Universalität der Strukturbildungsgesetze kann man durchaus als ein Wunder des Zusammenhängens sehen, dieses nicht im Sinne märchenhaft erzählter Wunder, sondern ein Wundern, ein anerkennendes Staunen, ein Reflektieren ausdrückend. 

Die (sicher nicht nur) von Thomas bewunderte sich immer wieder aufs neue ergebende „Passung" kann man durchaus als stets gelingende Fügung auffassen und den Begriff von Liebe ebenso, so sehr dieser auch diversifiziert ist. 

In diesem von Dir angeführten Zitat zeigt sich der entscheidender Punkt unserer Kontroverse:

"On nonequilibrium statistical physics of self-propelled particles -- from single-particle transport to emergent macroscopic patterns“ 

Sofern diese makroskopischen Muster reine Materie betreffen, ob es Eisblumen am Fenster, Wolkenkonstellationen, Dingliche Körperlichkeit jeder Art ist, nichts ist dabei über ein Geistiges gesagt und damit auch nichts über den Menschen als geistiges Wesen; Damit auch nichts über Liebe, ob zwischen Menschen oder vom Mensch zum Tier.

Dass Du mit Liebe, Glaube und Hoffnung nichts anfangen kannst, steht ja geradewegs für Dich, für Deine Gesinnung. Damit „outest“ Du Dich ggf. als lieblos, hoffnungslos, ohne Glaube ohnehin, so what: suum cuique.

Bester Gruß an Dich und in die Runde! - Karl

PS:

ach so, nochmal zu den Äquivalenzrelationen und meiner Frage, warum ich sie - wie Du mir vorgehalten hast – ignorieren würde? Ich finde es eher absurd, mir indirekt damit vorzuwerfen, Diskurse stets mit unzulänglichen Argumenten (Propositionen) zu führen, das finde ich eher lachhaft.

Und zu F. Schiller. Was hast Du denn von ihm gelesen, um hier zu sagen, er sei in seiner Philosophie bzgl. Freiheit und Liebe nicht vorangekommen. Allein seine Schrift „Über die ästhetische Erziehung des Menschen“ zeugt doch davon.