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Am 09.06.2022 um 03:26 schrieb Claus Zimmermann <mail@clauszimmermann.de>:



Vielleicht hätte ich nach "sich" "erst" einfügen sollen.
Ich wollte die Einheitlichkeit der Welt auch nicht darin sehen, dass sie sich aus den immer gleichen kleinen Teilen zusammensetzt. Sondern eher darin, dass wir nur unsere Erfahrungen und bestimmte Ordnungsprinzipien haben. Über die Erfahrungen würde man gar nichts sagen, wenn man sie als subjektiv bezeichnen würde, ohne damit eine bestimmte Unterscheidung zu verbinden. Ein Inhalt ergibt sich erst aus einer Unterscheidung wie der zwischen Traum und Realität.

So habe ich‘s auch verstanden und womöglich sollte man davon ausgehen, dass es ohnehin unumgänglich ist, jeden bewusst beachteten resp. beobachteten Sachverhalt zunächst nach benannten Kriterien zu unterscheiden: was ist daran subjektiv beeinflusste Wahrnehmung bzw. Empfindung (der sog. erste Eindruck d.h. welche Zuschreibung nehme ich aufgrund meiner vorliegenden Erfahrung vor) und was ist tatsächlich objektiv geltende Realität. Diese Unterscheidung jeweils spontan und zutreffend vornehmen zu können, wird wohl kaum im hastigen, von Emotionen, Mutmassungen, „Framings“ erfüllten, Alltagsgeschäft zu leisten sein. Daher rühren dann eben die vielfältigsten Missverständnisse und unzulänglichen Inferenzen. Es sind dann wirklich unsere subjektiven Erfahrungen sowie fixierte (Ein-)Ordnungsmuster, die uns die allseits bekannten Schwierigkeiten im Wechselspiel zwischen Menschen und diesen mit der Natur bereiten.

Wenn subjektive Erfahrung jedoch zu allgemein anerkannt gültigem Erfahrungsgut und somit zur Grundlage für Ordnungsmuster bzw. -prinzipien wird, ergibt sich damit ein als objektiv zu wertender Realitätsbezug. Aus solchermassen entwickeltem Erfahrungsfundus eines gesellschaftlichen Kollektivs können nun wiederum Einzelne schöpfen, wie das beispielsweise durch die Wikipedia-Enzyklopädie deutlich wird.

Eigentlich sollte man meinen, dass besonders diese neuen Formen von weltumspannendem Erfahrungsgewinn durch -tausch dazu beitragen sollten, fatale Fehleinschätzungen und damit Fehlentscheidungen in heutiger Zeit zu minimieren. Doch zeigt sich betrüblicherweise, dass dieser kollektive Erfahrungs-/Wertepool letztlich doch wieder von einer subjektiv vorliegenden Erfahrung resp. Denkweise umgangen wird, wenn entsprechende Machtmittel dazu verführen. Dabei ist Ideologie die größte Verführerin, wie das Waldemar hier schon immer zurecht beklagte.

Mit bestem Gruß! - Karl


Zu hier nachfolgendem Passus später, denn das Geschriebene gilt es sorgfältig zu durchdenken ....

Vielleicht gibt es indigene Völker, die gar nicht zwischen Traum und Realität unterscheiden. Wie sollten die dann auf die Idee eines Dualismus kommen?
Nein, ich glaube doch nicht, daß es das gibt. Es wäre nicht praktikabel, sich in wachem Zustand so zu verhalten wie im Traum. Das könnte ins Auge gehen.
So unterscheiden wir aus guten praktischen Gründen zwischen Einbildung und Realität. Das bringt uns dann dazu, zu denken, im einen Fall ist da bloss ein Erleben, im anderen entspricht ihm darüber hinaus auch etwas. Das ist dann die Teilung, die ich oben meinte.
Im zweiten Fall ist es aber nur eins, das von anderen geteilt und bestätigt wird und/oder nach einem bekannten Muster abläuft, eben anders als etwa im Traum oder unter Drogen. Da ist nicht z.B. die Erfahrung eines Gegenstands und ausserdem auch noch dieser Gegenstand, wenn damit etwas anderes ausgedrückt werden soll als dass andere ihn auch sehen. Damit würden wir aus der Unterteilung der Erfahrungen in normale, verlässliche einerseits und irreguläre andererseits eine Verdoppelung der Welt machen mit einer unüberbrückbaren Kluft zwischen ihren beiden Polen.
Von Einheit zu reden bedeutet nicht, alles in einen Topf zu werfen und die Vielfalt nicht zu sehen, sondern nur, diese Kluft zu bestreiten.



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