Am 19.12.2022 um 14:39 schrieb Karl Janssen über PhilWeb <philweb@lists.philo.at>:

Genau das unten Geschriebene verbinde ich mit Ideologisierung! Oder was sollte das anderes sein? Als ob Grüne nicht (wie ebenso Christen etc.) darauf angewiesen wären, ihre Häuser und Wohnungen, ihre Arbeitsstätten, ihre Autos mit Energie zu beheizen bzw. zu betanken. Sie fliegen weder auf Teppichen mit der Kraft allseitiger Liebe, noch kommen sie per Lastenfahrrad an jedes ihrer Ziele. 

Habeck ist Realist und tut wahrlich und vorbildlich sein Bestes, insoweit ist er mir um Längen symphatischer als manch in paradiesische Träume versunkene Grüne.

Eigentlich müsste man angesichts beschriebener Krise ideologisch geführte Argumentationen zugunsten eines gemeinsamen Herangehens an diese Problematik aufgeben, oder etwa nicht? Was nützt diesbezüglich der historische Rückgriff auf Hitler und Ford? Haben Deine Eltern nicht doch auch erfreut den ersten Käfer, Opel oder eben einen Ford gefahren und Du mit ihnen in Urlaub. Sollten wir unsere Eltern verfluchen, weil sie nach einem 

verheerenden Krieg den Wohlstand herbei gearbeitet haben? Entscheidend ist am ganzen Thema hier, dass jetzt umgesteuert wird und dazu müssen (wie schon sprichwörtlich geschrieben) wohl noch einige Kinder in den Brunnen fallen, ehe man ihn abdeckt oder zuschüttet.
Das Problem dieser Gesellschaft ist schlicht und einfach: Ein ZUVIEL an allem! 


Moin Karl, 

und nun ein paar Anmerkungen zum mir zu pauschalen Ideologieverdacht. Was sollen immer wieder die trivialisierenden Personalisierungen menschlicher Schwächen? Menschen sind mehrheitlich Herdentiere, die meistens ihren Vorteil suchen. Aber warum müssen die Machthaber aus Wirtschaft und Politik das auch noch unterstützen, wenn nicht befeuern, anstatt umsichtig und rücksichtsvoll dem entgegen zu wirken? Denn ein ZUVIEL an (zumindest fast) allem ist in der Tat das Problem. Warum also nicht ein weniger von (fast) allem fordern? Gegenüber der Immer-Mehr-Ideologie wäre das ein Schritt zur Entideologisierung. 

Wenn Grüne seit 40 Jahren eine Energiewende und eine Umkehr von der Autogesellschaft fordern, dann widerlegen Ausnahmen unter ihnen nicht die Regel, sondern bestätigen sie. Sie hatten ja nie eine Chance zur Mehrheit in der Regierung, da neben der kriegerischen Gewalt die strukturelle Gewalt des fossilen Imperiums weltweit über die Macht der vielen Mrd. Einzelgesetze verteilt nahezu allumfassend ist. 

IT     


Am 19.12.2022 um 13:59 schrieb Ingo Tessmann über PhilWeb <philweb@lists.philo.at>:

Wie werden unsere Nachfahren über die 300 Jahre Industriezeitalter im nächsten Jahrhundert denken; sollte das fossile Imperium tatsächlich im Sonnenzeitalter untergegangen sein? Was mich seit dem Erscheinen der „Grenzen des Wachstums“ vor 50 Jahren immer wieder auf die Palme bringt, ist das starrsinnige Festhalten der vielen Fossiljunkies an ihren zerstörerischen Gewohnheiten, obwohl es doch so offensichtlich ist, dass man ein Individual- nicht einfach zum Massenverkehrsmittel machen kann. Marxens dialektischer Argumentation folgend, wird das fossile Imperium ebenso wie der Wachstumskapitalismus an seinen eigenen Widersprüchen scheitern. Aber zu welchem Preis? Wir Alten hier in der Runde werden noch entspannt ableben können, unsere Enkel aber werden zu erleiden haben, was Ford 1908 begann, Hitler 1938 fortsetzte und Toyota bis heute auf die Spitze trieb.  

Die Sympathie Fords für Hitler beruhte ja auf Gegenseitigkeit, so dass der seinen Volksgenossen durch Porsche 1938 den KDF- bzw. Volkswagen bescherte. Vom Modell T wurden zwischen 1908 und 1927 15. Mill. verkauft. 1955 rollte der millionste VW-Käfer vom Band, der 1972 zum meistverkauften Auto der Welt wurde. Bis 2019 wurden insgesamt etwa 23 Mill. hergestellt. Der Nachfolger VW-Golf erreichte bisher 35 Mill. Exemplare, Ford brachte es mit seiner F-Serie auf ca. 40 Mill. Stück, Spitzenreiter aber ist Japan mit weltweit rund 48 Mill. verkauften Toyota Carolla. Insgesamt soll es auf der Welt bereits über 1,4 Mrd. PKW geben — und die jährlichen Zulassungsraten steigen nach der kurzen Corona-Delle weiter.

E-Autos werden die Verkehrsmisere nicht lösen; denn dazu bedarf es einer Revision der seit 100 Jahren verfehlten Verkehrspolitik. Dabei halte ich es für widerwärtig perfide, wenn die seit Jahrzehnten bloß den Machtinteressen der Auto- und Energieindustrie folgenden Christen, Liberalen und Sozis in der BRD ausgerechnet den Grünen die Misere vorwerfen, die sie selbst herbeigeführt haben — und dafür auch noch in der Wählergunst steigen. Ich bewundere Habeck dafür, dass er nicht längst hingeschmissen und sich unter die Windräder des Nordes zurückgezogen hat. Sein Vorgänger Altmaier hat den Windpark-Ausbau um fünf Jahre zurückgeworfen und im Süden des Ostens wie des Westens der BRD wird die Errichtung von Windrädern wohl noch weitere Jahre lang verhindert werden.