Am Do., 8. Sept. 2022 um 16:57 Uhr schrieb Karl Janssen über PhilWeb
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Du bewegst Dich mit Deiner Aussage, das Wesentliche, die Essenz des Wissens um Dein Leben und des Lebens schlechthin
von Anbeginn in Dir gehabt zu haben, tief in Platons Gefilden seiner Seelenlehre.
Komischerweise entwickeln verschiedene "Propheten" solche Lehren immer
und immer wieder.
Das macht die Lehre selbstverständlich nicht wahr, aber es zeigt, dass
es eine gewisse Neigung des Menschen dahin gibt.
Spaemanns Gedankenexperiment beispielsweise, quasi als Gottesbeweis entworfen (warum Menschen überhaupt von Gott denken resp.
reden können, wenn es ihn nicht gäbe), konnte sich - alleine schon wegen seines dabei vorausgesetzten Wahrheitsbegriffs des
Aristoteles - nicht bestätigen.
Welcher Wahrheitsbegriff ist denn hier gemeint?
Ich hatte hier kürzlich schon Bezug auf Aristoteles’ Wahrheitsbegriff genommen. Dieser ist in der Philosophie offenbar geläufiger als jener des Thomas von Aquin (der mir jedoch zugänglicher ist).
Aristoteles bezieht seinen Wahrheitsbegriff auf das tatsächliche (vorhanden) SEIN eines Faktums als WAHR bzw. dessen NICHT-SEIEND als FALSCH. Die wirklich mentale Verbindung resp. Bindung an eine reale Gegebenheit ist das entscheidende Kriterium für die Wahrheit.
In Anlehnung daran kommt Aquinas’ Definition der zeitgemäß umgangssprachlichen Bedeutung von Wahrheit etwas näher, als die Übereinstimmung von Gedanken und Aussagen (im Sinne der Äquivalenztheorie) mit einem konkret vorhandenen Tatbestand bzw. Sachverhalt: Wahrheit als die Angemessenheit von Verständnis resp. Denken und Realität.
Der Wahrheitsbegriff im Kontext der sog. Kohärenztheorie ist m.E. tatsächlich eher ein theoretisches Konstrukt zur Definition des Wahrheitskriteriums schlechthin. Das Kriterium ist demnach der faktisch existierende Zusammenhang zwischen einem konkreten Tatbestand/Sachverhalt und einer getätigten Aussage darüber.
Bester Gruß! - Karl
Die Idee, Wahrheit zu definiernen als die Übereinstimmung einer
Aussage mit einer vom Betrachter unabhängigen Wirklichkeit ist
natürlich voraussetzungsreich. Ein Idealist im Barkleyschen Sinne oder
jemand der ernsthaft glaubt, dass wir uns in der Matrix befinden,
könnte damit womöglich weniger anfangen. Insofern impliziert die
Akzeptanz dieser Idee bereits einige Grundannahmen.
Die traditionelle Formulierung ist ja die Übereinstimmung zwischen
Intellekt (als "erkennende Geisteskraft") und Sache (rem).
Hier landen wir beim Argument, dass - vorausgesetzt wir leben eben in
einer Computersimulation - unsere Ideen doch wahr sein können. Sie
enthalten nur nicht die vollständige Wahrheit über die Realität.
Der einzige mir bekannte andere Begriff, welcher ernsthaft diskutiert
wird, ist der Begriff der Kohärenztheorie. Der scheint mir für einen
Idealisten besser geeignet, klingt aber in den Ohren der meisten Leute
gefährlich, weil zu wenig empirisch.