Am 06.12.2023 um 13:11 schrieb Rat Frag über PhilWeb <philweb@lists.philo.at>:

Wenn man jetzt also zu den Begriffsdenkern gehört, sollte man sich
nicht unbedingt schlecht fühlen. Offenbar taugt diese Art des Denkens
sogar zum Mathematiker.


Hi RF, 

Erhard Scholz bringt den herausragenden Mathematiker Hermann Weyl sogar mit Hegel zusammen in: „Mathematische Physik bei Hermann Weyl — zwischen 'Hegelscher Physik' und ‘symbolischer Konstruktion der Wirklichkeit’. Zusammenfassung: „Hermann Weyls Beiträge zur mathematischen Physik waren stets mit reflektierenden Kommentaren verbunden, die deutlich zeigen, welche übergreifende Vorstellungen er sich von der Beziehung zwischen Mathematik und Physik in der jeweiligen Arbeitsphase machte. Es werden drei Modi unterschieden: (1) Mathematische Beiträge mit wesentlich spekulativ-apriorischem Geltungsanspruch, (2) begriffsanalytische Beiträge zu Grundlagenfragen der Physik, (3) Beiträge zur ‘symbolischen Konstruktion’ des Bildes der Wirklichkeit. Diese drei Auffassungen werden an Beispielen Weylscher Arbeiten zur mathematischen Physik und mit ausführlichen Textzitaten vorgestellt und kommentiert.“ 

Gegen mathematische Metaphyisik habe ich nichts einzuwenden, da sie methodisch vorgeht und damit nachvollziehbar ist und sich nicht bloß in Begriffsgymnastik ergeht. Nicht mathematisch hat der Physiker Hedfeld in „Das Pendel des Geistes“ versucht, „Positionen der Kognitionswissenschaft in Hegels System“ einzubeziehen. Vor Hegels System gab es ja schon das Schellingsche des Transzendentalen Idealismus und Thomas hatte sich wiederum erdreistet, auf Schmitzens „System der Philosophie“ hinzuweisen. Als ob Philosophie-Systeme heute noch sinnvoll wären. Aber zurück zu Hedfeld:  

„Auf der unteren Stufe wäre eine Theorie der künstlichen Intelligenz nach Turing, die noch auf der Ebene des Zufalls stattfindet und die einzelnen Kompetenzen unendlich aneinanderreihen möchte. Dort ist noch keine „Wahrheit am Begriff“ gefunden, wie Hegel es ausdrücken würde. Auf einer höheren Stufe, die eher einen Bezug zum Wesen hat als zu einem einfach Sein oder Dasein, steht die Kognitionswissenschaft oder kognitive Psychologie, die eine Form des Selbstbewusstseins zulässt. … Auf der obersten Stufe würde nach Hegel sicher eine idealistische Psychologie bzw. eine Psychologie aus dem Begriff selbst stehen; ganz im Sinne Hegels, der die Philosophie als Königsdisziplin ansehen würde, um die Begriffslogik über die aus der Psychologie kommende Begrifflichkeit zu stellen. … Offen bleibt die Frage, ob nicht mehr Wahrheit in der Erforschung von Repräsentation und Bildern liegt, als sie jemals durch Begriffe erreicht werden kann.“ 

Für mich reichen weder Begriffe noch Repräsentationen und Bilder hin zum Erfassen des Bewusstseins. Worauf es ankommt sind die Taten bzw. das Tathandeln. Insofern läge mir ein Neo-Existentialismus näher, der aber noch der Ausarbeitung bedarf. Einen Anfang hat Slaby vorgelegt, womit ich zum nächsten Punkt komme. 


Ich finde, dieser "Anwurf" erfasst das Wesen von Ingos Argument nicht.
Ingo weist darauf hin, dass eine Person, die mir ihren Körper sehr
tätig war möglicherweise zum Thema "Körper und Empfindung" mehr
schreiben kann als ein Stubengelehrter.

Meine Mutter pflegte zu scherzen: „Liebe kann man nicht beschreiben. Liebe muss man praktisch treiben.“ Für mich schließt sich damit weiter gehend die Frage an, ob Gefühle überhaupt versprachticht werden können. Slaby argumentiert mit Mc-Dowell dafür in „Gefühl und Weltbezug. Die menschliche Affektivität im Kontext einer neo-existentialistischen Konzeption von Personalität“: 

„Mit der These, dass Erfahrungen (experiences) begrifflich verfasst seien, durchschlägt Mc-Dowell in Mind and World den gordischen Knoten der philosophischen Kontroverse zwischen zwei gleichermaßen unbefriedigenden Auffassungen von empirischer Erkenntnis bzw. vom Weltbezug mentaler Zustände: die Kontroverse zwischen einem Kohärentismus, der auf der Einsicht fußt, dass rationale Beziehungen nur zwischen begrifflich verfassten Zuständen bestehen können, aber fälschlich davon ausgeht, dass Erfahrungen nicht begrifflich verfasst sind und daher keine rationale Rolle beim Zustandekommen von Erkenntnis und Weltbezug spielen können (beispielhaft ist hierfür die Position Davidsons, in der nur Überzeugungen im order of justifications stehen können und Erfahrungen lediglich als kausale Antezedentien beim Erwerb von Überzeugungen fungieren), und einem epistemologischen foundationalism, der Erfahrung zwar lediglich als Naturgeschehnisse ohne begrifflichen Gehalt versteht, aber diese gleichwohl als rationales Fundament von Erkenntnis und Weltbezug betrachten will."

In meinem Sinne dagegen wendet sich Balle unter: 


Hinsichtlich einer Philosophie der Gefühle kommt es nicht nur auf Einzelne, sondern mindestes auf Paarungen an. Insofern favorisiere ich gegenüber den selbstherrlichen Metaphysikern und Phänomenologen die Romantiker und Existenzialisten, die sich nicht nur an der Schreibtischkante reflektierten, sondern ebenso miteinander vergnügten, wie bspw. der Schlegelkreis in Jena seinerzeit oder de Beauvoir / Sartre in Paris.  

IT