Vielleicht vorab ein kleines „Gedankenexperiment“, Waldemar! Wenn wir beide uns für einen Besuch hier in München zusammenfinden würden, nicht um das aktuell stattfindende (von Dir ohnehin verschmähte und wegen „Maßkrug auf den Schädel“ gefürchtete) Oktoberfest, sondern die Pinakotheken (alt und neu) zu besuchen, könnten wir unsere zu Teilen weit auseinander driftenden Sichtweisen auf Gott und Welt endlich auf unsere Art in den heiligen Hallen der bildenden Kunst“ zelebrieren. Zwar würde man uns ziemlich bald aus diesen, ob unserer lautstarken Wortwechsel hinauswerfen, doch bis zu diesem Zeitüunkt würde eines sehr deutlich werden:


Für jedes der von uns betrachteten Bilder würde sich hinsichtlich deren - von jeweiligen Künstlern intendiertem - Ausdruck eine völlig unterschiedliche Ausdeutung ergeben. Das ist insoweit keine Besonderheit, als Bilder ohnehin immer aus jeweils subjektiver Betrachtungsweise interpretiert werden. Dennoch wird sich bei hinreichend großer Zahl von Auslegungen dessen, was ein Bild ausdrücken soll, eine prägnante Kongruenz der Interpretationen ergeben und das sehr sicher auch für das hier von uns beiden interpretierte Michelangelo-Gemälde „Erschaffung des Adam“. Das läßt uns erinnern an die von mir jüngst beschriebene „Kohärenztheorie“ zum Wahrheitsbegriff, nicht wahr?


Ohne unserer beiden extrem auseinander liegenden Ausdeutungen des Michelangelo-Gemäldes jetzt nochmal hervorzuholen (man kann es ja nachlesen), würde ich mit Dir um zehn Maß Festbier wetten, dass nicht Deine, sondern meine Interpretation mehrheitlich angenommen sein würde und ich mich somit hinreichender Kohärenz erfreuen könnte. Joseph wird das nun als Rechthaberei meinerseits tadeln. Nun denn...


Wenig erfreulich und keineswegs erbaulich, wie eben auch Deine zuerst vorlegte Deutung mit obskuren Explikationen wie „kleinbrüstige Eva als Gottes Geliebte“ oder sexuell defizitärer „weibischer Adam mit schlaffem, zu kleinen Penis“ ist auch Dein hier vorgetragener „Nachschlag“ einer Interpretation des Michelangelo-Gemäldes.


Doch erst nochmal kurz zurück zur Pinakothek in München, wo derzeit ein Projekt (medientechnisch als Podcast) unter dem Titel „Think & Talk“ aufgezogen und die Frage thematisiert wird:

Was macht Kunst aus scheinbar längst vergangener Zeit für den heutigen Alltag relevant?

Damit wird zur Auseinandersetzung mit Kunstwerken eingeladen, die in den Pinakotheken, den Staatsgemäldesammlungen ausgestellt sind.


Erstes Themenbild ist prompt Filippino Lippis Altarbild „Im Dialog mit höheren Mächten“ (Die Fürbitte Christi und Mariae). Ich erlaube mir den Link auf die Website der Pinakothek anzugeben, damit sich ggf. Interessierte „ein Bild“ von dem machen können, was ich hier zum Ausdruck bringen will. https://www.pinakothek.de/thinkandtalk


Ich möchte mir gar nicht ausmalen, was ich - bezogen alleine schon auf die ersten - Themenbilder , von Dir als diesen zugeschriebene Interpretation zu hören bekäme. Selbst das äußerst säkulare Bild zu Folge 6 „Gemeinschaft als Normalität“, Liebermanns „Münchner Biergarten“ würde Dir sehr wahrscheinlich alle erdenkbar negativen Aspekte dieses Bildes eines zu damaligen Zeiten üblichen gesellschaftlichen Zusammenseins entlocken.

Beispielsweise ist im Bildvordergrund eine Mutter dargestellt, die ihrem Kind aus einem Glas zu trinken gibt; es wird kein Wasser, sondern sehr wahrscheinlich Bier gewesen sein. Den Aufschrei heutiger Entrüstungs-ApostelInnen kann ich mir nur zu gut ausmalen, doch dieses Mädchen wird (gedanklich aus diesem Bild in die damalige Lebenswelt versetzt) diesen Schluck mit Sicherheit gut überlebt haben. 

Leben und leben lassen: Wie schwer es doch heutigen Menschen fällt, dieses Motto zu verstehen und demnach auch zu leben!


Nun zurück zu Michelangelos Gemälde „Erschaffung des Adam“ und der von Dir hier nachgereichten Ergänzung Deiner ersten Interpetation; sie zeigt Deine auch diesmal wieder penetrant zutage tretende Eigentümlichkeit, Dich und damit pauschal den Menschen klein zu reden. Wie zuletzt Dein mir völlig unverständliches Gefasel als der Forderung nach einem (menschlichen) „Leben als Tier unter Tieren“:

wh: „dass mensch einfach nur als tier unter tieren mitleben sollte, arm und angepasst ans natürliche (alles davon wegführende ist irrig, fehl-entwicklung) - und eben keine "verantwortung" übernehmen soll, für nichts und niemanden, denn sowas ist bereits übergriffig und größenwahn, hybris“

Wozu hat sich der Mensch aus dem Tierreich eben als Mensch - einem geistigen Wesen – entwickelt?

Diese Frage mag sich Dir nur schwerlich stellen, da Du weder von einem Telos noch von der Zweckmäßigkeit dieses kosmischen Habitats, als unseren irdischen Lebensraum, ausgehst. Und so maßt Du Dir an, die gesamte Ontogenese (stammes- wie entwicklungsgeschichtlich) infrage zu stellen und dieses nicht nur mit Deiner Behauptung, der Mensch sei eine Fehlentwicklung der Evolution.


Und eben genau dieses „Gap“ in der Fortentwicklung von der subhumanen Phase bis zum homo sapiens sapiens, als der bislang nicht geklärte „Übersprung“ vom Primaten zum modernen Menschen (einem von Geist beseeltes Lebewesen), ist in Michelangelos großartiger Metaphorik (jedoch definitiv nicht als „Gleichnis“) dargestellt.


Man muss das allerdings auch sehen können und Menschen wie Du, die sich (wie eben dieser Adam) nicht von selbst aus ihrer irdischen Bindung befreien, diese Erdgebundenheit mangels fehlender Spiritualität nicht transzendieren können, fehlt schlichtweg das Vermögen hierzu.


Daher verharrst Du in Deinen gebastelten Konstrukten von (mit was auch immer wechselwirkender) Selbstreferenz etc., die Dich nichts anderes sein lassen, als ein in der eigenen Soße bratendes Stück Fleisch. Das ist auch ein Metaphor, wenngleich ziemlich derbe ausgeformt. „Auf einen groben Klotz“ hast Du jüngst hier geschrieben, „gehört ein grober Keil“. Hier hast Du ihn!


Karl


PS:

Ich würde an Deiner Stelle „Exkursionen“ in den Bereich der Theologie zugunsten anderer Dir eher gelegenen Themen im Sinne von Kompetenz unterlassen. Vergleichbaren Rat hatte doch auch Bohr seinem Freund Einstein gegeben: „Hören sie auf, Gott Vorschriften zu machen“ (sinngemäß).

Nun hat ja Einstein seinem Gott nichts vorgeschrieben, sondern nur behauptet, dieser würde nicht würfeln. Ein Plädoyer für den Determinismus nicht wahr?


wh: wenn ein gott sich um welt kümmert,
- (1) kanns kein gott mit "all-eigenschaften" sein, zumal all-eigenschaften semiotisch dasselbe wie null-eigenschaften bedeutet
- (2) hätte er unlösbare probleme mit und in ww-welt, trotzdem "selbst unveränderlich-sein-müssender gott" bleiben zu wollen, und an einer ww-welt teilnehmen zu wollen, ohne an ww teilzunehmen, geht hat nicht (wie ich auch nicht zb essen kann, ohne zu essen)"




Am 29.09.2022 um 16:34 schrieb waldemar_hammel über PhilWeb <philweb@lists.philo.at>:


im gemälde ist dargestellt der ur-mensch in nicht-kontakt mit gott (die zeigefinger berühren sich nicht),
mir würde eine darstellung einleuchten, bei der alles irdische leben als superorganismus und in direktem fingerkontakt mit gott stände

das gemälde hebt den menschen als etwas besonderes = besonders gottesnah, heraus, in alten zeiten verständlich (weltbild), aber für heute
krass anthropomorpher größen"wahn" und hybris = die typ menschliche mischung aus demut und anmaßung, die wir hinter uns gelassen haben sollten

deshalb dieses gemälde michelangelos, so schön auf den ersten blick, von meinem empfinden her nichtssagend bis krass falsch, menschliche hybris optimal ausdrückend,
alles seiende ist eben nicht "nur ein gleichnis", sondern es ist als selbstreferent vollgültig = ist tatsächlich nur sich selbst, ohne "vektoren" zu höherem,
das seiende ist kein hinweis auf irgendetwas anderes, sondern bestenfalls auf sich selbst "ich bin/ich ereigne mich/ hier und jetzt und einmalig und unwiederholbar"

m. gemälde nimmt dem menschen seine selbstreferenz = nimmt ihn und sein gesamtes sein in welt damit (letztlich) nicht ernst, und damit kann man prima argumentieren,
wenn man unlauter "verantwortung" auf götter/schicksal/kosmische intelligenz/evolution ist halt noch nicht soweit/ usw verschieben will.

*
"übernatürliche welt(en)" ist ein widerspruch in sich selbst = gäbe es sowas, gäbe es auch zb gespenster usw + das "übernatürliche" wäre aufgrund der def "natürlich" dann eben
auch natürlich vorkommendes (vielleicht gibts ja gespenster?, ich würde das als sehr interessant begrüßen, ich habe aber noch keines wahrgenommen = "für wahr genommen")

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wenn ein gott sich um welt kümmert,
- (1) kanns kein gott mit "all-eigenschaften" sein, zumal all-eigenschaften semiotisch dasselbe wie null-eigenschaften bedeutet
- (2) hätte er unlösbare probleme mit und in ww-welt, trotzdem "selbst unveränderlich-sein-müssender gott" bleiben zu wollen, und an einer ww-welt teilnehmen zu wollen, ohne an
ww teilzunehmen, geht hat nicht (wie ich auch nicht zb essen kann, ohne zu essen)

wh.

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