Anfang der weitergeleiteten Nachricht:

Von: "Dr. Dr. Thomas Fröhlich" <dr.thomas.froehlich@t-online.de>
Betreff: Aw: [PhilWeb] Gewalt ist (k)eine Lösung?
Datum: 1. August 2024 um 16:08:11 MESZ
An: Ingo Tessmann <tessmann@tu-harburg.de>

Moin Ingo,

vielen Dank für Deine Anregung, und als  - wieder nur geschwind geschriebener - Kommentar dazu eine vorhin geschriebene Übrlegung zu Melodien als Ganzheiten.

Den Ausdruck SASAs hatte ich eben in der E-Mail an Waldemar erläutert, DCP ist die von unserer Gruppe gewählte Bezeichnung für zugrundeliegende „capacities“, griechisch dynamis, lateinisch potentia: Providers of Dynamic Coherence, Dynamic Coherence Providers, DCPs….

Viele Grüße,

Thomas


Semantische Energie = Systemenergie

Die Melodie oder ein Gedicht sind zusammen mit ihrer Interaktion und dem über SASAs interagierenden Interaktionspartner ein System. Entsprechend ist die Systemenergie die Fähigkeit, die Kraft, das Potenzial, die Zukunft der Interaktion als Ganzer zu organisieren, zu systematisieren, System-konform und damit Gestalt-konform zu gestalten. Es geht nicht um eine abstrakte, austauschbar zu füllende Irgendwie- Zukunft, sondern um die Zukunft des Jeweiligen, als Zukunft des Systems. Die Kraft wird im Überdauernden des Systems geschöpft und in dessen systematischer Verwirklichung verwirklicht. Also geht es nicht um einzelne DCPs, sondern um die Interaktions- und Prolongations-DCP des Systems als Ganzem. Zu dieser fließen die Einzel-DCPs im Sinn einer geteilten semantischen Achse zusammen, die ist die semantische Achse des Gesamtsystems (ohne scharfe Grenze, mit ausklingender Attraktions-, Orientierungs- und sinnstiftender Gestaltungsstärke nach dem weiteren, systemrelevanten „Außen“).

Semantische oder System-Energie ist somit die zurückgreifende, um sich greifende und vorausgreifende Kraft einer Melodie, eines Gedichts, eines Systems als Ganzer und als Ganzem, zusammengesetzt aus der Dynamik als Kohärenz-Konvergenz seiner dynamischen Elemente. Es ist die Kraft ein der Aufnahme, Realisierung und Fortschreibung je eines Systems, in der Zukunftsgestaltung als System.

Wo sich systematische Zusammenhänge ergeben, werden sie im Zusammenspiel der DCPs absichtslos fortgeschrieben, oder nicht. Lebewesen haben eine erweiterte Speichermöglichkeit für solche, sich primär von selbst ergebenden Zusammenhänge, sie können systematische Abläufe gesondert speichern. Diese als System-DCP gespeicherten Abfolgen werden als Ganzheiten abgerufen und dienen dem Lebewesen zum Energiesparen, weil der Systemzugang die Elemente bereits als Eingeordnete, und nicht als noch einzuordnende Einzelteile enthält.

 

Free Energy  Karl Friston: The free energy principle is based upon the physics of open (random dynamical) systems. It suggests that any entity with persistent characteristics can be described as self-evidencing.  

Structure learning—at a neurodevelopmental and evolutionary timescale—can be cast in terms of Bayesian model selection; namely, the selection of structures and morphologies that have the greatest model evidence or marginal likelihood.
(PDF) Bayesian brain computing and the free-energy principle: an interview with Karl Friston. Available from:
https://www.researchgate.net/publication/377531200_Bayesian_brain_computing_and_the_free-energy_principle_an_interview_with_Karl_Friston [accessed Aug 01 2024].

Was er als entity bezeichnet, sind jeweilige Ganzheiten, und ihre persistence beruht darauf, dass sie als System-DCPs gespeichert sind.

---


PS: am 23.9. wird es ein RSM-webinar von Karl Friston geben, ich glaube und hoffe, man kann es auch buchen, ohne dort „fellow“ zu sein, aber ich weiss es nicht….


Your booking details for Fascinating insights into the life and work of Prof Karl Friston
Dear Dr Thomas Frohlich, 

Thank you for registering. 

We are pleased to confirm you are now booked onto the webinar: Fascinating insights into the life and work of Prof Karl Friston


Am 31.07.2024 um 16:16 schrieb Ingo Tessmann <tessmann@tu-harburg.de>:



Am 31.07.2024 um 13:16 schrieb Dr. Dr. Thomas Fröhlich <dr.thomas.froehlich@t-online.de>:

wie beim Treppenwitz erst spät zum Thema Musik: eine erlebte Tonfolge wird als Inhalt erlebt, in dem jeder Augenblick eine Synthese aus Vergangenem und Vorweggenommen-Erwartetem in die jeweilige Gegenwart hinein ist. Das augenblickliche Ergebnis ist ein Fluss, ein sequentiell inhaltsbezogen ineinandergreifendes Zusammenhängen. Schlüssel für die entsprechende Zeitauffassung ist der Primat des Inhalts, auf den hin vergangener Inhalt aufgegriffen und von dem aus ein Ausgriff auf künftigen Inhalt erfolgt.

Moin Thomas, 

mir reicht diese, wenngleich plausible, Metaphorik ja zu einem Verständnis nicht hin. Sind Dir spezielle neurophysiologische Untersuchungen dazu bekannt. Die müsste es geben und sie müssten ebenfalls zeigen können, wie weit die tonalen Zusammenhänge menschenspezifisch jeweils reichen und wie sie trainiert werden können. „Nonlinearities and Synchronization in Musical Acoustics and Music Psychology“ by Rolf Bader bspw. heißt es einleitend: 

"In Music Psychology self-organizing neural nets are capable of explaining basic musical perception and also very complex and high-level categorization. With performance tasks, synergetic models are often the only ones able to explain sudden phase-transitions in music performances. They also help to explain the interaction of psychoa- coustic dimensions which appear with nearly all sensory information. Global self-organizing theories of brain behaviour in interacting models of perception, expectation, and action reasonably explain adaptation and learning.“  

Auf neuronaler und hirnorganisatorischer Ebene kommt für mich natürlich die Synergetik ins Spiel und Deine metaphorische Phänomenologie gewänne an Nachvollziehbarkeit, wenn sie aus Hirnforschung und Musik-Psychologie gefolgert werden könnte. Zu Melodie wird ausgeführt: "Melody as the temporal succession of pitches or tones which are governed by rules of Gestalt or Schemata psychology, often taken to exist within short-time memory range of 2-5 seconds.“ Und weiter: "It is interesting to see that pitch perception itself is subject to ‚dynamis', probability, as many modern explanations in music psychology are statistical in nature, as e.g. the Bayes models or the free-energy model.“ 

Deine Zeitauffassung hinsichtlich der Musik wird bspw. gestützt durch die Untersuchung: "The arrow of time across five centuries of classical music.“ by Gonzalez-Espinoza et al., indem sie zeigen "that musical compositions display strong signs of nonlinear correlations, that nonlinearity is correlated to irreversibility, and that these are also related to asymmetries in the abundance of musical intervals, which we associate to the narrative underpinning a musical composition. These findings provide tools for the study of musical periods and composers, as well as criteria related to music appreciation and cognition.“    

IT