Die Art, in der die zu Grunde liegenden Becken oder Schalen – vermittelt über ihre Verwirklichungen miteinander interagieren ist die der ganzheitlichen, die einer Becken- oder Schalenensemble als Ganzes betreffenden Strukturveränderung. Diese kann als Schwingen, als in Resonanz geraten bezeichnet werden. Es ist der Körper als Ganzes, der sounding board, die Klangschale als Ganze, die hier dynamisiert und zu Veränderungen im Sinn des Eingehens einer Mitschwingenden Gemeinsamkeit veranlasst werden. Es ist nicht der Körper in seinen einzelnen Gliedern, sondern dessen strukturierendes Prinzip, die Seele, die mitschwingt, oder das Zentrum des Gesamt, als Herz, das berührt wird.
Im Glauben wird dieses strukturierende Prinzip, der jeder
Vereinzelung logisch (nicht zeitlich) vorausliegende gemeinsame Grund zusammen
mit gedachten, erlebten, gefühlten Verwirklichungen gelebt.
Indem ich einen Film schaue, den ich schon gut
kenne, begebe ich mich in eine bereits zuvor bewohnte Ganzheit, entsprechend in
dem gegenwärtig genutzten Bild in einen vertrauten Stollen. Benutze ich
Denkbahnen und körperliche Routinen, gilt dasselbe. Religion fragt nicht nach
einzelnen Stollen und Stollenbewohnern, sondern nach Bewohnern und Stollen
überhaupt, sie geht nicht auf Strukturen, sondern auf das Strukturierungsprinzip,
in immer weiter ausgreifenden und schließlich das Denkvermögen übersteigendem
Maß. Fühlen ist anders organisiert, indem es von vornherein als Zusammenhang
und als Zusammenhängen auftritt. Hier das das Gesamt als Gesamt präsent, und
seine (empirische, aus Verstandessicht unbestreitbare) Jeweiigkeit wird erst
vom Verstand begriffen.
Dieses grundsätzliche als unauflösbares Gesamt
Gegebensein lässt sich nicht in Sprache beschreiben, weil das Prinzip der
Sprache gerade in de Vereinzelung, in der Zerlegung in Kategorien, Begriffe,
Zeichen besteht. Aus der Froschperspektive des je Vereinzelten ist die Ebene
des Gesamt die Meta-Ebene, aber dieser Ausdruck ist leblos, und die Meta-Ebene
wird als nachgängige Zusammenführung etwas zuerst als Getrennt Gegebenem
konstruiert.
Zugleich sind wir keine Götter, und das unserer
Seele und unserem Fühlen gegeben „ursprünglich Ganzheitliche“ steht in menschlichem
Widerspruch zu unserer Fähigkeit der Distanzbildung und des begrifflichen
Umgreifens aus der Distanz heraus.
Dieses Paradox wird anerkannt im Glauben, der
einsieht, dass der menschlich-begriffliche Zugang unvollkommen ist, und der
sich in diese Unvollkommenheit einfügt. Gerade das christliche Gottesbild
besteht aus einer Paradoxie, die nicht verstandesgemäß aufgelöst werden kann
und deren Befassung deshalb nur als Annäherung, nicht als Erreichen gedacht
wird.
Die Individuation von Einzelnem aus dem Ganzen
gehört zu diesem Wunder, und das Strukturprinzip der Spannung zwischen Ganzem
und individuiertem Einzelnen ist Thema der Religion von vornherein: am Anfang
war der Logos, heißt es daher, und es geht mit der individuierenden Genese
distinkter Qualitäten als jeweiligen Innen weiter.
Dieser Gegensatz wird dabei von vornherein und zu
Recht nicht als statisch gedacht, sofern der Mensch über ihn nachdenkt und
selbst von ihm betroffen ist: ihm wird Atem eingehaucht, Rauch, pneuma,
spiritus.
Diese Dynamik von Enge und Weite, Dichte und
Verströmen, Innesein und Auflösung in etwas, das weder innen noch außen ist
wird gesehen, sie löst aber nicht das Rätsel der Paradoxie von Ganzheit und
Teil, von jeweiligem Innen und alle Innen umfassenden Umgreifendem (Jaspers).
Viele Grüße und in diesem Sinne einen schönen ersten Advent!
Am 30.11.2024 um 01:19 schrieb Karl Janssen über PhilWeb <philweb@lists.philo.at>:
transmitted from iPad-ClientAm 29.11.2024 um 10:02 schrieb waldemar hammel über PhilWeb <philweb@lists.philo.at>:
lieber karl,
mich zb hindert sozusagen meine ganze lebensgeschichte am wirklich freien denken können, denn diese hat mich in gewisse denk- und insbesondere gefühls- loipen hineingezwungen, innerhalb derer ich zwar mich frei fühle, denen ich aber mehr oder weniger in fühlen und daher auch denken/überlegen nicht entkommen kann
Vermutlich teilst Du dieses Schicksal mit sehr vielen Menschen und dieses Schicksal ist unausweichliche Lebensrealität. Mit der „Spannung“ leben lernen heißt Überleben lernen. Kann es ein Leben ohne Spannung (i.A. als Problem gesehen) geben?
Gibt es die sog. Königswege des Lebens wirklich?
Du wirst den Dalai Lama vermutlich ablehnen, ich habe einige seiner Bücher gelesen, da geht es immer auch um Mitgefühl, doch eine Passage habe ich besonders im Gedächtnis behalten. Zu Lebenssinn und Lebensglück:
Da schrieb er, dass er oft von privilegierten, reichen Menschen in deren Zuhause eingeladen wurde. Alles war dort vorhanden, jeder Luxus, prachtvolle Gärten, Hausangestellte, vorzügliches Essen und als er in deren noblen Badezimmern die angehäuften Medikamente gegen Stress, Herzbeschwerden, Bluthochdruck usf. sah, wurde ihm bewusst, dass in diesen Kreisen kein Lebenssinn, kein wirkliches Glück vorhanden ist.
Des Öfteren wird Dir eine gute Tasse Kaffee oder das Mit-Erleben Deiner Tiere mehr Lebensglück und -Sinn vermitteln, als eben der Luxus dieser Welt dies könnte.
soweit für den Augenblick
Bester Gruß an Dich und in die Runde! - Karl
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