Da ist erfreulicherweise einiges hier in philweb geschrieben worden; Joseph würde wohl schreiben, dass Waldemar einiges geschrieben hat, was ihn zu tieferem Nachdenken - z.B. über die ausgezeichneten Mathe-Fähigkeiten von Schleimpilzen - anregen wird.

Ich habe zugegebenermaßen nicht groß darüber nachgedacht, sondern mich an die simple Tatsache gehalten, dass Analogrechner mit beliebigen Zwischenwerten umgehen können, im Gegensatz zu Digitalrechnern, die ausschließlich binär mit diskreten Werten operieren und somit erstere immer dort letzteren überlegen sind, wenn es um hochexakte, blitzschnelle Berechnung von kontinuierlichen Werten geht. Gehirne von Lebewesen sind per se dafür prädestiniert, was sich beispielsweise beim Wurf eines Balles zeigt, dessen exakt kontinuierliche Bahnkurve zu berechnen, einem Digitalrechner nicht in gleicher Zeit und Präzision gelingen kann.

Was nun das Rechnenvermögen von Schleimpilzen und anderer „thermodynamics applied“ BIO-nahen Geschöpfe anbelangt, sind diese also optimal an deren eng begrenzte Umweltparameter angepasst. Würde man jedoch von ihnen verlangen, die Statik eines Hochhauses oder einer Brücke zu berechnen, würde es deren Lebensraum-Dimension ähnlich übersteigen, wie jenes der Flachländer, würden sie es mit den Bedingungen dieses Erdballs zu tun bekommen. 

Wir Erdenkinder rechnen allemal besser, bezogen auf unser Lebensumfeld und das sehr wohl mit modernen Hochleistungsrechnern, ganz zu schweigen von Quantenrechnern, wie sie heute ante portas stehen und die KI zu bislang kaum vorstellbaren Leistungen befähigen werden. Damit werden Ideen von Menschen verwirklicht sein und dieses exakt nach dem philosophischen Grundsatz des anima forma corporis sowie des potentia ad actum. Geist und Physis in kongenialer Verbindung. Die Frage, ob Ideen im Sinne Platons intrinsisch intelligibel sind, reicht in den Bereich der Metaphysik und in diesen sollten wir beide, Waldemar, nicht mehr eintreten, ebenso wie in den der Religion und damit u.a. der von Gottesbegrifflichkeit aller Arten. Zu dieser Position sind wir doch schon längst gekommen, dennoch wirfst Du immer wieder Köder nach dem Ichtys, den Du in mir siehst, unbenommen Deiner Ansicht, ich sei als „Hypersemiotiker“ unterwegs.

Hypersemiose ist offenbar eine spezielle Begriffsschöpfung von Dir und darauf bezogen fragt sich, was denn meine von Dir zugeschriebene Eigenschaft als Semiotiker noch übersteigen sollte. Es ist schon sehr krude, mir zuzutrauen, ich würde als angenommener „Hypersemiotiker“ aus materiellen Gegenständlichkeiten die Existenz transzendentaler Entitäten ableiten und diese Aburdität auch noch mit Gedankengängen von Geisteskranken in Verbindung zu bringen. Verleitet Dich am Ende doch Deine zurückliegende Tätigkeit in der forensischen Psychiatrie zu solchen Annahmen?

Du fragst mich, was ich unter Semiose verstehe, bzw. ob ich überhaupt eine zutreffende Vorstellung von dieser Begrifflichkeit habe. Meiner Neigung zu philosophischen Auslegung von Begriffen folgend, könnte ich Semiose in Anlehnung an das „anima forma corporis“ des Aquinaten verstehen, dieses gemäß der semiotischen Korrelate von Gestaltgebung (representamen), der darauf bezogenen materiellen Gegenständlichkeit Objekt) und seiner Deutung (interpretant). Auf Leibniz' Entelechiebegriff und damit implizit auf den diesbezüglichen Terminus des Aristoteles (Lehre vom Geist) bauend, führte die Definition wiederum in den Bereich der Metaphysik und damit in das Tabu einer entsprechenden Interpretation Dir gegenüber.

Bleibt noch Peirce mit seiner kategorisierten Begrifflichkeit von Semiose als Drittheit (neben Erst- und Zweitheit), wobei die Erstheit der potentia, die Zweiheit dem jeweiligen Verhältnis zwischen Faktum (actum) und Fiktion entspricht. Semiose in der Kategorie als Drittheit steht genau für die von Dir hier stets geleugnete Gesetzmäßigkeit im Sinne von Notwendigkeit.

Nochmal zu Peirce, der mit seiner pan-semiotischen Sicht auf Welt und Kosmos die Gedankenwelt der Menschen als Ansammlung von Zeichen (Semiosen) sieht und damit als Grundlage jeder wissenschaftlichen Herangehensweise definiert, um die Gegenständlichkeiten dieser Lebenswelt zu begreifen. Also was soll dann Deine Kritik an mir als Semiotiker (sogar als Hypersemiotiker) besagen?

Wenn Du Dir anmaßt, die Bibel als Ansammlung „hypersemiotischer Interpretationen“ zu klassifizieren, hast Du die Begrifflichkeit von Metaphorik nicht verstanden, bzw. willst sie partout nicht als solches Schriftgut sehen. Wie oft habe ich es hier schon geschrieben: Du kannst doch Deiner eigenen Meinung folgend, diese ganze Geschichte von Religion, Jesus, Bibeln und sonstigen spirituellen Vorstellungen von Menschen in Deinen persönlichen Orcus werfen. Du kritisierst christliche Mission und betreibst hier perrenierend die Mission Deiner zum Atheismus gewandelten Weltsicht, die ich Dir zu keiner Zeit in Abrede stelle. 

Sind es etwa im Unbewussten schlummernde Schuldgefühle eines Studienabbrechers der ev. Theologie, die Dich vom einstigen Paulus zum Saulus machten? Oder Dich nun dazu verleiten, von Kamm und Zahnbürste des Jesus von Nazareth zu fabulieren. Das sollte eigentlich unter Deiner Würde sein.

Eben auch die Rede von Deinem „verkommenen Vater“, schließlich ist er nicht mehr unter den Lebenden und über Tote muss man nicht mehr lästern. Er hatte also „nur vier Bücher“ und eines davon war das berühmte „Götter, Gräber und Gelehrte“. Immerhin, würde ich sagen, das Buch habe ich auch seinerzeit mit viel Interesse gelesen. Mein Vater hatte an die 4000 Bücher, davon habe ich hunderte übernommen und nur einige Dutzend davon gelesen, denn es kam dem Verbringen von Tauben nach Athen gleich. 

Davon habe ich hier schon geschrieben, dass eines Tages mich ein Freund angesichts übervoller Bücherregale fragte, was ich denn damit bezwecken wolle, da das eigentlich essentielle Wissen sich in nur wenigen Büchern verdichtet. Das Problem dabei ist, dann auch diese Bücher zu finden. Eines davon ist die Bibel, wenngleich zu Deinem Missfallen. Buch des Lebens – nicht mehr, nicht weniger. 

Bester Gruß an Dich und in die Runde! - Karl 


PS: Du fragst, wie es sich hier in philweb mit der Philosophie verhält und erwähnst Marc Aurels Schriften.

Seine „Selbstbetrachtungen“ hatte ich vor vielen Jahren schon gelesen und gewissermaßen als persönliche Bibel betrachtet. Was soll ich sagen: Würden die Xis und Putins dieser Welt auch nur ansatzweise in diese Richung denken ….

Und die Philosophie auf Philweb? Eigentlich sollten sich unter (nach wie vor) 70 hier eingetragenen Teilnehmenden einige aktive Philosophie Betreibende befinden, um den immer wiederkehrenden Diskurs zwischen uns zu unterbrechen und entsprechende Themen eben auf eine genuin philosophische Ebene zu heben. Aber auch Du, Waldemar, bist gefragt und dann ist Schluss mit Religions-Bashing und Wechselwirkungsorgien, denn Dein Wissen geht doch eigentlich weit darüber hinaus.