It: "ja, beide Richtungen der Einflussnahme und ihre Überlagerungen kommen vor; aber warum werden die Androhungen von Eingriffen der Unternehmen in die Wirtschaft nicht als „Nötigungen“ eingestuft? Und warum dürfen immer wieder die Lobbyisten des fossilen Imperiums die Regeln zum Klimaschutz vorgeben? Selbstredend teile ich Neubauers Empörung darüber, wie sie sie bspw. auf dem Grünen-Parteitag ihren Mitstreitenden vortrug:

Was ich nicht verstehe, ist, dass man in entscheidenden Stellen immer und immer und immer wieder die Falschen die Regeln machen lässt. Vor 30 Jahren, vor 30 Jahren hat meine Großmutter eine Solaranlage auf ihrem Dach installiert, da lag was in der Luft, Energiewende von unten — ihr kennt das alles. 30 Jahre später, Anfang der 2020er wurde in Sachsen ein einziges Windrad aufgestellt und Deutschlands Energiesicherheit lag in den Händen eines kriegstreibenden Autokraten. Was ist die Botschaft aus diesen 30 Jahren? Solange fossile Kräfte und fossile Konzerne die Regeln für die Energiewende machen, wird es keine Energiewende geben, die den Namen verdient.“ "


Was ich nicht verstehe ist, warum nun Rot-Grün, solchermaßen an den Hebeln der Macht seiend, eben diese früher von den „Falschen“ gemachten Regeln nicht sogleich ändert. Und Neubauers Großmutter zählte wohl schon vor 30 Jahren zu den Großverdienern, eine Kleinigkeit also, sich eine PVA auf's Dach installieren zu lassen. Ich habe die erste PVA vor ca. 20 Jahren zu horrenden Kosten auf unser Hausdach installieren lassen und das eben nicht wegen der damit einzusparenden Stromkosten, sondern exakt als Zeichen für private Initiative zum Umweltschutz. Du trittst bei mir offene Türen ein!

Jetzt reden wir von Bürgern, die es sich offenbar leisten können, in mehr umweltgerechtes Wohnen etc. zu investieren. Von diesem Niveau aus kann man leicht fordern, doch derartige Investitionen können vom Löwenanteil dieser Gesellschaft schlichtweg nicht geleistet werden. Zu leisten sind jedoch viele kleine Schritte in Richtung Umweltschutz, was es konkret zu bewerben gilt (etwa in Anlehnung an die von mir erwähnten TV-Spots zum 7. Sinn, diesmal eben beispielgebend für umweltgerechtes Verhalten). Damit wäre definitiv mehr gewonnen, als mit diesen Klebeaktionen, mit denen man den Großteil der Bevölkerung eher gegen die Sache des Umweltschutzes aufbringt als sie dafür zu gewinnen.

Was mich an dieser ganzen Debatte extrem stört, ist die Doppelzüngigkeit der Protagonisten! Nicht mehr – nicht weniger. Wenn ich als Großstädter schlichtweg kein Auto benötige, zudem es eh keinen Parkplatz dafür gibt, kann ich mich gut über Mitbürger aufregen, die abends wie morgens an meiner Stadtwohnung vorbei mit dem Auto zur Arbeit bzw. zur Erledigung sonstiger Termine fahren. Solange der ÖPNV nicht für eine wesentlich höhere Auslastung ausgebaut sein wird, ist nicht mit einer Veränderung dieser misslichen Verhältnisse zu rechnen. Und so weiter und so fort … Das naiv schmollende Ankleben auf Fahrbahnen bringt hier keine Abhilfe; man könnte auch sagen, ideologische Träumereien führen nicht weiter, sondern das Erstellen von tragfähigen Konzepten. Letzteres ist Aufgabe von interdisziplinär aufgestellten Expertenteams, die es mittlerweile längst in den Baureferaten der meisten Städte gibt. Doch es bleibt dabei: das von mir benannte Beispiel der nicht spontan umsteuerbaren Ozeandampfer trägt auch hier im kommunalen Bereich. Es sind nicht nur reaktionäre Unionswähler, die dann Protest erheben, wenn in ihrem Stadtviertel massive Umbaumaßnahmen geplant und umgesetzt werden. Da ist viel Heuchelei dabei, ob Du das hören willst oder nicht. Hier konnte man das deutlich am Beispiel des Brenner-Nordzulaufs sehen. Güter auf die Schiene ja, natürlich – aber nicht an unserem Or, nicht an meinem Grundstück vorbei!

Erstaunlich für mich bleibt, wie Du auf die Idee kommen kannst, ich würde einem ungehemmten Wachstum von Wirtschaft und sonstigen gesellschaftlichen Strukturen das Wort reden. Ich habe lediglich Aversionen gegen einen realitätsfremden Idealismus. So würde ich Dich gerne fragen, ob Du derzeit fröstelnd, am Ende gar frierend in Haus oder Wohnung sitzt oder doch eine Heizung betreibst. Könnte es sein, dass diese Heizenergie auf fossiler Energie basiert? Was würde Dir dazu einfallen, wenn sog. Klimaaktivisten es bewirken würden, diese Energiequelle sofort abzustellen? Stop Fossile - at once!!

Du hast wohl Geld genug, um Dich in ein wohl gewärmtes Hotel einzumieten, nicht aber Menschen, die in Hamburgs „wrong site of the City“ wohnen.

Warum sollte ich gegen Paechs Lehre einer vernünftigen Wachstumsökonomie sein? Ich hatte hier doch geschrieben, dass meine Diplomarbeit zum Thema der Technikfolgeabschätzung angelegt war und darin war damals schon Recycling ein zentraler Bestandteil dieser Arbeit. Es geht also um sinnvollen (nicht nur) technologischen Kreislauf, anstatt eines aberwitzigen Wachstums. Auch hier trittst Du offene Türen bei mir ein!

Ich schieb zuletzt: Deutschland ist schlichtweg Industrieland und demnach auf eine funktionierende, darauf ausgerichtete Wirtschaft angewiesen. Das vergessen diese Klebetypen gerne; wobei es mir auch scheint, sie kämen allesamt aus gut situierten Verhältnissen, ein Jammern auf fragwürdigem Niveau! Könnte es sein, dass sie den Verlust dieser Privilegien fürchten, wenn das schöne Wohlfahrts-Deutschland durch klimatische Veränderung einigen Luxus verlieren würde.


It: "Diese Unterstellungen sind unter Deinem Niveau und wohl Deines generellen Unmuts geschuldet."

Aus Deiner Sicht mag es Unterstellung sein und für einige Fälle wird das auch zutreffen. Ist man ehrlich gegen sich selbst, wird man nicht wenige Fälle von Heuchelei und Doppelmoral auf diesem Gebiet erlebt haben und bei genauem Hinsehen täglich erkennen. Damit meine ich nicht vornehmlich die Kleber, sondern die von mir erwähnten SUV-Grünlinge. Was die Klebeaktionen angelangt, bleibe ich dabei: es handelt sich um Aktionen, die mehr Unmut als Zustimmung befördern und damit erachte ich sie als sinnlos bzw, kontraproduktiv. Damit habe ich hier keinen dieser Aktivisten persönlich diskreditiert, sondern äußere meine Meinung genau auf jener gesetzlichen Grundlage, auf die sich diese Protestaktionen stützen.


Bester Gruß! - Karl