Am 09.12.2022 um 12:05 schrieb Ingo Tessmann über PhilWeb <philweb@lists.philo.at>:


Moin Karl,

ich schrieb an JH: „Die Forderungen der Kleber nach dem 9-Euro-Ticket und dem Tempolimit sind in der Tat mehrheitsfähig und würden per Volksabstimmung Gesetz. Dennoch werden die Kleber der Nötigung, wenn nicht der Erpressung geziehen. Ganz anders ergeht es den Industrie-Lobbyisten, die werden hofiert und dürfen sogar selbst die Gesetzesvorlagen zu ihren Gunsten formulieren. Warum werden nicht auch die Kleber in die Ministerien eingeladen, um an den Gesetzen mitschreiben zu dürfen?“ 

Moin, moin Ingo,

Höchst fraglich, ob man Menschen, die sich sehr wohl der Klimaproblematik bewusst sind, mit solchen Methoden, die durchaus dem Tatbestand der Nötigung entsprechen und zudem eine potentielle Gefährdung von Menschenleben (etwa durch Behinderung von Notarzt- oder Feuerwehreinsätzen etc.) darstellen, den Ernst des „global warming“ vermitteln müsste!


Alle anderen - vermutlich der Löwenanteil der Gesellschaft -, wird diese Klimaproteste nur insoweit tangieren, als sie persönlich durch einen Verkehrsstau bzw. weitere damit in Verbindung stehende Verzögerungen resp. Einschränkungen davon betroffen sind. Der sog. Mann auf der Straße spricht von egomanischen Spinnern, die sich auf die Straße oder sonst wohin kleben und damit letztlich nur Unmut in der Bevölkerung erreichen. Kein einziges Auto wird deshalb weniger auf den Straßen sein!

Zwei Auswirkungen haben diese Aktionen definitiv: zum einen, dass auf diese Weise tatsächlich die Klimaproblematik in der breiten Gesellschaft thematisiert und dieser auf unbequeme Art bewußt gemacht wird; zum anderen aber eine weitere gesellschaftliche Spaltung, da die Klimakleber selbstredend mit der links-grünen-Politszene in Verbindung gebracht werden und damit radikalen Kräften der rechten Szene in die Karten spielen.


Klimakleber werfen der Politik diesbezügliche Untätigkeit vor. Wie lächerlich und realitätsfremd doch dieser Vorwurf, als ob sich Politik nicht längst überwiegend mit dieser Thematik konfrontiert sähe und nach Lösungen suchen bzw, da und dort schon mächtig das Problem angehen würde (diese Kerlchen kennen wohl nicht den Wust an Umwelt-Verordnungen, wenn man heutzutage ein Haus bauen oder ähnliche Vorhaben verwirklichen will). 

Doch es kann nicht Politik alleine sein, dieses Problem lösen zu müssen, sondern die Gesellschaft und damit jeder einzelne Bürger, gleichermaßen in seinem persönlichen und beruflichen Umfeld ist dazu aufgerufen und verpflichtet. Da geschieht auch mittlerweile sehr viel in dieser Richtung, was diese Kleber jedoch nicht wahrhaben wollen oder können. Nimmt man ein Bild für die globalen Umweltprobleme, kommt das riesigen Ozeandampfern gleich, die sich auf falschem Kurs befinden und wenn sich auch die Schiffsführer noch so sehr dieser Misere bewusst geworden sind, wird damit diese Riesenteile nicht sogleich umsteuern können und man wird ggf. einige Eisberge touchieren oder auch daran zugrunde gehen. 


Letztlich muss jeder für sich entscheiden, wie er zu dieser Thematik steht, welcher Verantwortung er diesbezüglich zu übernehmen bereit ist und das möglichst in konkreten Aktionen, wie sie allenorts mittlerweile beschrieben und beworben werden. Sich auf die Straße zu kleben ist ziemlich das Letzte, was hier handfest Abhilfe bringt.


Bester Gruß in die Runde! - Karl


PS: Ich glaube nicht, dass Industrie-Lobbyisten von der Politik schlechthin hofiert werden, sie drängen sich auf und verlangen ihren Tribut, ansonsten mit Einbruch von Wirtschaftskraft, Verlust von Arbeitsplätzen etc. argumentiert wird.

Deutschland ist schlichtweg Industrieland und demnach auf eine funktionierende, darauf ausgerichtete Wirtschaft angewiesen. Das vergessen diese Klebetypen gerne; wobei es mir auch scheint, sie kämen allesamt aus gut situierten Verhältnissen, ein Jammern auf fragwürdigem Niveau! Könnte es sein, dass sie den Verlust dieser Privilegien fürchten, wenn das schöne Wohlfahrts-Deutschland durch klimatische Veränderung einigen Luxus verlieren würde.






Mit sprichwörtlichen Rundumschlägen wirst Du wenig zum Verständnis beitragen. Hinter Kastners Bild vom Eisberg steht eine quantitative Wahrscheinlichkeitstheorie. Was hat die mit einem bloßen Geschreibe von Transzendentalem und Imaginärem zu tun? Wenn Du wirklich aufs Ganze gehen wolltest, solltest Du das Quantitative nicht ausblenden. Neben Deiner winzigen qualitativen Innenwelt gibt es noch die kosmisch-quantitative Außenwelt. 

Du, Ingo hast doch Kastner hier ins Spiel gebracht! Wer sich tiefer in ihre Theorie einarbeitet, wird ihre Unterscheidung von Realität und Wirklichkeit nicht als Rundumschlag verstehen, sondern schlichtweg die Lebenswelt  in realer d.h. eher quantitativ angelegter sowie ideeller d.h. qualitativer Anteile aufgeteilt sehen. Die Sicht auf beide Teile und vor allem deren lebenspraktische Synthese ist für eine hinreichende Lebensgestaltung bedeutsam.