Moin Karl, 

historische gesehen waren die Wildbeuter noch egalitär organisiert. Das belegen Grabfunde, Höhlenmalereien und Skelettuntersuchungen. Die Männerherschaft begann mit den Bauernkulturen. Und deren Lebensformen wirken bis heute in den Sprachformen nach, denn das Sein bestimmt das Bewusstsein. Über Sprachformen Lebensformen ändern zu wollen. halte ich auch für wenig wirksam; aber sie machen aufmerksam auf Ideologien und Ungerechtigkeiten, nicht nur zwischen den Geschlechtern. Ich hatte ja zudem klassenspezifische, rassistische und religionsbezogene Sprechweisen erwähnt. 

Wir leben in einer patriarchal-kapitalistisch-europäisch-christlich dominierten Gesellschaft, die trotz der selbstverschuldeten Klimakrise wieder einmal aufrüstet, um einem typisch patriarchal-imperialistischen Machtanspruch zu begegnen. Das ist ein Rückfall ins 19. Jahrhundert, in dem der Krieg noch als Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln praktiziert wurde. Inwieweit das fossile Imperium in seinem Abwehrkampf gegen die Decarbonisierung zur Entschärfung der Klimakrise daran mitwirkt, zeigt ja die internationale Allianz der Erdölförderländer. 

Was Du immer wieder hinsichtlich der Frauenbeteiligung an den Machtpositionen erwähnst, betrifft nur eine Minderheit von im Patriarchat sozialisierter Frauen. Bekanntlich gibt es kein richtiges Leben im falschen. Und wie ein „Mensch als solcher“ agieren können soll, bleibt Dein Geheimnis. Abstrakta agieren nicht, sie werden vielmehr aus konkreten gesellschaftlichen Handlungsweisen heraus abstrahiert. Und das Abstrahieren erfolgt zweckrational interessengebunden. Was wird bspw. verschleiert, wenn die, die die Arbeit verrichten, Arbeitnehmer genannt werden? Und was wird verschleiert, wenn die Vermögensverteilung nicht geschlechtsbezogen dargestellt wird? Hinsichtlich der Machtmechanismen hat Foucault ja in seiner Mikrotheorie der Macht die Mechanismen bis in die einzelnen Institutionen hinein untersucht.   

Wie ist es bspw. zu deuten, wenn gelegentliche von Flüchtlingen begangene Morde zur Staatsaffäre aufgebauscht, die über 100 Femizide jährlich aber selten hervorgehoben werden? Ich sehe darin Rassismus und Misogynie. Welcher konkrete Machtmechanismus steckt wohl dahinter, wenn von den 21000 hierzulande erforderlichen Frauenhäusern nur 7000 verfügbar sind? Oder wenn verlassene Frauenmörder auf mildernde Umstände hoffen können, wie es der Bundesgerichtshof am 17.4.24 skandalös formulierte: „Gerade der Umstand, dass eine Trennung vom Tatopfer ausgegangen ist, darf als gegen die Niedrigkeit des Beweggrundes sprechender Umstand beurteilt werden.“ 

https://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/bgh_notp/document.py?Gericht=bgh&Art=en&Datum=2024&Seite=62&nr=86775&anz=2887&pos=1868

Dazu empfehle ich Dir das Reschke-Fernsehen (der aus München nach Hamburg geflüchteten Journalistin): 

https://mediandr-a.akamaihd.net/progressive/2025/0306/TV-20250306-1354-4100.1080.mp4

IT


Am 08.03.2025 um 00:55 schrieb Karl Janssen über PhilWeb <philweb@lists.philo.at>:

Das ist eben das Missverständnis derer, die ihren Impetus einer Veränderung der bislang üblichen Sprachform des generischen Maskulinum partout von der patriarchalen Geschlechtskategorie in das gegenteilige, sprich die feminine verlagern wollen. 

Historisch gesehen, waren alle Gesellschaftsformen patriarchal geprägt. Die Gründe dafür sind hinlänglich beschrieben. Selbstredend waren damit auch die Sprachformen dementsprechend angelegt. Nicht wenigen Feministinnen kann es nun nicht schnell genug gehen, diesen Umstand zu ändern, merken aber an vielen Stellen der gesellschaftlichen Kommunikation, dass der über Jahrhunderte übliche Sprachgebrauch nicht nach einem Semester am Lehrstuhl für Gender Studies zu ändern ist, zudem dort noch die Problematik entsprechender Benennungen bzgl. der Intergeschlechtlichkeit hinzukommt.

Sieht man in die gesellschaftlichen Strukturen vornehmlich der industriell geprägten Länder, scheint sich derzeit ein ganz anderes Problem aufzutun, das mit dem dort im vergangenen Jahrzehnt stark zugenommenen Liberalismus (im Sinne des „alles ist mir erlaubt“) im Zusammenhang steht. 

Freiheit hat nur derjenige, der genau weiß, was er tut. Diesen Satz hatte ich vor Zeiten hier zitiert. Und nun würde ich mit Waldemar einstimmen, wenn ich dem Menschen nicht das Vermögen zuschreibe, sich wirklich seines Tuns bewusst zu sein. Ich hatte mich stets gegen diese Verallgemenerung gewehrt, vor allem wenn hier immer von „Wir“ gesprochen wurde: "Wir richten die Welt zugrunde, wir wissen nicht, was wir tun", usf. 

Dabei gibt es so viele Menschen in unserem Land, wie auch weltweit, die sich sehr wohl ihres Tuns bewusst sind. Doch ihr Vorbild, ihre Moral wirkt ganz offensichtlich eher als Verstärker des eigenen Schuldgefühls (sofern dieses überhaupt gegeben ist).

Augenblicklich fällt es mir sehr schwer, diese Welt unter optimistischem Aspekt zu sehen und da erscheinen mir Diskussionen um Änderung von eingeprägten Sprachformen dem Lösen eines „Luxusproblems“ gleichzukommen.

Für mich steht weiterhin das generische Maskulinum zur Benennung des Menschen und habe wenig übrig für die Befindlichkeiten derer, die sich in jedem sprachlichen Ausdruck partout spezifisch als Männlein oder Weiblein darstellen wollen. Doch dieses Ansinnen ist weit weniger gesellschaftlich verbreitet, als es die entsprechenden Bemühungen in den Medien praktiziert wird. Da ich gesellschaftlich ziemlich aktiv eingebunden bin, erlebe ich eine andere, nämlich die diesbezüglich herkömmliche Sprachform (besonders bei Frauen) in meiner alltäglichen Kommunikation mit Menschen aller Gesellschaftsschichten. 

Wer also absolut dem Gendern zugetan ist, sollte diesem Ansinnen nach Kräften folgen. Die Änderung der Sprachform wird jedoch nicht wesentlich zum Wechsel von patriarchalen Gesellschaftsformen beitragen, viel eher jedoch ein sich aktives Einbringen von Frauen in das Gesellschafts- und Arbeitsleben. Dieser Prozess ist im vollen Gange, wie das jeden Tag im persönlichen wie auch medialen Umfeld zu erleben ist.

Wer das nun mit politischen Veränderungen in Verbindung bringen will, könnte am Beispiel aktuell der in hohen Staatsfunktionen agierenden Frauen beobachten, inwieweit deren Führungsstil sich von dem der Männer unterscheidet. Auch in vielen Firmen sind inzwischen mehr Frauen in Führungspositionen als Männer und deren Führungsstil ist zumeist kaum von dem ihrer „Vorbilder“ zu unterscheiden.

Die Mechanismen der Macht sind eben nicht genderbezogen, denn Im Zweifel agiert immer der Mensch als solcher und nicht Mann oder Frau.