Am 05.07.22 um 17:16 schrieb Ingo Tessmann:

Hi Karl, 

auf Signal bezogen ließe sich Information bspw. wie folgt definieren:  „Als Information bezeichnet man das, was an einer Nachricht, auch wenn sie nacheinander verschiedene physikalische Erscheinungsformen annimmt, unverändert bleibt; eine Information kann somit `als Klasse äquivalenter Signale definiert’ werden.“ Mit dieser Definition hat sich Günter Ropohl in seiner „Allgemeinen Technologie“ auf Karl Steinbuch bezogen: 

https://www.ksp.kit.edu/site/books/m/10.5445/KSP/1000011529/

Obwohl sich Ropohl und Janich 1998 und 2001 über ein Verständnis von Information gestritten hatten, scheint mir die Auffassung von Information als Abstraktor zu der Janichs zu passen, nach der Information als Invariante menschlicher Kommunikation verstanden werden sollte. Siehe dazu die Übersicht von Helmut Klemm: 

www.informatik.uni-leipzig.de/~graebe/Texte/Intern/Klemm-03.pdf

Den Mathematikern sind Abstraktionen ja auch nicht fremd und so wird sich vielleicht einmal ein allgemein akzeptiertes Verständnis von Information ergeben. 

IT


Danke für die Literaturhinweise! Ropohls Buch "Eine Systemtheorie der Technik" habe ich nicht gelesen, der Autor ist mir allerdings in starker Erinnerung durch seine Arbeiten zur Technologiefolgenabschätzung, ein Thema, das (als Ing.) ein Schwerpunkt meines Philosophiestudiums war. Durch Ropohls interdisziplinären Ansatz in seinem Denken hinsichtlich einer verantwortbaren Technisierung war er seinerzeit mit Hans Jonas (Prinzip der Verantwortung) die warnende Stimme vor einer nicht mehr beherrschbaren Technikentwicklung. Weise Voraussicht, wie wir heute wissen.

Hans Jonas' "Das Prinzip Verantwortung" geht weniger auf die fatalen Folgen einer "aus dem Ruder laufenden" Technisierung ein, sondern sieht vielmehr die Notwendigkeit einer neuen Verantwortungsethik, gewissermaßen als "Zukunftsethik" und diese generell bezogen auf ein Bedrohungsszenario durch ungehinderte Machtentfaltung. Auch das erleben wir derzeit auf dramatische Weise. Ich würde nicht mit ihm übereinstimmen, wo er sagt, menschliches Handeln hätte sich völlig geändert, da menschliches Unvermögen seit Anbeginn der Ontogenese zu beobachten ist. Allerdings ist (wie er besorgt anführt) die Menschheit erstmals in der Weltgeschichte in der Lage, sich selbst und die ganze Erde zu vernichten. Auch darüber schwadroniert man derzeit in diversen Machtzirkeln. Eigentlich unfassbar und bedrückend. Wenn Jonas  nahezu flehendlich für die Neuausrichtung eines gänzlich anderen Verantwortungsprinzips eintrat, so sieht man am derzeitigen Weltgeschehen, wie wenig sich derartige Appelle in Gesellschaft und Politik eingeprägt haben, wie sich Machthaber schlichtweg nicht darum scheren.

Die gesellschaftliche Entwicklung der letzten Jahrzehnte hat jedoch eine Neuausrichtung erfahren, indem jegliche Transzendenz aus der Welt verbannt wurde. Für weite Teile der Bevölkerungsschichten verlagert sich damit Verantwortung auf das eigene Denken und Handeln und ich glaube sagen zu können, dass dieser Verantwortung weitestgehend nicht entsprochen wird bzw. garnicht entsprochen werden kann. Das wusste oder ahnte  Jonas und suchte nach einem neuen Absoluten, gewissermaßen als Ersatz für die verdrängte Transzendenz. Doch wie kann man Absolutes in diese Lebenswelt bringen wollen, wo irdische Welt per se kein Absolutes bergen kann? Vermutlich deshalb setzte Jonas dafür die Natur als Absolutes in ihrer ureigensten Wertigkeit. Dieses "Eigentliche" sei nicht länger im Ewigen, sondern im Vergänglichen zu sehen, war seine These.

Das ist ein interessanter Aspekt und für mein Dafürhalten ein gängiger Weg für all jene, die sich von einem anthropomorphen Jenseitsbild resp. Gottesvorstellung entfernt haben bzw. auf der Suche nach alternativen Weltbildern sind.

Die Verantwortung für diese Lebenswelt jedoch, ist allen an's Herz gelegt, seien es an Religionen oder sekulären Weltbildern orientierte Menschen.

Zum Informationsbegriff fand ich im von Dir verlinkten Uni-Skript diesen Passus als wesentliche Definition:

„Information“ wird damit als Selektionsleistung im Vorfeld des Sender-Kanal-Empfänger-Systems verstanden."

Das ist genau der Punkt, auf den ich zu Waldemars S-I-N Modell eingegangen bin.

Weiterhin heißt es im Skript:

"Der Begriff bezieht sich also nicht mehr auf die einzelne Nachricht, die übertragen wird, sondern auf einen binären Entscheidungsprozess, durch den sie aus einem Reservoir von möglichen Nachrichten hervorgegangen ist. Bei der Auswahl aus zwei möglichen Nachrichten ist beispielsweise nur eine Entscheidung zu treffen – das entspricht einem Informationsgehalt von 1 Bit; bei 16 Möglichkeiten sind 4 Entscheidungen erforderlich – das ergibt 4 Bit. „Information“ ist aus dieser Sicht, so definiert Weaver, ein „Maß für die Freiheit der Wahl“ und damit von der Anzahl der Wahlmöglichkeiten – und dem Grad der Unsicherheit – abhängig. Weaver: „Vermehrte Unsicherheit bedeutet vermehrte Information.“"

Vermehrte Unsicherheit => vermehrte Information => vermehrte Entropie. Um von hoher zu geringer Entropie also von Unwissenheit zu Wissen zu gelangen, bedarf es einer Information, die Wissen erweitert (also Neues vermittelt). Dieses Neue (Erkenntnis über diese Welt) muss stets wieder aufs Neue erfragt werden. Wohl kaum wird es (wirklich) gebildete Menschen geben, die von sich behaupten, die Welt in all ihren (spezifisch maßstäblichen) Facetten erfasst zu haben.

Information ist nicht gleich Information. Diese Feststellung ergibt sich aus der vielfältigen Auslegung dieses Begriffes. In ihr liegt das "große Elend", wie Helmut Klemm sein Skript überschreibt: "Das Informationszeitalter kann sich nicht einigen über den Begriff Information".


Bester Gruß! - Karl


PS: Waldemar, wenn Du grad mitliest - ich hänge das hier noch eben an - ist schon wieder spät geworden:

Du schreibst "Hirne sind ebenso wie ihre physiologie rein materiell..."

Da zeigt sich sofort Deine Denkweise, nämlich die materielle! Im englischen Sprachgebrauch wird immer unterschieden zwischen Brain und Mind und das ist dann auch der entscheidende Unterschied: "mind is separate, yet inseparable from, the brain. The mind uses the brain, and the brain responds to the mind. The mind also changes the brain" (Erläuterung engl. Neurowissenschaftler).

Im Deutschen würde man sagen Gehirn und Geist  - nur wer von Geist nichts wissen will, hat da ein Verständnisproblem, oder nicht?

Dann noch zur (Heisenbergschen) Unschärfe, derenthalben Du keine klare Antwort der Natur zu erhalten glaubst. Ich mache es mir einfach und verweise auf Phil Ball (englischer Wissenschaftspublizist - der besonders QM sehr anschaulich vermitteln kann - Du wirst es nicht brauchen, womöglich finden weitere Teilnehmende hier aber Interesse daran).

Ph. Ball schreibt: "physicists, starting with Dieter Zeh in the 1970s and Wojciech Zurek in the 1980s, have developed a decent understanding of the quantum–classical divide: the reason particles can exist in superpositions of many possible states, but cats are only ever dead or alive. Classical physics is now seen as emerging from underlying quantum laws because of ‘decoherence’. That is, brushes with the environment cause quantum superpositions to lose coherence as information about them leaks out — and the bigger the system, the faster it happens."

Also Unschärfe (Superposition) ja, aber am Ende (nach Kollaps der Wellenfunktion resp. Density Matrix der Katze) ist die "Katze in der Kiste tot oder lebendig" und die Frage nach ihrem leiblichen Befinden hat die entsprechende Antwort ("Messprozess" nach Öffnen der Kiste): JA oder NEIN. In der realen Lebenswelt befinden sich die Dinge des Alltags nicht in Superposition sondern sind nach Dekohärenz (sog. Quanten-Darwinismus) konkret mess-/fühlbare Materie. So verstehe ich jedenfalls die mich umgebende, tragende Natur.