Am 19.12.22 um 01:27 schrieb Karl Janssen über PhilWeb:
Wohlfeil, aus heutiger Sicht auf die Vergangenheit der Technisierung zu blicken, um daraus auch noch ideologisch Kapital zu schlagen unter dem Deckmantel heute notwendigen Umweltschutzes. (Satz 1)

Der Satz vorhin ist als Antwort auf einen Teil des folgenden Absatzes zu denken, der von Ingo geschrieben wurde:

"was Du beim Anprangern der angeblichen Doppelzüngigkeit und Heuchelei vergisst, ist, dass die Krisensituation, in die uns das fossile Imperium gebracht hat, mit niederträchtigem Vorsatz und rücksichtslosem Eigennutz herbeigeführt wurde — und weiter befeuert wird. Wie viele grausame Kriege wurden nicht schon darum geführt und wie viele überflüssige Verbrennungsmotoren für Autos und Transportfahrzeuge produziert. Die profitgierige und umweltzerstörerische Kompanei zwischen Auto- und Ölindustrie begann 1908 mit der Massenproduktion des Ford-Modells T. Darauf hatte ich wiederholt hingewiesen, aber immer und immer und immer wieder werden die gegenwärtigen Verhältnisse dargestellt, als ob es sich um Naturnotwendigkeiten handelte. Die Misere ist menschengemacht und wenn schon damals der elektrifizierte Schienenverkehr konsequent ausgebaut worden wäre, gäbe es heute nichts zu jammern über die absurden Pendlerprobleme und Staus auf den Straßen. In autofreie Städte muss nicht gependelt werden, da sich in ihnen leben lässt und hinreichend ausgebauter Schienenverkehr ist nicht auf Autobahnen angewiesen. Eine an Menschen und nicht an Autos angepasste Stadt- und Siedlungspolitik wäre schon vor hundert Jahren möglich gewesen." (Am 18.12.2022 um 12:43, Ingo Tessmann)

Von oben herab nehme ich mir die Erlaubnis, auf Beides zu antworten.

Erinnerungswissen, nehme ich an:
Wenn Vor-Sachen (im üblichen Sprachgebrauch: Ursachen) angegeben werden, dürfen diese zu jedem Zeitpunkt der Vergangenheit angegeben werden. Weder von dem Sprachgebrauch, dem Umgangswissen, noch von einer wissenschaftlichen Vorgehensweise her, ist der Zeitpunkt in der Vergangenheit fest zu denken. Plato war bekanntlich damit unzufrieden, und andere auch. Bei der Ursache-Bestimmung kann immer gestritten werden, wenn vom Zeitpunkt der Vorsache abgesehen wird. Ein Allwissender könnte die Vor-Sache zu jedem Zeitpunkt, zudem in voller Breite im Sinne von Multikausalität angeben, und zudem mit größter Genauigkeit und Korrektheit in jedem möglichen Sinne. Unabhängig davon, ob nur materielle oder immaterielle Vorsachen angegeben werden dürfen. Es kann sogar dazu gestritten werden, ob denn tierische Triebe oder menschliche Absichten als Vor-Sachen vorkommen dürfen. Eine weitere Bemerkung: Der Zufall, gemäß Wort im Betreff kann auch in der vollständigen Ursache-Bestimmung vorkommen. (2)

Daraus folgt: Es ist erlaubt, in der "Vergangenheit der Technisierung" einen bestimmten Zeitpunkt (1908) und die Sache zu dem Zeitpunkt als Vorsache aktueller Sachen anzusehen. Das ist nur eine Subsumtion in Bezug auf den vorherigen Absatz.

Der obige Satz 1 nimmt Bezug auf den "heute notwendigen Umweltschutz", und enthält implizit die Aussage, dieser sei in der "Vergangenheit" noch nicht notwendig gewesen. (Implizit heißt schließlich nicht "mit Behauptung, dass".) Dies kann also nur als Bemerkung angesehen werden.

Zudem kann ich mir vorstellen, dass Karl Janssen dem Immanuel Kant zustimmen würde, dass jeder die Konsequenzen seiner Handlungen vorausdenken sollte, und das nicht tun sollte, was nachher in der Zukunft unerwünscht ist. Ich habe dies einfach so kindisch hin geschrieben, es ist komplizierter. Und doch bemerke ich hier, dass ein Allwissender zusätzlich zur Fähigkeit der Angabe aller Vor-Sachen diejenige aller Nach-Sachen haben müsste. Eine weitere Bemerkung, analog zur obigen (2), nach der der Zufall auch hier vorliegen kann: Je nach "Entscheidung" durch den Zufall müsste der Allwissende mehrere Folge-Möglichkeiten beschreiben können. Ob das ihm auch noch zugetraut werden kann, ist offen. Dann wäre er schließlich eine Art Super-Allwissender.

Da ich kein Allwissender bin, muss ich wohl kläglich sagen: Es kann sein, dass nur versucht werden kann, mit teilweisen Fähigkeiten, die Vorsachen bzw. die Nachsachen zu sagen.

Nach alledem muss ich gestehen, und Karl vermutlich auch, dass Ingos Hinweis auf eine Vorsache des Jahres 1908 korrekt war. Sicher kann der eine oder andere sich um das Geschriebene drum herum streiten, das in der vollständigen Vorsachen-Angabe des Allwissenden korrekter vorkommen würde, und anderes nicht vorkommen würde, etwa das, was ohne Belang wäre. Bemerkung: Allwissender nur als Fiktion, also ich habe nicht im geringsten an ein höheres Wesen gedacht.

JH