Am Fr., 10. Nov. 2023 um 00:14 Uhr schrieb Claus Zimmermann über PhilWeb <philweb@lists.philo.at>:
Die Unterscheidung zwischen wahr und falsch ist zwar nicht selbst wahr oder falsch, aber m.E. wie gesagt eine Kulturtechnik, ohne die unser Leben anders aussähe. Das meint Wittgenstein vielleicht mit "Lebensform".

Wittgenstein könnte durchaus die Zuweisung von Wahr und Falsch zu Sätzen als Sprachspiele verstanden haben.
 
Ich wollte dir übrigens nicht unterstellen, dass du es damit nicht so genau nimmst. Der Ausgangspunkt war ja dein Erstaunen darüber, dass IT Axiome mit Formvorschriften in Verbindung brachte.

Ich fand es eher überraschend, dass Axiome als normative Festlegungen verstanden wurden.
Aufgrund meiner Lektüre und dem, was ich gelernt habe, tendiere ich eben dazu, diese eher formalistisch zu deuten. Wie man es heute auch im Grunde in der Mainstream-Mathematik findet.

Der Vergleich mit dem Schachspiel ist einschlägig.
Die Schachregeln folgen weder aus dem "Wesen" oder der "Natur" der Schachfiguren und sie sind auch nicht unbedingt richtig oder falsch. Die Axiome sind dann die Initialstellung (wo steht der König, wo der Bauer, wo der Läufer usw.) und die Inferenzregeln sind dann die Zugregeln (Bauer kann nur einmal zwei Felder rücken, sonst nur einen.

Logische Schlussfolgerungen sind daher definiert als syntaktische Umformungen.
 
Wir vergleichen das so verstandene Abbild mit den tatsächlichen Gegebenheiten, um festzustellen, ob es stimmt oder nicht.

Das scheint mir tatsächlich ein Problem mit der Korrespondenztheorie oder Abbildungstheorie zu sein.
Sie postuliert eine Welt jenseits der Abbildungen, auf die wir aber streng genommen keinen direkten Zugriff haben.
Und diese Welt muss dann irgendwie vergleichen werden mit unseren Abbild.
 
>Was hier ignoriert wird, ist die Erfahrung der Evidenz.
>Sehe ich einen roten Punkt, kann ich mir zwar einreden, dass der Punkt
>schwarz ist, aber es wäre nicht die Wahrheit.

Ich kann mich im Einzelfall über die Farbe oder das Vorhandensein des Punktes täuschen, aber ohne einen Begriff der Tatsache gäbe es auch keinen der Fehlwahrnehmung. Wobei Erfahrungstatsachen ja immer widerlegbar bleiben, auch wenn wir eine Pille schlucken, die uns angeblich die Augen öffnet.
Das ist aber, wie du sagst, kein Grund, seine Erfahrung zu verdrehen.

Mir scheint dies sogar eine grundlegende Erkenntnis zu sein.