Hi JH, 

der autoritäre Charakter ist doch nichts Neues und so wird er lediglich aktualisiert. Der Faschismus wurde zur weltweiten Bewegung um die Achse Berlin-Rom-Tokio herum. Neu belebt wurde er nach dem Zerfall der Sowjetunion. Hundert Jahre nach Mussolini’s Marsch auf Rom marschierte die Russische Armee Putins in die Ukraine ein. Der Zusammenhang zwischen faschistischer Ideologie und autoritärem Charakter dürfte in Russland gegenwärtig besonders eng sein. Untersuchungen dazu waren den kritischen Theoretikern damals in Deutschland nicht mehr möglich und sind es auch heute wieder nicht in Russland.  

Soziodynamisch sehe den Zusammenhang zwischen autoritär fremdbestimmten Anomen und sich selbst bestimmenden Autonomen im Grad der Zufälligkeit, mit der globale Ideologie und lokale Charakter in Beziehung stehen. Auf Anome wirkt Ideologie nahezu deterministisch, auf Autonome lediglich unwahrscheinlich stochastisch. Physikalisch betrachtet geht es um die Bewegung von Teilchen in ihrer Umgebung und dazu gibt es tatsächlich etwas Neues, nämlich die „Active Field Theory“, in der es um die Selbstbeweglichkeit der Teilchen im Feld geht. Siehe dazu die Übersicht "Active Particles in Complex and Crowded Environments“: 

https://arxiv.org/abs/1602.00081

Und das Tutorial "How to derive a predictive active field theory: a step-by-step tutorial“:

https://arxiv.org/abs/2212.00078

Da sich Anome kaum intelligenter als aktive Teilchen benehmen dürften, wäre Stögners (beinahe hätte ich jetzt Geschwafel geschrieben) Vortragstext bottom-up durch eine „Active Field Theory“ zu unterfüttern. Zudem sehe ich in ihr einen Brückenschlag zur inhärenten Wirksamkeit der Materie. Aber warum haben nicht schon die Romantiker eine Aktive Feldtheorie entwickelt? Die Mathematik war bereits weit genug entwickelt, auch war die Brownsche Bewegung bereits entdeckt. Aber erst Einstein wurde wieder auf sie aufmerksam — und es hat weitere hundert Jahre gedauert bis zur Aktivierung der Feldtheorie. 

IT


Am 11.03.2023 um 19:40 schrieb Joseph Hipp über PhilWeb <philweb@lists.philo.at>:

Am 11.03.23 um 18:40 schrieb Ingo Tessmann über PhilWeb:
Sollten wir nicht nach Interessanterem, wenn nicht Neuem streben?

Hier habe ich das Spiegelbild zum aktuellen Ideologie-Streit gefunden, Adorno suchend:

https://jungle.world/artikel/2019/47/hass-identitaet-und-differenz?page=all
Essay - Über die Aktualität des autoritären Charakters
Hass, Identität und Differenz
Karin Stögner ist Professorin für Soziologie an der Universität Passau

Dort wird zeitweise auch englisch zitiert, das wird Thomas hoffentlich entzücken, Ingo sowieso, als Autor(in) steht da nicht Professor(in).

JH

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