Am 27.07.2024 um 16:33 schrieb Claus Zimmermann über PhilWeb <philweb@lists.philo.at>:Tag Ingo,
Der Ausdruck, über den es im Gegensatz zur technischen Wortbedeutung keine Vereinbarung gibt, sondern der selbsterklärend ist, ist nicht nur eine Vorform des Zusammenlebens. In der Mathematik kann alles auf Vereinbarungen zurückgeführt werden. Deshalb meine Vermutung, dass es einen klingenden, leuchtenden Ausdruck da nicht gibt. Aber vielleicht bin ich ja taub und blind dafür.
Claus
Das trifft m.E. der Kern der Sache: Mathematik hat zwar ihren wissenschaftlichen Ursprung in der Philosophie und begann ihren Siegeszug in Griechenland als Werkzeug zur logischen Beweisführung, wurde damit zur Grundlage der modernen Wissenschaft, spezifisch als Formalwissenschaft.
Um zu einer eineindeutig bewiesenen Aussage zu gelangen, sind ebenso eineindeutige Prämissen und somit ein eindeutiges Beweiskonzept die unumgängliche Voraussetzung. Damit ist jedoch allenfalls der Geltungsbereich der Natur-, jedoch niemals jener der Geisteswissenschaft erfasst, da in letzterer eben diese eineindeutigen Prämissen letztgültig nicht gegeben sind, insbesondere, wo es sich um Metaphysik handelt.
So gesehen ist die Mathematik ein auf Naturwissenschaft begrenztes und damit eindeutig beschreibbares Wissenschaftsgebiet, deren Möglichkeiten zur Beweisführung sich jedoch nur bedingt (etwa als Prädikatenlogik für die Geisteswissenschaften und insbes. diePhilosophie anwenden lassen.
Wenn dem Phytagoras der Ausspruch „alles ist Zahl“, dem J.A. Wheeler „it's from bit“ zugeschrieben wird und ich behaupte: „it's all about information“, gehen alle Aussagen in Richtung einer eindeutig beschreibbaren, quasi mathematisierten Welt. Mathematik als die Sprache der Natur. Doch es ist und bleibt lediglich Sprache und hier gilt: Nicht alles ist in Sprache auszudrücken. Hier bleibt nur das Schweigen im Sinne Wittgensteins: „Über was man nicht sprechen kann, hat man zu schweigen“ (sinngemäß). Was hier übrig bleibt ist staunendes Schweigen.
Und liegt denn nicht im Stillsein eine Möglichkeit zur Klärung, zur Sammlung auf das Wesentliche? Dazu bedarf es dann keiner Mathematik, keiner Logik und eben keiner Sprache, es bedarf des Einfühlens, des Hineinhörens, des Stillseins, um eben diesen „klingenden, leuchtenden Ausdruck“ zu vernehmen, der alles Leben begleitet.
KJ