Am 18.06.2023 um 10:01 schrieb Ingo Tessmann über PhilWeb <philweb@lists.philo.at>:



it: Mit Worten lässt sich alles einebnen, sie sind die großen Gleichmacher, aber wie sieht es in unserem Erleben, dem Leben, der Biosphäre und dem Universum im Detail weit außerhalb der Wortübervereinfachungen aus? Unser Austausch von Worten gibt nur sehr vage Hinweise auf die sich sprachlos ins Unendliche vollziehende Vielfalt. Wie einfach es ist, Worte zu verknüpfen, zeigen ja die Chatbots. Ohne Lebenszusammenhang bleiben sie sinnlos. Auf das sprachlose Vorgehen und Wirken überall kommt es an, weniger auf das Geschreibe darüber. Es ist gelinde geschrieben absurd, dass wir hier bereits seit Jahrzehnten aneinander vorbeischreiben. Aber natürlich gehört auch das Absurde in die Philosophie.

um Phantasiewelten geht es in Mythen, Märchen, Religionen und Ideologien. Mit ihnen werden Menschen um des Machterhalts willen von Kind an manipuliert. Und Worte spielen dabei die Hauptrolle, wenn sie bloß inhaltsleer verwendet werden; denn lässt sich so etwas wie eine „ununterscheidbare Kopie des Gehirns“ wirklich vorstellen oder ist es bloß hohles Geschreibe bzw. metaphorisch gemeint? In der SciFi oder allgemein als Heuristik oder zur Unterhaltung ist das harmlos, fatal wird es alltags- und kulturbestimmend.


Kernthemen anbelangend glaube ich nicht, dass wir hier stets aneinander vorbei schreiben. Wir schreiben eher gegeneinander an, wo es um gesellschaftspolitische Thematik geht, vor allem aber zu Themen, die sich durch die unterschiedliche Sicht auf „Gott und Welt“ beziehen. Und tatsächlich sind „Worte“ dabei das Problem, denn wir können hier nur Worte austauschen, da über dieses Medium die Möglichkeit zu sog. Parasprache, also nonverbaler Verständigung (Gestik, Mimik etc.) fehlt.

Ein Bild sagt mehr als tausend Worte“ - damit ist eigentlich alles gesagt. Somit hat Metaphorik einen wichtigen und daher unersetzlichen Platz in den Gesellschaften dieser Lebenswelt. 

Selbstredend wurden und werden Menschen von „Mythen, Märchen, Religionen und Ideologien“ manipuliert, vornehmlich mit letzteren. Wir haben uns hier hinreichend kritisch über klerikale Kasten, politische Machtzirkel, Ideologien und sonstigem diesbezüglichen Missbrauch ausgetauscht. Letztlich ist es immer die latente Missbrauchsgeneigtheit von Menschen, die dieser Lebenswelt und einem gedeihlich gesellschaftlichen Miteinander erheblichen Schaden zufügt. Gebrauch und Missbrauch sind die beiden Seiten von Münzen, mit denen Leben nun mal zu bezahlen ist.

Religion aber, ihrem Ursprung gemäß eher ein Regelwerk, ist unbenommen ihrer zweifelsfrei auch missbräuchlichen Auslegung und Verbreitung nicht grundsätzlich für die Manipulation von Menschen verantwortlich zu machen. Ebenso wenig sind es Mythen, sofern es sich bei diesen Erzählungen um gleichnishafte Darstellungen von Phänomenen handelt, die sich real erkennbarer, messbarer Wahrnehmung entziehen. Ähnlich und doch unterschieden von Fabeln und Märchen war der Mythos bislang eine Erzählform, die insbesondere aus der Natur abgeleitete Bilder nutzte, um rätselhafte Gegebenheiten zu beschreiben, für die es keine rationale Erklärung gab. Die heutige Lebenswelt kann durch Erkenntnisse aus Natur- wie auch Geisteswissenschaft weitestgehend die hergebrachten Mythen hinter sich lassen. 

Nicht beiseite lassen können wird man das klassische Märchen und mythenhafte Erzählungen, wenn es darum geht, Kindern die von ihnen erstmals wahrgenommenen Lebensphänomene zu erläutern. Wer sollte dieses (in welcher Wortwahl immer) mit hochgestochenen wissenschaftlichen Erklärungen vermögen, die schlichtweg einem kindlichen Gehirn noch nicht vermittelbar sind. Die Transformation von mythischen Erzählungen in die reale Wissenswelt geschieht in aller Regel wie von selbst, wenn sich die Lebensrealität mit jedem weiteren Lebensjahr zunehmend in ihrer Faktizität zeigt. Dass dieses nicht allen Menschen im Verlauf ihrer Adoleszenz gelingt, ist allerorts zu sehen.

Und um nochmal auf Religion zurück zu kommen. In welchen Worten sollten den weit überwiegend ungebildeten Menschen der vorchristlichen Zeit jene spirituellen Phänomene dargelegt werden, die zwar von diesen wahrgenommen wurden, jedoch nicht mit den üblichen Erklärungsmustern im damaligen Sprachgebrauch zu vermitteln waren. So ist die Bibel natürlich als mythische Erzählung zu sehen, was ihren Wert als Buch des Lebens nicht schmälert. Ein Blick in dieses Schriftgut zeigt allemal, dass sich am Wesen des Menschen kein Jota geändert hat: Kain und Abel allüberall!

Religion an sich manipuliert nicht, es ist ihr Missbrauch, der Menschen diesbezüglich in die Irre, der sie zu Untaten führt!

Sicher habe ich es hier schon mal geschrieben, eine dementsprechende Darlegung einer jungen Muslima: Im Namen Gottes wir unendliches Unheil angerichtet, was im Bewusstsein eines Gottes niemals geschehen würde (sinngemäß). Also doch wieder mein (eigentlich hier verpönter) Schwenk auf Gott, an den ich als solchen (im Sinne Bonhoeffers) nicht glaube.

Meine Einstellung zu einem unzutreffenden Gottesbild, nämlich dieser fatalen anthropomorphen Vorstellung eines persönlichen Gottes, hatte ich oft schon hier dargelegt. 

Fast verboten banal gefragt, auf welcher Wolke am Himmel, in welcher Galaxie dieses Universums er denn residieren sollte, wenn nicht als Wesenheit, die alles durchdringt und dennoch nicht eindringt;  Ein Paradox, welches das Vermögen von Resonanz erfordert: In Resonanz treten mit transzendenter gestaltloser Kosmischer Intelligenz, das ist für mich „Gebet“.

Es ist nicht die Religion als in sich kohärente, wenngleich mythische Narration, sondern es sind die alten Worte, eine zwar nicht inhaltsleere, sondern überkommene Erzählung, die abseits aller Geschichtlichkeit das gegenwärtig metaphysische Malum ist.

Inhaltsleere Worte, sog. hohle Worte, Worthülsen; Einerlei, wie man es benennt, immer findet vor jeder Wortbildung im Gehirn ein diesbezüglich mehr oder weniger umfangreicher, wünschenswert zutreffender Denkprozess statt, doch für manches Gedachte finden sich nicht immer sogleich die „richtigen Worte“.  Sei es, weil man (augenblicklich) nicht über den entsprechenden Wortschatz verfügt, sei es, weil es schlichtweg kein Wort dafür gibt. Beispielhaft in nordischen Ländern, wo es eine Vielzahl von Wörtern zur Beschreibung von verschiedenen Schneearten gibt, die im Süden schlichtweg nicht benötigt werdensie wären ohne diesen speziellen „Lebenszusammenhang“ tatsächlich sinnlos.

Ebenso sinnlos, schlichtweg absurd wäre tatsächlich die Annahme, man könne jemals eine ununterscheidbare Kopie, also den absolut vollständigen Klon eines menschlichen Gehirns erzeugen. Aber gesetzt der Fall, dass es doch möglich wäre, welche Konsequenz hätte dieses Klonen, wenn zwar die „Hardware“ exakt kopiert und damit nicht unterscheidbar, deren Nutzung als Denkleistung notwendigerweise jedoch verschieden wäre? 

Letztere ist definitiv substratunabhängig und wird von der unausweichlich anderen Umgebung (da die beiden Gehirne nicht den selben Platz einnehmen können) unterschiedlich kausal beeinflusst. Zudem ist Denkleistung als neuronaler Prozess ein quantenmechanisches Ereignis.

Somit sind zwar prinzipiell zwei ununterscheidbare Quantenobjekte hinsichtlich ihrer Gleichartigkeit, bezogen auf ihre Kardinalität, sehr wohl jedoch unterscheidbare Objekte, was deren individuelle Ordinalität anbelangt, welche durch verschieden ablaufende Quantenprozesse (Denken) gegeben ist. 

Auf Teilchenebene herunter gebrochen, hat man es mit verschiedenen Umgebungen hinsichtlich der Dekohärenz von Quantenzuständen zu tun. Beide, obgleich geklonten Gehirne haben ihre jeweils eigene Individualität und verletzen somit das Leibniz-Prinzip der Identität des Ununterscheidbaren (PIU bezogen auf die Kardinalität).

Es gilt also: „No entity without identity“ (Quine).


Soweit mein Verständnis zu diesem Thema und für den Augenblick.


Bester Gruß an Dich und in die Runde! - Karl