Am 18.03.2023 um 18:15 schrieb Joseph Hipp über PhilWeb <philweb@lists.philo.at>:

Nun schreibe ich mal lapidar: Eine Eins für Mathematik, eine Sechs für die Umgangssprache. Weil hier die Mathematik so gut weg kommt, hat sich mir die Frage gestellt, ob ihr dieser hohe Platz auch gebührt. Ich suchte nach Erfindungen und Entdeckungen, fragte mich jeweils, wie viel Mathematik dazu erforderlich war, stieß dann auf das Wort Kreativität, zu dem in der englischen Wikipedia doppelt so viel geschrieben steht (für die Anglomanen?) als in der D-W. In all diesen Stellen befand sich das Wort Mathematik meist nur nebenbei, wenn überhaupt. Sprache musste ja nicht vorkommen, denn diese wird überall vorausgesetzt. Die französische Wikipedia spricht jedoch von der "creativite mathematique" als Teilbereich der Kreativität. 

Hi JH, 

ich schrieb nicht nur von Mathematik, sondern auch von Technik. Dazu frage ich Dich, welche Erfindung ohne beide auskam? Bis ins 19. Jahrhundert hinein dominierte die mit dem Faustkeil begonnene Technik, danach die mit dem Zählen begonnene Mathematik. Es waren hauptsächlich Thermodynamik, Elektrodynamik, Quantenmechanik und Relativitätstheorie, die die neueren Erfindungen ermöglichten und ihr Potential reicht noch für Jahrhunderte. Denk nur einmal daran, welche Rolle die Mathematik in den jeweiligen Theorien spielte und welche Technologien sie ermöglichten, die bspw. zur Halbleiter- und Satellitentechnik führten, die bspw. weltweit im Smartphone mit GPS genutzt werden.   

Aber ebenso wie es bei der Umgangssprache nicht nur auf den Alltag ankommt, sie vielmehr auch kunstvolle Literatur ermöglicht, ist es bei der Mathematik die faszinierende Strukturvielfalt, die aus den Zahlen heraus entwickelt werden kann. Die vier wesentlichen oben genannten Theorien wurden wesentlich durch die Mathematik voran gebracht. Denk dabei nur einmal an die Rolle der Forscher: Clausius und Boltzmann in der Thermodynamik, Gauss, Maxwell und Einstein in der Elektrodynamik, Newton, Riemann und Einstein in der Gravitationstheorie, Einstein, Hilbert, Weyl, von Neumann, Heisenberg und Schrödinger in der Quantentheorie. Und versuch einmal zu erahnen, was das Quantencomputing mit bspw. quantenvernetzten Quantencomputern ermöglichen wird? 

 
Mir geht es jedoch um die Frage, wie sehr Mathematik zu den jeweiligen Fortschritten im Denken und Erfinden beitrug. Wie viel Mathematik bedurfte es für die Herstellung der ersten einfachen Werkzeuge? War für die Erfindung des Rads Mathematik erforderlich? Und genau diese Frage würde sich für alle Erfindungen, auch nur gedachte, in der Hilfsmittelherstellung und vielem anderen stellen. Dann käme die Frage, inwieweit Mathematik notgedrungen nur gezwungenermaßen einzusetzen war, und andere Beschäftigungen meist beliebter waren. Sie sind es auch jetzt noch. Eine weitere Frage wäre, wie viel Mathematik eine Person überhaupt braucht, um sagen zu dürfen, dass sie korrekt lebt? Die selbe Frage stellt sich auch mit dem Denken von Geistigem, je nach Definition von Geistigem. Wäre es dann nicht interessant zu erfahren, wie viel Geistigkeit es für Mathematik bedarf, und umgekehrt? Denn ich habe nicht genügend von beidem, um darauf eine Antwort zu geben. Eine Frage, die noch schwerer zu beantworten wäre; Was hat Mathematik in der Geschichte alles verursacht bzw. mit verursacht? Papiergeld? Kriegsgeräte? Wie viele Mathematik-Kenntnisse bedarf es für erlaubte oder unerlaubte Betrügereien? Wie viel schlimmer wurden die Kriege durch Mathematik? (Ich nutze bei der Anwendung des Wissens um Kausalität, dass der vorherige Zeitpunkt bzw. ein Glied in der multikausalen Kette bzw. Masche gewählt werden kann. Einige sagen: Der zweite Krieg wurde vom ersten verursacht, wobei dann viel übersprungen wird).

Dass den Wissenschaftlern gerne die Schuld für das eigene politische Versagen vorgeworfen wird, ist bekannt und wir hatten es auch hier wiederholt thematisiert. Profitgier und Machtstreben sind es mit Zustimmung oder Drangsalierung der Mehrheiten, die die Menschheit ruinieren. Hinsichtlich der Geistigkeit beziehe ich mich auf die menschlichen Kognitionen, wie sie sich bspw. im literarischen, musikalischen und mathematischen Geist zeigen. An Definitionen kannst Du Dich versuchen. Auf Worte kommt es mir bekanntermaßen nicht an. 


Es geht "den Menschen" um das Überleben, jedoch viel mehr um das Besserleben als der Nachbar.

Ja, nach Woody Allen grassieren chronische Unzufriedenheit und spießiger Stumpfsinn unter den Menschen weltweit, aber einige profitieren von heiterer Gelassenheit und wohltuender Genügsamkeit durch Literatur, Musik und Mathematik. Aber nur Technik und Mathematik weisen über den menschlichen Horizont hinaus. Und so schließe ich einen Hinweis zu den causal sets an, die Karl wiederholt erwähnt hat und nach denen RF gerade fragte. Auf dem Weg zur Quantengravitation bilden die Mengen mit kausaler Ordnungsrelation eine Grundlegung neben vielen anderen. In dem Buch "Out of Nowhere: The Emergence of Spacetime in Quantum Theories of Gravity“ wird nach einem populistischen Aufmacher auch über die Quantengravitation philosophiert. Seht dazu die klickbare Einleitung unter:


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