Allein von da her gesehen ist der
"Themenkomplex" sehr umfangreich, wie IT schreibt, ich beschäftige
mich nur mit wenigen grundlegenden Sachen und minimiere die
Wörter, die ich nutze, zusätzlich. So gesehen bin ich unfähig,
mitzumachen. Nun stelle ich doch die Frage, auf die ich keine
eindeutige Antwort insbesondere von den Mathematikern bekomme:
Sind die Sätze der Mathematik Teil der Sprache oder sind die zwei
Bereiche getrennt? Das wäre jedoch fast eine Gretchenfrage. Ist
das üblich eingesetzte klassifikatorische, logische Denken
kompatibel mit dem kausalen, das die Kladistik als Methode
bewirkt? Diese Frage ist schon genauer. Einem Kind schon
Statistik, Stochastik, Wahrscheinlichkeit beizubringen, das die
Grundformen der Mathematik nicht kennt, ist vermutlich unmöglich.
Zudem sind Wörter ziemlich am Anfang nach den ersten informellen
Äußerungen in der Ontogenese, so dass Mathematik vermutlich auf
diesen aufbaut. Womöglich ist Wörtersprache Voraussetzung, um
überhaupt Mathematik zu lernen. Ist Mathematik nicht so
hochgezüchtet, dass mit ihr genauso schwadroniert werden kann wie
mit Literatur oder Texten, die nicht einmal das Wort Literatur
verdienen? Ich will hiermit auf keinen Fall Gegnerschaft bewirken,
wünsche aber keine Sätze wie: "Es ist A, es ist auch B", "all is
literature", "all is information", und "all est Rätsel", warum
nicht auf chinesisch? Eine weitere Frage bei mir ist: "Ist
Informationstheorie Mathematik, Teil der Mathematik, oder was ganz
Unabhängiges?
Hi JH,
nach Heydenreich wäre die Frage systematisch, historisch und textuell zu beantworten. Textuell wäre mit den Originalarbeiten zu beginnen, historisch in der Antike und systematisch mit Lehrbüchern. Informationstheorie kann also zur Mathematik gehören oder was ganz Unabhängiges in der Handlungstheorie sein. Womit Kinder anfangen und ich mich noch erinnere, ist das nachahmende Sprechen und Zählen, sind Schriftübungen mit Buchstaben und Ziffern. Ontogenetisch primär ist die gemeinsame Handlungspraxis.
Sätze der Sprache und der Mathematik sind aus der Handlungspraxis hervorgegangen, gleichwohl halte ich sie für so getrennt wie Grammatik und Logik. Beiden gemeinsam ist das Regelbefolgen, das sich aber einmal auf Wörter, das andere Mal auf Zahlen bezieht. Es bleiben die Unterschiede der Handlungspraxen. Schriftsteller jonglieren mit Worten und Sätzen, Mathematiker mit Termen und Gleichungen. Da Sätze lediglich der Grammatik zu genügen haben, kann mit ihnen grenzenlos unsinnig geschwafelt werden, mit Gleichungen dagegen weniger, da sie stets der wesentlich einschränkenderen Logik in den Beweisen zu genügen haben.
> ...
Erkenntnismittel Mathematik
ob Erkenntnis...
oder ... mittel ist fragwürdig.
Im Anschluss an Dirac wie überhaupt in den quantitativen Wissenschaften scheint mir das offensichtlich und nicht fragwürdig. Aber insofern die Mathematik alltäglich wird, wie bspw. in den Suchalgorithmen des Internets, bietet sie nicht nur Erkenntniswert, sondern manipuliert auch. Aber hilft dagegen nicht gerade mathematische Bildung? Ist es nicht besser, den Gegner zu kennen, wenn er bekämpft werden soll?
> The aim of science is to make difficult things
understandable in a simpler way
dieser Satz ist fragwürdig
Die Mathematik ermöglicht es, in der Physik aus wenigen einfachen Prinzipien weitreichende Folgerungen zu ziehen. Dirac begeisterte die Einfachheit seiner Elektronengleichung im Vergleich mit der unendlichen Vielfalt ihrer Lösungen für die elektronischen Erscheinungen.
> the aim of poetry is to state simple things in
an incomprehensible way.
dieser auch
So erschien es Dirac bspw. im Vergleich seiner Elektronengleichung mit der Göttlichen Komödie. Was für ein Brimborium Dante dabei ausschmückt in seiner Sehnsucht nach Beatrice!? Ist der gefühlte Zustand der Verliebtheit nicht vergleichsweise einfach?
> The two are incompatible.
Stimmt das?
Dirac sah das so und ich in Bezug auf die unterschiedlichen Handlungspraxen (siehe oben).
> Dath diese Haltung Dirac’s mit den Worten: „In
der Physik versuchen wir, etwas, was vorher niemand gewußt hat,
mit Zeichen zu sagen, die jeder versteht.
Zumindest im Prinzip; denn die Mathematik ist weltumspannend gleich und heutzutage jedem zugänglich. Dirac’s Gleichung gilt überall auf der Welt in gleicher Weise, egal auf welchem Erdteil und in welcher Zivilisation. Mathematik verbindet Menschen, Umgangssprachen trennen sie.
>In der Dichtung ist es genau umgekehrt.
das stimmt offensichtlich nicht. Denn der gute
Literat platziert die Wörter aus seinem Wörterkorpus so perfekt,
dass jeder die geschriebene Sache danach "vor sich hat".
Gefühle und Empfindungen sind unmittelbar nur jedem Menschen selbst zugänglich. Wie Literaten ihre Gefühle und Empfindungen versprachlichen, kommt meinen bspw. nur mehr oder weniger nahe oder ist ihnen ähnlich. Texte bleiben vage und sind endlos interpretierbar. Nichts ist perfekt, auch der beste Literat nicht und Worte bedeuten doch bloß das, was wir in sie hineinlegen. Entsprechend vielfältig und situationsabhängig ist es auch, was ich mir beim Lesen vorstelle.
> das Inkompatible durch „Interformation“
kompatibel zu machen
Es ist fragwürdig, ob es zusätzliche Wörter "etwas
bringen", wo die Grundlagen nicht vorhanden sind.
„Interformation“ führt Aura Heydenreich ein in Band 9: „Literatur und Naturwissenschaft: Interformation und epistemische Transformation“. Darin schreibt sie: „Die Interformation wird als derjenige semio-logische Prozess zu beschreiben sein, der die Schnittstellen zwischen den verschiedenen Sphären der diskursiven Praxis sichtbar macht. Die Regeln, nach denen an diesen Grenzorten Bedeutung entsteht, stehen nicht von vornherein fest, denn sie werden selbst zum Gegenstand komplexer semio-logischer Aushandlungsprozesse. Den ‚Grenzort‘ nenne ich transdiskursive Kontaktzone.“ Eine derartige Kontaktzone bildet auch philweb, in dem wir regelmäßig aneinander vorbei schreiben, weil wir selten gemeinsame Bedeutungen herstellen.
> Einen Übergang zwischen beiden Bereichen bildet
zumindest die formale Logik.
Das würde mich aber sehr wundern.
Das wundert mich wiederum; denn aus der Umgangssprache heraus hat Lorenzen bspw. die Dialogische Logik entwickelt, die formalisiert mit der konstruktiven mathematischen Logik zusammenhält. Sind damit nicht eine mathematische- und eine Alltagspraxis ineinander transformierbar?
IT