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Am 08.10.2025 um 08:16 schrieb Ingo Tessmann über PhilWeb <philweb@lists.philo.at>:




Am 07.10.2025 um 23:35 schrieb Karl Janssen über PhilWeb <philweb@lists.philo.at>:

Alles schon zigmal erörtert hier! Was mir zuletzt nun die ehrenhafte Bezeichnung eines „Metaphysikers“ einbrachte. Nicht verwunderlich eben von jenen, die über das Messbare, Abzählbare dieser Lebenswelt nicht hinaus zu denken vermögen. Ob nun Teilchen oder daraus konstituierte Felder als sog. Buildingblocks allen Seins zu sehen sind, es bedarf dem Akt und der Form (causa formalis) zum Werden der Welt und allen Lebens. 

Hi KJ, 

und wieder reagierst Du emotional auf meine neutral formulierten Fragen zu Deiner und RFs Wahrheitsauffassung. Mathematisch denke ich sehr „weit über das Messbare, Abzählbare dieser Lebenswelt“ hinaus, ergehe mich aber nicht in Begriffslyrik und verschreibe mich nicht philosophischen Traditionen. Was soll denn mit dem „Akt und der Form (causa formalis) zum Werden der Welt und allen Lebens“ gemeint sein? Warum soll die „causa formalis“ des Aristoteles nicht rational als Struktur aus sich selbst heraus verstanden werden können, wofür es ja unzählige mathematische und physikalische Selbskonsistenz-Modelle gibt? 


Emotional zu reagieren entspringt wohl einer zutiefst menschliche Gefühlsregung, die sich - offenbar auch stark vom Charakter einer Person abhängig - als Ausdruck von diversen psychischen , bzw. physiologischen Empfindungen zeigt. Vielleicht trifft hier, bezogen auf meine gezeigte Reaktion, der im englischen Sprachgebrauch übliche Begriff „Arousal“ eher für ein gewisses Maß an neuronalem Aktivierungspotential zu als eben Emotion. Verständlich, wenngleich nicht unbedingt akzeptabel, wenn man unsere bisweilen diametral entgegengesetzte Sicht auf  „Gott und Welt“ in Betracht zieht.



Was über die Physis dieser Welt hinausreicht, ist ursprünglich eben als „ta metà ta physiká“ und in nachfolgend lateinischer Tradition „Metaphysik“ benannt worden. Hier nun abschätzig als Metaphysiker bezeichnet zu werden, zeugt mir von eklatanter Deprivation bezüglich einer ganzheitlichen Weltsicht.

Ich hatte Dich nicht abschätzig sondern neutral als Metaphysiker bezeichnet, der Du offensichtlich auch bist, aber natürlich nicht nur, wie ich mit Verweis auf unsere geteilte MINT-Basis hervorhob. Eine ganzheitliche Weltsicht erschöpft sich nicht im ausufernden Lebensgefühl, ist vielmehr auch rational kosmologisch auszugestalten. 

Es ist ja nun wirklich interessant: Wir beide diskutieren hier im Forum nahezu seit Anbeginn zu allen möglichen Themen, wobei wir uns im MINT-Sektor überwiegend in kongruenten Sichtweisen bewegen, definitiv nicht jedoch im geisteswissenschaftlichen Metier. Und hier liegt das Problem offenbar darin begründet, dass ich durch mein Studium der Philosophie (neben Psychologie und SoWi) eben mit den von Dir erwähnten philosophischen Traditionen „groß geworden“ bin, deren Grundpositionen auch jene des Idealismus waren. 


Metier - im eigentlichen Wortsinn eher ein handwerkliches, denn ein philosophisches Betätigungsfeld. Es war die sog. Kulturphilosophie, die mit der großen gesellschaftlichen und politischen Wende im Übergang des 19. zum 20, Jahrhunderts Abstand von traditionellen geisteswissenschaftlichen Auffassungen nahm und diese Distanz mit spezifischen Kulturtheorien abseits der klassischen Philosophie zum Ausdruck brachte.


Die philosophische Reflexion kultureller Phänomene mit ihrem deutlich erkennbaren Abstand zu traditionellen Denkmustern ging einher mit entsprechenden gesellschaftlichen und politischen Veränderungen. Dennoch verlieren die klassischen Grundmuster der Philosophie nicht ihre Gültigkeit, warum sollte man diese vernachlässigen oder gar ignorieren. So etwa Platons Ideenlehre als eine durchaus eingängige philosophische Konzeption, wonach eben Ideen als überempirische autonome Entitäten existieren und demzufolge die empirisch wahrnehmbare, resp. mess- und abzählbare Lebenswelt transzendieren. 


Selbstredend scheiden sich hier die Geister, beispielsweise eben an Platons Ideen. Seien sie nun intuitiven oder inspirativen Ursprungs, sie sind hinsichtlich ihrer philosophischen Bedeutung aus dem Begriff der idéa hervorgegangen. Und hier vereint sich Historie mit Neuzeit, denn auch heute hat der Begriff der Idee durchaus mit Vorstellungen der altgriechischen idéa im Sinne von modellhafter Konzeption zu tun und eben nichts mit „Begriffslyrik“ traditionell philosophischer Denkmodelle.


KJ