Am 06.07.2022 um 02:40 schrieb K. Janssen <janssen.kja@online.de>:

Die gesellschaftliche Entwicklung der letzten Jahrzehnte hat jedoch eine Neuausrichtung erfahren, indem jegliche Transzendenz aus der Welt verbannt wurde. Für weite Teile der Bevölkerungsschichten verlagert sich damit Verantwortung auf das eigene Denken und Handeln und ich glaube sagen zu können, dass dieser Verantwortung weitestgehend nicht entsprochen wird bzw. garnicht entsprochen werden kann. Das wusste oder ahnte  Jonas und suchte nach einem neuen Absoluten, gewissermaßen als Ersatz für die verdrängte Transzendenz. Doch wie kann man Absolutes in diese Lebenswelt bringen wollen, wo irdische Welt per se kein Absolutes bergen kann? Vermutlich deshalb setzte Jonas dafür die Natur als Absolutes in ihrer ureigensten Wertigkeit. Dieses "Eigentliche" sei nicht länger im Ewigen, sondern im Vergänglichen zu sehen, war seine These.


Hi Karl, 

Du beklagst den Verlust an Transzendenz. Das Verschwinden esoterischer, spiritueller oder religiöser Transzendenz sähe ich als Gewinn. Das habe ich wohlweislich im Konjunktiv formuliert, denn weltweit gesehen wird Transzendenz nicht verbannt, sie nimmt zu und gerade wieder wird in der Ukraine ein „heiliger" Krieg geführt. Für ebenso abwegig wie das Festhalten an überhöhter Transzendenz halte ich jegliche Verabsolutierung. Die Natur bedarf ihrer so wenig wie uns. Wir werden uns wahrscheinlich mit vielen anderen Lebewesen auf der Erde selbst ausrotten, aber die Natur wird einfach weiter evolvieren. Unser Thema war aber nicht Verantwortung, sondern Information. 

Mein Verständnis von Transzendenz folgt eher dem Spruch Adornos: „Der Immanenz ist die Transzendenz immanent.“ Auf das methodisch angeleitete Überschreiten kommt es an. Die Natur vollbringt es von selbst, Menschen müssen immer wieder dazu ermuntert werden. Darauf wollte ich mit meinem Hinweis auf den Streit zwischen Ropohl und Janich hinaus, ihn methodisch zu überwinden, auch über sein nachrichtentechnisches Verständnis hinaus. Anstatt Information substantiell verabsolutieren zu wollen, ist sie zunächst in vielfältiger Weise nachvollziehbar zu abstrahieren, um dann zu schauen, wie sie vereinheitlicht werden könnte. Ansonsten bleibt das viele Geschreibe von Information Ideologie oder bloß eine Mode.  

Rainer Hammwöhner von der Uni Regensburg schreibt im Fazit zu seinen „Überlegungen zum Informationsbegriff“:

 
„Der Vorschlag von Janich bietet ein überzeugendes Instrumentarium zur Klärung problematischer Begriffe der Informationswissenschaften (Informatik, Informationswissenschaft, aber auch Kommunikationswissenschaft, Sprachwissenschaft und Psychologie). Wenn die Praxis der Informationswissenschaft ohnehin diesen Vorgaben entspricht, umso besser. Schaut man nicht nur auf den eigentlichen Informationsbegriff sondern darüber hinaus (Daten, Wissen usw.) so ist im Verhältnis dieser Begriffe noch einiges zu tun. Daten müsste man z.B. nicht mehr als eine irgendwie geartete syntaktische Schwundstufe von Information auffassen, sondern könnte sie als nach zweckrationalen Prinzipien konstruierte Repräsentationen von Information beschreiben. Für sich genommen sind sie bloße Form, Information ohne Geltungsanspruch. Letzterer wird erst in der Verwendung der Daten durch Menschen wieder erhoben. Der Artikel von Janich definiert einen Begriff, ein umfassenderes Programm zur Definition angeschlossener unpräziser Begriffe wäre daraus zu entwickeln. Dies ist eine Aufgabe, die die Informationswissenschaftler nicht allein den Philosophen — oder gar den Physikern oder Informatikern — überlassen sollten.“ 

Rafael Capurro kam bereits 1978 in seiner Dissertation „Information. Ein Beitrag zur etymologischen und ideengeschichtlichen Begründung des Informationsbegriffs“ zu dem Ergebnis: „Die gesamte Bedeutungsentwicklung des Informationsbegriffs in ihrer Einheit und Vielfalt begriffen belegt die These, daß Information als  l o g i s c h e  K a t e g o r i e  aufzufassen ist. Diese logische Bestimmung des Informationsbegriffs ist aber wiederum keine „absolute“, sondern eine im jeweiligen Wirklichkeitsbereich spezifisch auszulegende Bestimmung“:  


Wir schreiben hier in der Liste seit über 25 Jahren immer wieder über Information — und  offensichtlich nach wie vor aneinander vorbei. Die Kontrahenten Janich und Ropohl waren bereits weiter gekommen. Solange nicht ernsthaft versucht wird, anstatt dogmatisch und ideologisch einmal vereinheitlichend und nachvollziehbar über Information zu schreiben, wird sich das wohl nicht ändern — und mich langweilt das. Vereinheitlichende Ansätze zum Verständnis von Information gibt es in der Wahrscheinlichkeitstheorie, in der Situationstheorie, in Flückigers Beiträgen zur Entwicklung eines vereinheitlichten Informations-Begriffs, in Beviers Informationsmathematik oder bspw. in der Prozessauffassung von Information: 



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