Am 02.04.24 um 14:14 schrieb Ingo Tessmann über PhilWeb:
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auf die Frage: Sind die Sätze der Mathematik Teil der Sprache oder sind die zwei Bereiche getrennt? Das wäre jedoch fast eine Gretchenfrage. Oder war das nicht die Frage?

> nach Heydenreich wäre die Frage systematisch, historisch und textuell zu beantworten. Textuell wäre mit den Originalarbeiten zu beginnen, historisch in der Antike und systematisch mit Lehrbüchern.

Ungenau gedacht und auch verstanden, denke ich. Das ist ein Programm für Intellektuelle, die das können und wollen. Das Ergebnis wäre vermutlich erfreulich. Klein kariert geht auch, und zwar kleine Teile herstellen, dort wo sie sich ergeben, statt von oben herab das Wissen zu organisieren. Neues und altes Wissen fügt sich "von selbst" in den Wissensbaum ein. So darf ich denken, und "schön wär's".
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Die Frage: "Ist das üblich eingesetzte klassifikatorische, logische Denken kompatibel mit dem kausalen, das die Kladistik als Methode bewirkt? Diese Frage ist schon genauer."

beantwortete IT nicht, vermutlich weil jeder andere Bereiche auf der Tagesordnung hat. Das ist ok.
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Auf die Frage:
"Ist Informationstheorie Mathematik, Teil der Mathematik, oder was ganz Unabhängiges?"

ist die Antwort des IT:

> Informationstheorie kann also zur Mathematik gehören oder was ganz Unabhängiges in der Handlungstheorie sein.

nicht sehr informativ.

Weil sich mir zur Zeit die Frage stellt, ob es ein Mehr an Beschreibung mit dem Wort "Erklärung" gibt, stelle ich diese "dummen" Fragen. Ich finde vermutlich heraus, dass es nur "Schreibung" gibt, die mit dem Wort "Beschreibung" gekürt werden kann, wenn sie passt. "Erklärung" wäre einen höhere oder anders gesagt potenzierte Schreibung/Beschreibung. Ich schreibe dazu, kann es noch nicht vorlegen, weil es meinen Ansprüchen noch nicht insgesamt entspricht.
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Auf den Vorspann von mir:
Einem Kind schon Statistik, Stochastik, Wahrscheinlichkeit beizubringen, das die Grundformen der Mathematik nicht kennt, ist vermutlich unmöglich. Zudem sind Wörter ziemlich am Anfang nach den ersten informellen Äußerungen in der Ontogenese, so dass Mathematik vermutlich auf diesen aufbaut. Womöglich ist Wörtersprache Voraussetzung, um überhaupt Mathematik zu lernen.

schrieb IT:
> Womit Kinder anfangen und ich mich noch erinnere, ist das nachahmende Sprechen und Zählen, sind Schriftübungen mit Buchstaben und Ziffern. Ontogenetisch primär ist die gemeinsame Handlungspraxis.   

Ja, aber es ist keine genaue Antwort. Zudem ist das Wort "Handlungspraxis" nur von wenigen Autoren benutzt, so dass nicht auf bestehende Deutungen oder gar mehrdeutige Deutungen zurück gegriffen werden kann. Lässt das was z.B. Jean Piaget herausfand, sich mit dem Wort "Handlungspraxis" grob beschreiben?
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IT
> Sätze der Sprache und der Mathematik sind aus der Handlungspraxis hervorgegangen, gleichwohl halte ich sie für so getrennt wie Grammatik und Logik. Beiden gemeinsam ist das Regelbefolgen, das sich aber einmal auf Wörter, das andere Mal auf Zahlen bezieht. Es bleiben die Unterschiede der Handlungspraxen. Schriftsteller jonglieren mit Worten und Sätzen, Mathematiker mit Termen und Gleichungen. Da Sätze lediglich der Grammatik zu genügen haben, kann mit ihnen grenzenlos unsinnig geschwafelt werden, mit Gleichungen dagegen weniger, da sie stets der wesentlich einschränkenderen Logik in den Beweisen zu genügen haben.    
      
Das ist durchaus interessant zu lesen, im Ablauf teils passend, teils nicht, insgesamt eher passend. Eine kleine Sache: Wenn das Regelbefolgen als separate Sache angesehen wird, wenn es separat gelernt wird, kann es stark werden. Aus dieser Stärke heraus wirkt es auf die Sachen (egal ob als Grammatik oder Logik), dann bedarf es nicht zusätzlich noch eines Befolgens durch die Person, so als wäre da ein kleiner Homunkulus im Kopf, der die Regeln diktieren würde, und die Person, die sie befolgt. Dass Grammatik wie Logik gelernt werden ist offensichtlich. Wie, von wo her sie stark werden, ist eine andere Frage. Das Wort "Handlungspraxis" hilft nicht oder nicht viel zur Beschreibung.

Zu den weiteren Sätzen kann ich aus Zeitgründen nichts schreiben.
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> ... Erkenntnismittel Mathematik
ob Erkenntnis... oder ... mittel ist fragwürdig.

Im Anschluss an Dirac wie überhaupt in den quantitativen Wissenschaften scheint mir das offensichtlich und nicht fragwürdig. Aber insofern die Mathematik alltäglich wird, wie bspw. in den Suchalgorithmen des Internets, bietet sie nicht nur Erkenntniswert, sondern manipuliert auch. Aber hilft dagegen nicht gerade mathematische Bildung? Ist es nicht besser, den Gegner zu kennen, wenn er bekämpft werden soll?

Im Kratylos-Dialog ging es um die Frage, ob das Bild des Malers studiert werden sollte, oder aber das, was der Maler malte. Die Antwort ging so, dass eher die Sachen erlebt und gelernt werden sollten, als die Bilder, die auf sie passen. Derzeit dachten die Diskutanten daran, dass ein Bild nicht das Innere der Sache beschreiben konnte.

Diese Antwort widerspricht nicht deiner Moral, Mathe zu lernen, nur muss der Unterschied immer mit gedacht werden.

Das Thema Manipulation gehört nicht hierher. Was nutzt es, wenn wenige Elitäre die Manipulation kraft mathematischer Kenntnisse sehen, die Manipulierten aber starblind sind?
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> The aim of science is to make difficult things understandable in a simpler way

dieser Satz ist fragwürdig

Die Mathematik ermöglicht es, in der Physik aus wenigen einfachen Prinzipien weitreichende Folgerungen zu ziehen. Dirac begeisterte die Einfachheit seiner Elektronengleichung im Vergleich mit der unendlichen Vielfalt ihrer Lösungen für die elektronischen Erscheinungen.    

Nicht "science", nicht "Mathematik", sondern die Sätze, die adäquat anerkannt wurden, nachdem die vielen "schlechten" fallen gelassen wurden, die vorher auch "in" der "science" oder "Mathematik" waren, egal ob die "Wissenschaftler" von vorher sie als Vermutungen oder Wissen ansahen.

Ist das unverständlich? Wenn ja, halte ich diese Sätze demnächst für mich, meinetwegen als Vermutungen.
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> the aim of poetry is to state simple things in an incomprehensible way. 

dieser auch

So erschien es Dirac bspw. im Vergleich seiner Elektronengleichung mit der Göttlichen Komödie. Was für ein Brimborium Dante dabei ausschmückt in seiner Sehnsucht nach Beatrice!? Ist der gefühlte Zustand der Verliebtheit nicht vergleichsweise einfach?   

Unabhängig von deinem guten Beispiel gibt es kein "aim" bei kausalen Abläufen. Das ist spätestens seit Nietzsche bekannt. Jeder kann ein anderes "aim" haben.
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> The two are incompatible.

Stimmt das?

Dirac sah das so und ich in Bezug auf die unterschiedlichen Handlungspraxen (siehe oben).

mir nicht verständlicher Bezug.
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> Dath diese Haltung Dirac’s mit den Worten: „In der Physik versuchen wir, etwas, was vorher niemand gewußt hat, mit Zeichen zu sagen, die jeder versteht.
jeder?

Zumindest im Prinzip; denn die Mathematik ist weltumspannend gleich und heutzutage jedem zugänglich. Dirac’s Gleichung gilt überall auf der Welt in gleicher Weise, egal auf welchem Erdteil und in welcher Zivilisation. Mathematik verbindet Menschen, Umgangssprachen trennen sie.  

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für das Weitere passe ich, weil die so genannten "Bedeutungen" mitsamt "Semantik" hinzu gedacht werden, so würde das entsprechende Kapitel geöffnet, was den Rahmen sprengt. Zudem, aber das nur nebenbei gesagt, habe ich ständig im Hinterkopf: Spricht hier IT, oder Dirac? Lässt IT den Dirac als seinen Diener oder als seinen Lehrer sprechen? Wird das Autoritätsargument genutzt?

Vielen Dank für das Lesen, Schreiben und die Antworten, ein Teil davon hilft mir.

JH

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Fortsetzung nur kopiert aus der Mail des IT:
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>In der Dichtung ist es genau umgekehrt.
das stimmt offensichtlich nicht. Denn der gute Literat platziert die Wörter aus seinem Wörterkorpus so perfekt, dass jeder die geschriebene Sache danach "vor sich hat".

Gefühle und Empfindungen sind unmittelbar nur jedem Menschen selbst zugänglich. Wie Literaten ihre Gefühle und Empfindungen versprachlichen, kommt meinen bspw. nur mehr oder weniger nahe oder ist ihnen ähnlich. Texte bleiben vage und sind endlos interpretierbar. Nichts ist perfekt, auch der beste Literat nicht und Worte bedeuten doch bloß das, was wir in sie hineinlegen. Entsprechend vielfältig und situationsabhängig ist es auch, was ich mir beim Lesen vorstelle.  

> das Inkompatible durch „Interformation“ kompatibel zu machen
Es ist fragwürdig, ob es zusätzliche Wörter "etwas bringen", wo die Grundlagen nicht vorhanden sind.

„Interformation“ führt Aura Heydenreich ein in Band 9: „Literatur und Naturwissenschaft: Interformation und epistemische Transformation“. Darin schreibt sie: „Die Interformation wird als derjenige semio-logische Prozess zu beschreiben sein, der die Schnittstellen zwischen den verschiedenen Sphären der diskursiven Praxis sichtbar macht. Die Regeln, nach denen an diesen Grenzorten Bedeutung entsteht, stehen nicht von vornherein fest, denn sie werden selbst zum Gegenstand komplexer semio-logischer Aushandlungsprozesse. Den ‚Grenzort‘ nenne ich transdiskursive Kontaktzone.“ Eine derartige Kontaktzone bildet auch philweb, in dem wir regelmäßig aneinander vorbei schreiben, weil wir selten gemeinsame Bedeutungen herstellen.      

> Einen Übergang zwischen beiden Bereichen bildet zumindest die formale Logik. 
Das würde mich aber sehr wundern.

Das wundert mich wiederum; denn aus der Umgangssprache heraus hat Lorenzen bspw. die Dialogische Logik entwickelt, die formalisiert mit der konstruktiven mathematischen Logik zusammenhält. Sind damit nicht eine mathematische- und eine Alltagspraxis ineinander transformierbar?    
IT
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