Moin Karl, 

Thomas versteht Geistigkeit innerhalb seiner phänomenologisch-semantischen Systemtheorie interaktionistisch als Aspekt des Stofflichen. Du siehst die Bedeutungshaftigkeit als immaterielles Agens von Geistigkeit, das der Intentionalität folgen soll. Demgegenüber residieren Gedanken im Gehirn als neuronale Repräsentationen sinnlicher Wahrnehmungen. Warum sollen diese Repräsentationen keine Intentionen und damit auch Geistigkeit hervorbringen können? 

Wird die Vagheit dieser Sätze nicht klarer, wenn Geistigkeit mit Sprachlichkeit und Denken mit innerem Reden identifiziert wird? Die den Sprechakten inhärente Intentionalität übertrüge sich auf die Gedanken und gehörte ebenso zur Geistigkeit. Sprachanalytisch und handlungstheoretisch verlöre die Geist-Stoff-Differenz ihre Schärfe. Denn das alltägliche äußere Kreisen zwischen Wahrnehmungen, Gedanken und Tätigkeiten würde verlegt auf das innere Kreisen zwischen Sensorik, Kognition und Motorik, indem die jeweiligen neuronalen Repräsentationen nur noch unter sich interagierten.       

Dieses innere Kreisen schafft Freiheit in Möglichkeitsräumen — allerdings mit der Kehrseite von Beliebigkeit. Ohne alltägliche Bewährung im äußeren Kosmos gedeihen im inneren Kosmos Träume und Phantasien ebenso wie Utopien und Ideologien, so dass intuitive Vorurteile begründete Urteile ersetzen. Ab Morgen werden wir das mit der Amtseinführung Trumps wieder verstärkt zu erleiden haben.     

IT       


Am 19.01.2025 um 01:08 schrieb Karl Janssen über PhilWeb <philweb@lists.philo.at>:

Geistigkeit in ihrer - im üblichen Sprachgebrauch vorherrschenden - Bedeutung meint, neben dem neurologisch mentalen Vermögen zu entsprechend prozessualer Gehirnfunktion, die Verfügbarkeit zu hinreichender Inferenz, also die Befähigung, jeweils sinnliche Wahrnehmungen zutreffend zu interpretieren. Selbstredend sind hier bio-chemische Prozesse im Gange, die keinesfalls als Nicht-Stofflich beschrieben sein können. Geistigkeit setzt Denken und somit Gedanken voraus. Was sind also Gedanken?

Zunächst sind sie entsprechend als erkennbare Aktivitätsmuster im Gehirn nachweisbar und residieren dort als neuronale Repräsentation. Dieser quantitative Nachweis entbehrt jedoch jeder Möglichkeit einer qualitativen Aussage hinsichtlich seiner Intentionalität, also  der Bedeutungshaftigkeit des Gedankens. 

Diese Bedeutungshaftigkeit ist somit das immaterielle Agens von Geistigkeit.

Soweit (wieder mal)  zu fortgeschrittener Stunde meine Gedanken zum Gedanken, solchermaßen als frei erklärt, weil man sie glücklicherweise hinsichtlicher ihrer Intensionalität nicht lesen kann, somit ein immaterielles Grundelement der menschlichen Wesenheit sind.

Bester Gruß an Dich und in die Runde! - Karl

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