Am 23.03.2023 um 23:48 schrieb Karl Janssen über PhilWeb <philweb@lists.philo.at>:

… Kritik richtet sich vornehmlich gegen die aristotelische Metaphysik. Wie weltanschaulich engstirnig diese Kritik angelegt ist, sollte sich jedem zeigen, der z.B. aus Aristoteles’ philosophischem Klassiker „Nikomachische Ethik – die menschlichen Gemeinschaften“ gelesen hat oder dieses nun unternimmt. Ein vergleichsweise kurzer Blick in dieses Werk zeigt, wie zeitgemäß darin das Wesen des Menschen und seine Rolle in der Gemeinschaft beschrieben ist. Entweder schicke ich hier meine (immer noch vorhandenen) Studienskripten in die Runde, oder Interessierte lesen dazu hier:

http://www.zeno.org/Philosophie/M/Aristoteles/Nikomachische+Ethik/III.+Teil.+Die+menschlichen+Gemeinschaften

Man muss das „Zeug“ nicht studiert haben, um zu erkennen, dass sich trotz aller kulturellen, technologischen Entwicklungen eben diese Grundfragen, sowie auch bestimmte Wesensmerkmale des Menschen nicht verändert haben. 



Moin Karl, 

wie schon wiederholt angemerkt, hatte Aurel „die menschlichen Gemeinschaften“ kürzer zu charakterisieren vermocht: „Die Menschen sind für einander geboren. So lehre oder dulde, die's nicht wissen.“ In Mathematik und Physik werden im nachmetaphysischen Zeitalter Horizonte erweitert, warum nicht auch in der Philosophie? Das ständige Durchkauen der Klassiker kann es nicht sein, bilden sie doch allenfalls einen Anfang, der ebenfalls systematisch möglich ist. Wie Metzinger in seinem Buch ausführt, ist Spiritualität auch säkular möglich. 

Und über Aristoteles hinaus gehend, schwebt Ann-Sophie Barwich eine geradezu empirische Philosophie vor, indem sie am Beispiel des Geruchsinns hervorhebt, dass "empirically grounded philosophical outlooks may complement scientific explanations of discordant data and conceptually clarify divergent models.“ Siehe dazu "From Molecules to Perception: Philosophical Investigations of Smell“: 

https://compass.onlinelibrary.wiley.com/doi/epdf/10.1111/phc3.12883

Ich sehe in der mathematischen wie in der empirischen Philosophie eine Verbesserung der Philosophie zu mehr Verständlichkeit und Genauigkeit. Über den Menschen und sein Glück lässt sich ohne metaphysische Schaumschlägerei und religiöse Inbrunst freier und vernünftiger philosophieren. Bedenke nur einmal den Fortgang der Verbindung zwischen Potential- und Wahrscheinlichkeitstheorie, der die metaphysische Schaumschlägerei des Aristoteles weit hinter sich ließ, beginnend 1828 mit "An Essay on the Application of mathematical Analysis to the theories of Electricity and Magnetism“, by George Green und bis 2002 nachvollzogen in "Green, Brown, and Probability“, by Cai Lai Chung. Interessanter als Aristoteles ist auch Mary Hesse’s Rückblick auf den Fortgang der Fernwirkungstheorien von 1970 in: "Forces and Fields. The concept of Action at a Distance in the history of physics“. Cramer und Kastner haben die Geschichte ja ein Stück weiter gebracht.  

IT