Da geht es im Kern also nicht um die Darlegung
unterschiedlicher Meinungen hinsichtlich Religion und Kirche
oder um das bisweilen unwiderlegbare Fehlverhalten derer
Statthalter, sondern um die pauschalierende Diskriminierung des
Christentums und insbesondere die Forderung nach seiner
Vernichtung, die Waldemar zuletzt noch mit dem ELIL des Voltaire
untermauerte.
Welch anmaßende Inanspruchnahme der Autorität des großen
Aufklärers Voltaire und dessen Forderung „Ecrasez l`Infâme!“,
die ja in einem ganz anderen Kontext von Religionskritik steht,
nämlich einer zurecht erfolgten Fundamentalkritik an der zu
dieser Zeit alles beherrschenden klerikalen Clique.
Wenn man schon, wie Waldemar es hier betreibt, sich auf die
Autorität eines Voltaire beruft, der ihm als Feind der Religion,
resp. Kirche und somit als „Weggefährte“ erscheint, sollte man
die tatsächlichen Hinter-, bzw. Beweggründe dieses großen
Denkers bedacht und verstanden haben.
Voltaire war eben nicht von blinder, polemischer Kritik gegen
Religion und Kirche besessen. Er war kein Atheist und ist daher
eben kein geistiger „Weggefährte“ derer, die sich als solche
bekennen und von dieser Warte aus undurchdachte oder auch
polemische Kritik an Religion und den daran geknüpften
Gesellschaftsformen üben.
Voltaire war es daran gelegen, Religion in ihrer genuinen
Bedeutung den Menschen nahezubringen. Die hierzu tauglichen
Methoden sowie das elementare Grundverständnis von Religion und
Christentum hat man ihm im Jesuiten-Kolleg beigebracht, von
deren untauglichen Denkmustern (der Jesuiten) er sich
emanzipiert hat und diesbezügliche „Scheuklappen“ sich gar nicht
erst verpassen ließ, sehr wohl jedoch Lehrinhalte aus deren
herausragendem Bildungsrepertoire, wozu er durch exzellente
Intelligenz befähigt war.
Voltaire war definitiv kein Gegner der Religion, sondern
wirkte vielmehr als Erneuerer des christlichen Glaubens. Das
wollten und konnten jene Vertreter der herrschenden klerikalen
Machtelite dieser Zeit nicht zulassen und erklärten ihn daher
zum Feind und verfolgten ihn unablässig. Doch sie konnten „ihm
das Wasser nicht reichen“.
Voltaire legte in seinem „Philosophischen Wörterbuch“ seine
eben vornehmlich philosophisch angelegte Glaubensüberzeugung in
einer Weise dar, dass sie entlarvend den zu dieser (wie
bedauerlicherweise bis in die heutige) Zeit überkommenen,
tradierten orthodoxen Glaubensauffassungen der Kirche entgegen
standen.
Die Beschäftigung mit Voltaires Schriftgut hat mir u.a.
geholfen, das mir ursprünglich aufgeprägte anthropomorphe
Gottesbild aufzugeben, was für einen Christen kein Leichtes ist,
da sich die Vorstellung der - dem eines menschlichen Herrschers
gleich - zugedachten Attribute von Allmacht, Weisheit, Güte aber
auch von Zorn und Rache bei Fehlverhalten tief in die
menschliche Psyche eingeprägt hat.
So ist Voltaires grandios abgefasste Prosa dazu angetan, im
Denken der Menschen den kritischen Geist anzuregen, um
insbesondere ein bis heute zeitgemässes Verständnis von
Religion/Christentum und individuellem Glauben, resp. eine
diesbezügliche Überzeugung zu entwickeln, vor allem aber die
Abkehr von tradierten, nicht mehr haltbaren Gottesbildern zu
ermöglichen.