Am 04.07.2024 um 16:43 schrieb Karl Janssen über PhilWeb:
Da geht es im Kern also nicht um die Darlegung unterschiedlicher Meinungen hinsichtlich Religion und Kirche oder um das bisweilen unwiderlegbare Fehlverhalten derer Statthalter, sondern um die pauschalierende Diskriminierung des Christentums und insbesondere die Forderung nach seiner Vernichtung, die Waldemar zuletzt noch mit dem ELIL des Voltaire untermauerte. 

Welch anmaßende Inanspruchnahme der Autorität des großen Aufklärers Voltaire und dessen Forderung „Ecrasez l`Infâme!“, die ja in einem ganz anderen Kontext von Religionskritik steht, nämlich einer zurecht erfolgten Fundamentalkritik an der zu dieser Zeit alles beherrschenden klerikalen Clique. 

Wenn man schon, wie Waldemar es hier betreibt, sich auf die Autorität eines Voltaire beruft, der ihm als Feind der Religion, resp. Kirche und somit als „Weggefährte“ erscheint, sollte man die tatsächlichen Hinter-, bzw. Beweggründe dieses großen Denkers bedacht und verstanden haben.

Voltaire war eben nicht von blinder, polemischer Kritik gegen Religion und Kirche besessen. Er war kein Atheist und ist daher eben kein geistiger „Weggefährte“ derer, die sich als solche bekennen und von dieser Warte aus undurchdachte oder auch polemische Kritik an Religion und den daran geknüpften Gesellschaftsformen üben.

Voltaire war es daran gelegen, Religion in ihrer genuinen Bedeutung den Menschen nahezubringen. Die hierzu tauglichen Methoden sowie das elementare Grundverständnis von Religion und Christentum hat man ihm im Jesuiten-Kolleg beigebracht, von deren untauglichen Denkmustern (der Jesuiten)  er sich emanzipiert hat und diesbezügliche „Scheuklappen“ sich gar nicht erst verpassen ließ, sehr wohl jedoch Lehrinhalte aus deren herausragendem Bildungsrepertoire, wozu er durch exzellente Intelligenz befähigt war.

Voltaire war definitiv kein Gegner der Religion, sondern wirkte vielmehr als Erneuerer des christlichen Glaubens. Das wollten und konnten jene Vertreter der herrschenden klerikalen Machtelite dieser Zeit nicht zulassen und erklärten ihn daher zum Feind und verfolgten ihn unablässig. Doch sie konnten „ihm das Wasser nicht reichen“. 

Voltaire legte in seinem „Philosophischen Wörterbuch“ seine eben vornehmlich philosophisch angelegte Glaubensüberzeugung in einer Weise dar, dass sie entlarvend den zu dieser (wie bedauerlicherweise bis in die heutige) Zeit überkommenen, tradierten orthodoxen Glaubensauffassungen der Kirche entgegen standen.

Die Beschäftigung mit Voltaires Schriftgut hat mir u.a. geholfen, das mir ursprünglich aufgeprägte anthropomorphe Gottesbild aufzugeben, was für einen Christen kein Leichtes ist, da sich die Vorstellung der - dem eines menschlichen Herrschers gleich - zugedachten Attribute von Allmacht, Weisheit, Güte aber auch von Zorn und Rache bei Fehlverhalten tief in die menschliche Psyche eingeprägt hat.

So ist Voltaires grandios abgefasste Prosa dazu angetan, im Denken der Menschen den kritischen Geist anzuregen, um insbesondere ein bis heute zeitgemässes Verständnis von Religion/Christentum und individuellem Glauben, resp. eine diesbezügliche Überzeugung zu entwickeln, vor allem aber die Abkehr von tradierten, nicht mehr haltbaren Gottesbildern zu ermöglichen.


hallo karl,
du hast ja, wie hier festzustellen, sehr sehr sehr eigenwillige ansichten zu voltaire,
die ich mir hier leider ersparen muss zu kommentieren, weil ich sonst ein "riesenfass" aufmachen müsste

zu voltaires satz: "wenn es keinen gott gäbe, müsste man einen (für die masse der menschen) erfinden"
https://www.philolympics.at/assets/wettbewerb/2011/essays/daniela.pdf
heißt für dich bestimmt, voltaire hat mit diesem satz für sich seinen eigenen gottglauben zum ausdruck gebracht,
obwohl du damit die raffinesse von voltaire zum formulieren unterschätzt
"wenn gott nicht bereits erfunden wäre, müsste man ihn erfinden ..../ weil religion eben sowas wie opium zum ruhigstellen fürs volk/"

auch deine obige darstellung "voltaire + jesuiten" hinkt völlig, denn:
=> Der junge Voltaire erhält (zwar) eine humanistische (Grund)Ausbildung im Jesuitenkolleg Louis-le-Grand. Früh schon (aber) nimmt er Kontakt zu freigeistigen Zirkeln der Frühaufklärung auf. Voltaire verläßt das Jesuitenkolleg und wird Student der Rechte. Er reist nach Den Haag als Begleitung des französischen Gesandten.

auch voltaire +  gottesidee verhält sich anders, als von dir oben dargestellt:
Voltaire bekämpft nicht so sehr den Glauben an Gott, den er (damals noch!, aus heutiger biologischer sicht unrichtiger weise) als Grundlage der Moral und als Ergänzung zum Strafrecht des Staates nützlich zu finden scheint, er bekämpft aber ausnahmslos alle Offenbarungsreligionen, ihre Institutionen und Würdenträger.

wh.

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