Karl Janssen
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Am 25.04.2024 um 06:30 schrieb Claus Zimmermann über PhilWeb <philweb@lists.philo.at>:

"Das „Geheimnis des Glaubens“ ist aber auch nicht zu begreifen, es muss geglaubt werden. Hans Küng studierte Theologie in Rom, und wollte von seinem Rektor dort Beweise für die Existenz eines Gottes haben, doch er bekam sie nicht, konnte sie auch nicht bekommen, denn man machte ihm klar, dass Gott weder zu beweisen, noch zu widerlegen ist. Was also tun, wenn man Christ sein soll oder will? Einfach nur blind glauben? Längst nicht mehr mein Ding! Ich wollte immer wissen und nicht glauben müssen, bis ich begriffen habe, dass es über einen Gott kein Wissen geben kann, ansonsten er kein Gott wäre. Man kann ihn nur spüren. „Ihn“ schreibe ich und bin dennoch nicht von diesem „ihm“ überzeugt, denn eine intelligible Wesenheit ist keine reale Entität. „Kosmische Intelligenz“, diesen Begriff habe ich von Ingo T übernommen und das ausgerechnet von einem überzeugten Atheisten! Dennoch finde ich diesen Ausdruck als mir sehr eingängig, um eben diese Wesenheit einer gewissen Begrifflichkeit zuzuführen." (Karl Janssen)

Meister Eckhart sagte doch "was hilft mir der Glaube an einen ausgedachten Gott?" und dass im Prinzip jeder Mensch zu dem göttlichen Funken in ihm in Beziehung treten könnte, was aber unendlich schwer wäre. Die realistische Alternative für uns Normalos wäre vielleicht, ein liebenswerter kleiner Mensch zu werden.


Dieser Hinweis von Dir, Claus, ist wie ein Brückenbau zwischen den zuletzt, wie schon so oft hier, end- und ergebnislos diskutierten Glaubensfragen, resp. Gottesvorstellungen der herkömmlichen Art und einer Sicht auf diese Fragen, die von Meister Eckart - obgleich schon im Mittelalter behandelt – essentiell fundiert beantwortet wurden.

Diese Antwort trifft den Kern der Frage, nämlich einen zweifelhaften Glauben an etwas, wovon man keinen konkreten, d.h. direkt erfassbaren Zugriff hat, es somit eben nicht zu „begreifen“, sondern allenfalls zu erspüren ist. Womöglich hat Bonhoeffer diesen Eckart'schen Gedanken aufgegriffen, wonach er postuliert: „Den Gott, den es gibt, den gibt es nicht!“, was ja nichts anderes heißt, als man diesen menschengedachten Gott nicht als GOTT schlechthin annehmen, bzw. an einen solchen glauben kann.

Wie ich's hier schon angeführt habe, waren die griechischen Philosophen in der Sicht auf Gott und Götter schon weiter, als mancher frömmelnde Zeitgenosse: „Wenn sich die Dreiecke einen Gott denken, ist er ein Dreieck, desgleichen die Ochsen, deren Gott ein Ochse wäre und der von Menschen gedachte Gott eben ein Mensch, d.h. ein anthropomorphes Wesen. 

Das ist natürlich leicht dahergeredet von mir, denn es ist biblisch die Ebenbildlichkeit des Menschen mit der Gottesgestalt offenbart. „Und Gott schuf den Menschen zu seinem Bilde“ (Mt 19/4). Und nun? Was ist die Gottesgestalt, was ist das Bild eines Gottes? Meiner Meinung nach kann das kein Mensch wissen und daher auch nicht sagen. Einzig bleibt die Metaphorik und so ist eben die Bibel in ihrem Offenbarungscharakter zentraler Aussagen strikt metaphorisch verfasst und der damit beschriebene Mensch ist ein aus „Staub“ geschaffenes, also somit ein körperliches, stoffliches Wesen mit einer unkörperlichen Komponente, die man als immateriell Innerstes, eben als Seele benennt. 

Undenkbar, hier über den Seelenbegriff diskutieren zu wollen, denn dazu ist abertausendfach nachgedacht, geschrieben und gestrittenworden und deshalb würde ich sagen, wer sich seiner Seele, also seiner Existenz als ein von Geist beseeltes Wesen bewusst ist, braucht dieses Faktum nicht immer wieder auf's Neue hinterfragen: „Sòlo Dios basta“ und die Gewissheit, nicht blinder Glaube, dass man an dieser intelligiblen Wesenheit partizipieren kann, sofern man damit in Verbindung, d.h. in Resonanz kommen kann, resp. in der Diktion des Meister Eckart, mit dem „göttlichen Funken“ in in Beziehung treten kann.

Das bedeutet aber doch (nicht nur!) für religiöse Menschen, dass sie sich dieser Ebenbildlichkeit entsprechend verhalten sollten (etwa nach den Regeln des Dekalogs oder einfach nur nach Kants kategorischem Imperativ) und sich ihres Verstandes, ihrer Vernunft, ihres freien Willens zur guten Tat bewusst sein können und vor allem auch sollen.

Und hier hake ich jetzt ein auf Waldemars misanthropisches Menschenbild, wonach er den Menschen von Grund auf als „evolutionär fehlgeleitetes Entwicklungsprodukt“ definiert. Er selbst, als feinfühliger, durch und durch von Idealen beseelter (sic!) Mensch, verzweifelt angesichts der von Menschen angerichteten Misere, verzweifelt an Gott im Sinne der Theodizee und fragt mich zurecht, warum ich in diesem Bezug mich noch als Christ, obendrein als Katholik sehen kann, modulo meiner kritischen Bewertung überkommener Religiosität.

Das ist wirklich schwer zu beantworten, wenn überhaupt. So kann ich nur aus einer immer wieder aufscheinenden „Unordnung“ heraus eine Antwort versuchen, wenn ich mir nicht selbst andauernd widersprechen wollte. Es ist eine zuinnerst angelegte Überzeugung von der Existenz dieser intelligiblen Sphäre, die ich selbstredend (wie auch kein anderer Mensch) konkret „verorten“ kann. Es ist eine Sphäre, die womöglich in Verbindung steht mit der Vorstellung von Morphofeldern, also formgebenden Feldern, im philosophischen Denken dem „anima forma corporis“ des Aristoteles, im spekulativen Denkansatz etwa eines Rupert Sheldrake dessen morphogenetische Felder. Oder mit David Bohms impliziter Ordung (sic!), die mir persönlich am nächsten steht. Sein holistischer Denkansatz steht im Gegensatz etwa zu Waldemars Fragmentierung in „Hammelkörnchen“, die zwar als „Urstoff“ („gleitender Sand“ - wie er es nennt) die Grundlage aller biologisch evolutionären Entwicklung primordialen Charakter haben. Doch es wäre, wie hier kürzlich angeführt, ein Bau ohne Plan. Und hier scheiden sich eben die Geister: Ohne präzisen Plan, ohne Idee für die gelingende Konstruktion, als materielle Ausformung eben einer Idee kann kein zielgerichtetes Gebilde entstehen. Gegen diese Vorstellung steht Zufälligkeit, eben sich aus purem Zufall entwickelnde Ausformung der Lebenswelt. 

Mein diesbezüglicher Denkansatz ist bekanntlich die Kombination Zufall und Notwendigkeit. Selbst ein kleinster Zufall (Kohärenz) findet seine konkrete Fortsetzung in der Dekohärenz und wird nach dem Darwinschen Prinzip selektiert: Überlebe oder sterbe sogleich!

Und so ist es eben das kongeniale Zusammenspiel aus Zufall und Notwendigkeit, eine evolutionäre Dynamik, die sich erst in ihrer Ganzheit (Bohmscher Holismus) zu dem Bild formt, das Christen Schöpfung und andere als Wunder der Natur sehen und demnach benennen.

Soweit erst mal für den Augenblick. Eigentlich könnte man es als vermessen ansehen, auch nur ansatzweise eine Erklärung für diese Wunder der Natur oder eben auch die sog. Schöpfung geben zu wollen. Aber sollte man deshalb im Sinne des „Ignoramus et ignorabimus“ aufhören, über Sinn und Zweck von Leben und Welt nachzudenken und sich entsprechend auszutauschen? Mitnichten, denn ohne dieses Reflektieren, ohne Neugier, ohne Wissbegier würde die Menschheit wirklich erst in ihren „Kinderschuhen“ stecken. 

Dass man dabei nun – längst nicht alle diesbezüglich Fragenden – immer auch wieder auf metaphysische Aspekte zu sprechen kommt, liegt wohl im Wesenskern des Menschen verankert und so schließt sich dieser Kreis ein weiteres Mal.

KJ