Am 27. Juli 2024 11:11:18 MESZ schrieb "Ingo Tessmann über PhilWeb" <philweb@lists.philo.at>:
Am 26.07.2024 um 19:08 schrieb Claus Zimmermann über PhilWeb <philweb@lists.philo.at>:
Ohne Standardisierung durch Wörterbuch und Grammatik wäre Sprache nur Zungenreden, oder? Diese Seite des Ausdrucks, der nicht erklärt werden kann oder muss, behält sie aber und unterscheidet sich damit von Kunstsprachen der Logik und Mathematik, die Ingo T wegen ihrer Genauigkeit bis auf die xte Stelle hinterm Komma und Eindeutigkeit für überlegen hält. Aber sie klingen und leuchten nicht, falls man nicht in der Regelmässigkeit ihres Baus doch eine Art Schönheit findet.
Moin Claus,
Zungenreden, Gebrabbel, Gemurmel, Singsang bzw. Grimassieren, Gestikulieren, Tanz, Ekstase bezeichnen vielfältige Vorformen des Zusammenlebens. Daran anknüpfend weisen die natürlichen Sprachen eine Variabilität auf, die in den Kunstsprachen gerade vermieden werden soll. Dennoch erlangt die Mathematik einen Bedeutungsumfang, der weit über die Umgangssprache hinausreicht; denn bleibt die Umgangssprache dem menschlichen Umgang und dem Innenleben verhaftet, wird diese Selbstbezogenheit in der Mathematik gerade überwunden.
Schönheit der Umgangssprache durch Klingen und Leuchten anstatt Genauigkeit und Eindeutigkeit der Mathematik? Warum sollen nur Sätze und Texte und nicht auch Formeln und Beweise klingen und leuchten können? Hängt das nicht vom jeweiligen Interesse und von der Sensibilität ab? Wer Verständnis aufbringt und sensibel dafür ist, in dem klingt und leuchtet aus der Einstein-Gleichung die Raumzeitkrümmung aus der Materieverteilung hervor. Und aus der Dirac-Gleichung klingt und leuchtet ihm die Elektron-Positron-Annihilation heraus. Es ist die kosmische Dimension, die in der Mathematik aufscheint, während die Umgangssprache aufs Menschliche beschränkt bleibt.
Ein berauschendes Wohlgefühlt, das einem Schriftsteller beim fortschreitenden Komponieren eines Romans überkommt, wird in ähnlicher Weise einen Mathematiker beglücken, der verborgene Strukturzusammenhänge erahnt und zu beweisen vermag. Ich sehe Gemeinsamkeiten zwischen Kunst und Wissenschaft, die neben der meth. konstr. Wissenschafts- auch eine solche der Kunsttheorie ermöglichen sollte. Wahrheit und Schönheit überlappen sich schon in der Wissenschaft und ihre gemeinsame Basis haben Wissenschaft und Kunst ja in der Lebenspraxis.
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