Am 28.05.2024 um 09:09 schrieb Ingo Tessmann über PhilWeb <philweb@lists.philo.at>:


Mauern der Lebensrealität? Gemäß der Scheidungsrate scheitern um die 40% der Ehen, wieviele eheähnliche Lebensgemeinschaften oder WGs scheitern weiß ich nicht. Wahrscheinlich nicht weniger. Aber worum es mir geht, ist einfach das Ermöglichen von mehr Freiheit in den Geschlechterbeziehungen und Reproduktionsverhältnissen.  

Freiheit in den Geschlechterbeziehungen  haben wir doch bereits mehr als hinreichend, sog. binär, nonbinär, undefiniert etc. Was willst Du mit noch mehr Freiheit auf diesem Gebiet?



Der Mensch als blinder Vollstrecker der Evolution?

Blinder Vollstrecker? Ich wiederhole: worum es mir geht, ist das Ermöglichen von mehr Freiheit in den Geschlechterbeziehungen und Reproduktionsverhältnissen.

Klonen als Ausdruck von Freiheit in den Reproduktionsverhältnissen heißt für mich, dass der Mensch sich nun anmaßt,  in die seit Millionen Jahren sich durch Evolution entwickelten und durchaus bewährten Menchanismen einzugreifen. Das will gekonnt sein und eben dieses Vermögen spreche ich dem Menschen der Jetztzeit ab. Damit will ich nicht sagen, dass Forschungen, wie sie beispielsweise in der mRNA-Technik etwa zur Entwicklung von Impfstoff dienten, nicht sinnvoll sind. Die Forschenden sollten nur sicher ihres Tuns sicher sein, inwieweit sie in entwickelte Bio-Systeme eingreifen können und vor allem sollten. Du, der die Natur über alles stellt, mutest hier dem Menschen diese eigentlich nicht zu verantwortenden Eingriffe zu? In Analogie dazu haben wir doch die fallible Technikfolgenabschätzung vor Augen, die u.a. für diese Fehlentwicklungen und damit auch für die Klimaproblematik verantwortlich ist. Seinerzeit glaubte man an die fantastische Nutzbarkeit von FCKW, um mittlerweile diese fatale Fehleinschätzung mühsam wieder korrigieren zu müssen und in diesem Kontext ließen sich beliebig andere Fehlgriffe in der von Menschen betriebenen Forschung aufzeigen. Zur Erinnerung das erschütternde Beispiel von Ignoranz ist etwa der Contergan-Skandal. Tausende mißgebildete Kinder  zufolge der kriminellen Ignoranz der Firma Grünenthal, die dem vom Hamburger Gesundheitsamt befragten Dr. Lenz, der 1961 diesen fatalen Auswirkungen des Schlafmittels auf die Spur kam, Rufmord vorwarfen und juristisch gegen ihn vorging. Erst aufgrund der in der Presse veröffentlichten Fakten zog Grünenthal Contergan zurück.


Mehr Freiheit fordern, erfordert das Wissen darüber, was sie eigentlich bedeutet. Was ist Freiheit? Ich hatte dazu vor Jahren hier eine Stelle in den Apokyphen angeführt, wo Jesus am Sabbath einen arbeitenden Menschen antraf und diesem zu Tode erschrocken „Sünder“ sagte: Wenn du genau weißt, was du tust, bist du gesegnet, wenn du es nicht weißt, bist du verflucht. 
Wirkliche Freiheit hat nur derjenige, der also genau weiß, was er tut.  Alles andere ist nichts anderes, als sich die Freiheit nehmen und mündet allenfalls in Versuch und Irrtum. Letzter könnte in Bezug auf Klonen fatale Auswirkung haben.
 

Dein Wunsch also in Ehren, vielleicht geht er in Deinem nächsten Leben in Erfüllung und wenn nicht auf diesem Erdenkügelchen, dann auf einem anderen in den Weiten des Universums. Gibt es da eine Wahl oder schlichtweg nur das Diktat einer kosmischen Intelligenz?

Kosmische Intelligenz diktiert nichts, ermöglicht aber viel — und schließt selbstredend auch Parthenogenese unter Frauen ein auf diesem Erdenkügelchen. Ich wiederhole: worum es mir geht, ist das Ermöglichen von mehr Freiheit in den Geschlechterbeziehungen und Reproduktionsverhältnissen.

Dir ist hoffentlich schon bekannt, dass Parthenogenese im Fall diploider Keimbahnzellen keine Rekombination der Gene erfolgt und damit hast Du also Deine Klone, damit ist Dein Anliegen, wie Dein Geschlecht aber dem Aussterben anheim gefallen. Selten habe ich so eine wenig durchdachte Argumentation wahrgenommen! Kann eigentlich nur Provokation sein, bei Deinem Wissen.



Die Verbindung von Mathematik und Entwicklungspsychologie ist mir grad nicht so eingängig. Was nun die Bezugspersonen im Umgang mit Kleinkindern anbelangt, kann ich eher - wie schon geschrieben - dazu sagen, dass in meinem Fall durch Krankheit und frühen Tod meiner Mutter und einem eigentlich nicht verfügbaren Vater dennoch eine enge Beziehung zu Bezugspersonen entstehen konnte. Sei es eine Kindergärtnerin, Betreuende in einem Heim oder eine bestimmte Lehrkraft im Internat. Wichtig ist immer das vermittelte Gefühl, angenommen zu sein und so sind wir wieder beim Mitgefühl angelangt. Schopenhauer spricht vom angeborenen Mitleid. Dieses ist bisweilen sehr eng mit Mitgefühl verbunden.  

Du wirst die Verbindung von Mathematik und Entwicklungspsychologie als Analogie zum beweisenden Denken schon verstanden haben bzw. verstehen können.

Nun gut, letztlich kann man sehr viel im Leben auf die Ordnungsmuster der Mathematik zurückführen, bzw. diese als Vorlage nutzen. Darüber haben wir hier schon oft diskutiert. Waldemar etwa, lehnt Ordnungsmuster und Gesetze per se ab. Für mein Dafürhalten haben Ordnungsmuster apriorischen Charakter und beziehe mich u.a. auf das Buch des Psychotherapeuten Christion Schubert „Geometrie der Seele“. Dort geht es um Selbstähnlichkeit, also fraktale Strukturen in der Natur und somit auch in der biologischen wie psychischen Konstitution des Menschen. Hier kann uns sicher auch Thomas einige Hinweise aus seiner Erfahrung und klinischen Praxis geben.


Wenn ich die Kleinfamilie voraussetze, dann orientieren sich die Kinder hauptsächlich an den Eltern. Wenn ich das Aktuell-Unendliche voraussetze, dann sind reelle Zahlen überabzählbar.

Diese Analogie übersteigt im Moment mein Vermögen, sie zu verstehen. Inwieweit sollten Großfamilien irgendeinen Bezug auf das Aktual-Unendliche haben?

Unstrittig ist, dass es auf Einfühlung ankommt, nicht nur zwischenmenschlich, sondern auch innerkosmisch geht es um die auf „Einfühlung in die Erfahrung sich stützende Intuition.“

Intuition als Möglichkeit, spontaner Eingebung, resp. Einfühlung in nicht in Worte zu fassende „Secrets“ der Natur dieses Kosmos - meinst Du es so? Dann wären wir diesbezüglich beieinander.

Kürzlich hörte ich in einer Podiumsdiskussion (als Aufzeichnung) Sabine Hossenfelder über eben diese „Secrets“ sprechen und sie stellte die Frage, ob man angesichts der vielen ungeklärten Fragen, insbes. in der Astrophysik, aufhören sollte, eben nach diesen Secrets zu suchen. Sie gab dann die Antwort gleich selbst: Natürlich nicht!

Und das ist doch auch unser Motiv hier in philweb: Unbeirrt vom "Ignoramus et ignorabimus" des Du Bois-Reymond weiter fragen, weiter diskutieren, denn mit jedem neuen Nachdenken eröffnet sich die Türe in die Welt der „Secrets“ ein Stückchen weiter. Burkhard Heim nannte das „ich frecher Hund nehme einen Blick durchs Schlüsselloch der Türe zu Gottes geheimer Welt“ (sinngemäß).

KJ