Am 02.08.2025 um 05:35 schrieb Claus Zimmermann über PhilWeb <philweb@lists.philo.at>:

Ich möchte religiöse Dichtung gar nicht ins Lächerliche ziehen, so fern sie mir auch ist. Aber ihre Personalisierung, Politisierung, Instrumentalisierung, Banalisierung, Verflachung kommt mir so lächerlich vor wie auf dem Schulhof "Ich bin Messi, du bist Ronaldo". Und leider gefährlicher.

Ebenso wie über mathematische Struktur sollte auch über religiöse Dichtung gelacht werden können. Speziell ginge es um eine Gegenüberstellung von biblischer  Apokalypse und Garbentheorie des Bewusstseins. Die christliche Dichtung des Johannes und Katos buddhistische Mathematik trennen zwei Jahrtausende. Geht es Johannes um Fragen des rechten Glaubens, sucht Kato aus dem Zusammendenken von Bewusstsein und Universum eine Grundlage für die Physik zu finden. Worum sich Kato als Buddhist bemüht, hat sich Gödel als Christ versucht, indem er Gott ja modallogisch als positive Universalsubstanz nachwies.        

„'In jenen Tagen werden die Menschen den Tod suchen, ihn aber nicht finden …' Apokalyptische Reiter, Unheil kündende Engel mit Posaunen, der Zorn Gottes in sieben Schalen ... Wenige Bücher können es an rauschhaften Visionen mit der ‚Apokalypse' aufnehmen, diesem bis heute geheimnisvollsten Teil des Neuen Testaments. Kurt Steinmanns Neuübersetzung unterstreicht die poetische Schönheit und expressive Drastik der gewaltigsten aller Endzeit-Szenarien.“ So ist es im Klappentext des Buches zu lesen. Im Nachwort wird darauf hingewiesen, dass es sich bei dem Apokalyptiker Johannes weder um den Jünger noch um den Evangelisten handele, sondern um einen Anhänger Christi, der Stellung bezog in den Auseinandersetzungen darüber, wer zur Gemeinde des neuen Glaubens gehören können sollte und wer nicht. 

Im Unterschied zur Reinheit des Glaubens bei Johannes geht es Kato in seiner Bewusstseinstheorie eher um die Reinheit des Denkens. Und so versteht er Zeit als topologischen Raum T und nennt die Kategorie U von Prägarben darin Universum, wobei U für ihn auch den „Bewusstseinssee“ repräsentiert, seine Objekte individuelle Bewusstseine und seine Pfeile oder Abbildungen zwischen ihnen Kommunikationen repräsentieren. 

Und was macht Thiel zu einem Apokalyptiker? Sieht er sich wie Johannes damals unter den Römern in der Auseinandersetzung verschiedener Glaubens- bzw. Interessengruppen der eigenen Staatsmacht ausgeliefert? Im Interview mit Peter Robinson hebt Thiel hervor: "I think there is a lot in this runaway science technology that’s pushing us towards something like Armageddon. And then there is the natural pushback on this is we will avoid Armageddon by having a one world state that has real teeth, real power. And the biblical term for that is the Antichrist. And the Christian intuition I have is, I don’t want Antichrist. I don’t want Armageddon. I would like to find some narrow path between these two where we can avoid both. And then certainly there are ways that you defer it if you can. You try to do new things. I don’t think it’s a purely reactionary thing.“ 

Worum es Thiel geht, macht er klar, indem er meint, Dichtung nicht nur literarisch verstehen zu können: „One can take it seriously without taking it completely literally. But just let me maybe defend Daniel and the Old Testament prophet. And if you contrast it with, let’s say, a Greco-Roman understanding of history, Thucydides, Herodotus. Thucydides writes the account of the Peloponnesian Wars between Athens and Sparta. And it has a timeless and eternal character. It’s the rising power against the existing power.“ Dem endzeitlich erlösenden Geschichtsverständnis steht das der Wiederkehr des Gleichen in den Machtkämpfen und Hegemonialkriegen gegenüber.   

Schon 367 n. Chr., als die Offenbarung des Johannes in die Bibel aufgenommen wurde, war sie nicht mehr aktuell und diente dem zur Staatskirche aufgerückten Christentum mit dem Bild der Hure Babylon und der bösen Tiere fortan dem Kampf gegen die Häretiker. „You could say there’s some parallel between the decline of the United States and the fall of the Roman Empire. But the differences are surely really important. It’s happening in a world of nuclear weapons and instantaneous communication. And, you know, it’s happening in a very post-Christian or hyper-Christian world, not in a pagan world.“ 

Heute ist die Menschheit tatsächlich in der Lage, sich auszulöschen, aber auch Szenarien darüber zu berechnen, was die wie wahrscheinlichen Folgen welcher Maßnahmen oder Unterlassungen wären. Insofern sind die biblischen Visionen der Propheten nicht mit den numerischen Simulationen heutiger Naturforscher vergleichbar — und nur ideologisch zusammenzudenken. Paypal-Mafia und Tech-Elite haben sich seit Trumps zweiter Amtszeit willfährig dem fossilen Imperium unterworfen und gleichen damit nicht (dem Anti-Paulus) Johannes, sondern gerade Paulus, der bereit war, dem Kaiser zu überlassen, was des Kaisers war — und die irdische Gewalt als von Gott eingesetzt ansah. Diesen Weg scheint der politische Katholizist Vance beschreiten zu wollen, indem er eine Debatte über "ordo amoris" bzw. „die Ordnung der Liebe" lostrat. Aber lohnt eine Diskussion darüber oder wäre es nicht sinnvoller, sich der Lektüre einer seriösen Diss. zuzuwenden, wie bspw: „Politische Religion. Auf den Spuren eines Begriffs“: 


IT