Am 10.11.2024 um 17:46 schrieb Joseph Hipp über PhilWeb <philweb@lists.philo.at>:

Rudolf Wille und Jürgen Habermas würden zur Sache auch gerne etwas sagen:

"Sinn und Bedeutung von Mathematik liegen letztlich darin, daß Mathematik die rationale Kommunikation von Menschen wirksam zu unterstützen vermag. Dazu werden die Begriffe der kommunikativen Rationalität (im Sinne von Jürgen Habermas), der kommunikativen Logik (im Sinne der Peirceschen Spätphilosophie) und der kommunikativen Mathematik (im Sinne Allgemeiner Wissenschaft) ausführlich expliziert. Mit diesen Begriffen wird argumentiert, daß die Mathematik über ihre enge Verbindung zur Logik kommunikative Rationalität aktivieren kann, durch die sie die rationale Kommunikation von Menschen wirksam zu unterstützen vermag.“

Hi JH, 

ob Habermas sich zur Mathematik geäußert hat, weiß ich nicht, der Mathematiker Wille ist immerhin mit einer fachübergreifenden Begriffsanalyse hervorgetreten, auf die er sich ja in seinem Buch "Kommunikative Rationalität, Logik und Mathematik“ bezieht. Eine Kurzfassung „Kommunikative Rationalität und Mathematik“ befindet sich in dem Sammelband MATHEMATIK UND KOMMUNIKATION: 

https://wwwold.mathematik.tu-dortmund.de/~prediger/veroeff/02-AllgMa-Sammelband-Mathe-Kommunikation-kl.pdf

In CONCEPT LATTICES AND CONCEPTUAL KNOWLEDGE SYSTEMS schreibt Wille 1992 unter Abstracts: "Concept Lattice is the central notion of a Formal Concept Analysis, a new area of research which is based on a set-theoreticed model for concepts and conceptual hierarchies. This model yields not only a new approach to data analysis but also methods for formal representation of conceptual knowledge. These methods are outlined on three levels. First, basics on concept lattices are explained starting from simple data contexts which consist of a binary relation between objects and attrlbutes indicating which object has which attribute. On the second level, conceptual relationships are discussed for data matrices which assign attribute values to each of the siren objects. Finally, a mathematical model for conceptual knowledge systems is described. This model allows us to study mathematically the representation, inference, acquisition, mid communication of conceptual knowledge."

Algebraisch bezieht Thomas sich auf eine gruppentheoretische Informationstheorie, während Wille seine Begriffsanalyse auf die Verbandstheorie gründet. Mit binären Beziehungen beginnt auch von Weizsäcker, verallgemeinert die bits aber sogleich zu qbits, deren Verschränkungen der alltäglichen Meinungsvielfalt näher kommen als die zweiwertige Logik. Denn überlagern sich nicht auch bei der Entscheidungsfindung im Bewusstsein wahrscheinlichlichkeitsgewichtet die Meinungen und das Wissen?       

Thomas:
> ... Mathematik ... absoluter Reinheit. Deshalb bezeichnet sie sich selber auch nicht als empirische Wissenschaft, und sie wird nicht zu den Naturwissenschaften gezählt - ihre Gegenstände sind vom „Schmutz“ des Unwägbaren befreit, sie charakterisieren Kohärieren in Reinform.

Es gibt reine und angewandte Mathematik. Womöglich hat Thomas die Angst der reinen vor dem Schmutz der angewandten Mathematiker parodieren wollen. Ich assoziierte mit dem Schmutz die Angst der Spießbürger vor der natürlichen Unsauberkeit der Welt. Zudem kamen mir die „moralischen Module" Fürsorge, Fairness, Freiheit sowie Loyalität, Autorität, Reinheit in den Sinn; den Grundbedingungen für Demokratie und Republik sowie Religion und Faschismus. 

Zur "absoluten Reinheit" mǘsste bei Immanuel Kant befragt werden, er wusste schließlich schon mal, was "reine Vernunft" ist. Ist alles außerhalb der absoluten Reinheit schmutzig? IT müsste auch befragt werden, weil für ihn Mathematik das Wichtigste von allem zu sein scheint.

Von Thomas würde ich gerne wissen, wie er mit Hilfe seiner überaus komplexen Denkweise die Politiker belehren könnte, oder aber zumindest Regeln für ihren täglichen Gebrauch aufstellen würde. Nicht so, dass die komplexe Denkweise ein Berg ist, das Denken der Politiker ein anderer Berg, und der (mathematisch) unendlich tiefe Abgrund dazwischen, so dass nichts von dem einen Berg zum anderen gelangen könnte. Wo wäre dann noch der Schmutz? Ingo Mack könnte das alles besser umschreiben, damit es verständlich wird. Und IT bitte keine Quantentheorie, denn diese würde in diesem Zusammenhang als bestmögliches sophistisches Argument fungieren, gegen das nicht einmal Sokrates ankommen könnte, endlich könnte er dann einpacken. Jedenfalls gibt es schon einen beachtlich großen Korpus der Wörter, die mit Kommunikation zusammenhängen. Wie wäre es mit einer Reduktion der Redundanz? Wer soll den Schmutz wegmachen? Das geistige oder geistliche Denken?

Sokrates wäre von der Quantentheorie begeistert gewesen. Schon Galilei knüpfe in seinen Dialogen ja an ihn an und auch Josef-Maria Jauch spann den Faden 1973 weiter in: „Die Wirklichkeit der Quanten: ein zeitgenössischer galileischer Dialog.“ Darin geht es ihm um die Verteidigung der Kopenhagener Deutung, so dass er ihre Kritiker alt aussehen lässt. Nach den Rätseln der Welt wollte ich in den 1990ern einen Gegendialog beginnen, bin aber bis heute nicht dazu gekommen.   

https://www.ingo-tessmann.de/sofie/node2.html  

Da sich physikalische Quanten- und psychologische Entscheidungstheorie mathematisch gleich behandeln lassen, ist es keine Sophisterei beide zusammenzudenken, auch hinsichtlich der Politikberatung. Willes Begriffsanalyse wäre ebenso nützlich, da klärend. Aber geht es in der Politik überhaupt um Klartext und nicht eher um Propaganda? Habermasens Wege von der Interessenlehre zur idealen Sprechsituation waren weit, siehe bspw.: Hyuan A Lee, "Der grammatische Mensch. Habermas' Wege von der Interessenlehre zur Theorie des kommunikativen Handelns“:  

https://publications.goettingen-research-online.de/bitstream/2/14021/1/e_lee.pdf
          
In "A dialog on quantum gravity“ verteidigt Carlo Rovelli die LQG: "The debate between loop quantum gravity and string theory is sometime lively, and it is hard to present an impartial view on the issue. Leaving any attempt to impartiality aside, I report here, instead, a conversation on this issue, overheard in the cafeteria of a Major American University. The personae of the dialog are Professor Simp, a high energy physicist, and a graduate student, Sal. The Professor has heard that Sal has decided to work in loop gravity, and gently tries to talk her out. Here is what was heard.“

IT