Am 25.02.2024 um 01:58 schrieb Claus Zimmermann über PhilWeb <philweb@lists.philo.at>:


Ich nehme an, dass es hier um Eigenschaften von Quanten geht.Wie ich höre, kann man davon erst im Moment einer Messung reden, sonst nur von Wahrscheinlichkeiten.
"Aber alles Stoffliche, Messbare besteht doch aus Quanten!"
Das Ganze kann mehr und etwas ganz anderes als die Summe seiner Teile sein. Man kann alle Töne einer Melodie kennen, ohne von ihr eine Ahnung zu haben. Man sieht ein Bild nicht besser, wenn man die Farbpigmente untersucht. Man kann sich aber ausschliesslich für Frequenzen, Pigmente, Bühnentechnik interessieren und alles andere für Einbildung halten.


Eben genau darauf kommt es in dieser (Erlebens-)Welt an: Wir empfinden und bewegen uns darin nicht in der Dimension der kleinsten Teilchen und daher nehmen wir sie auch nicht wahr, obgleich alles Leben aus diesen besteht. 

Es ist schlicht eine Frage der Skalierung. Im Kontext von Quantenmechanik wird von Beobachtern, von Messenden usw. gesprochen und dabei angenommen, dass QM jeweils nur dann wirkt, wenn Quantensysteme eben explizit beobachtet, bzw. gemessen werden. Das Trügerische an dieser Vorstellung ist m.E., dass man damit das permanente Einwirken menschlicher Aktivität zur Auslösung quantenmechanischer Prozesse annehmen könnte. Daher die Frage Einsteins zu diesem Thema, ob denn der Mond nicht existieren würde, wenn keiner ihn beobachtet.

Im Kern geht es jedoch um Kohärenz und Dekohärenz von Quantensystemen, aus denen sich alle Materie zusammensetzt. Wenn man von der Teilchen- auf die eher relevante Wellenmechanik sieht, hat man es jeweils mit Quantensystemen im Wellen-, bzw. Feldbereich zu tun. Wellen, die sich kohärent aufbauen und sogleich in kaum messbarer Zeit durch Dekohärenz zusammenbrechen. Daher auch das aktuelle Problem mit Quantencomputern, wo sich ein Quantensystem nur mit hermetischer Abschottung von Umwelteinflüssen und tiefstgekühlt einige Zeit ohne Dekohärenz aufrecht erhalten lässt. 

Diese Lebenswelt existiert in ihrer real sichtbaren Gestalt im Zustand der Dekohärenz und insofern sind Überlegungen bezüglich Messung, Beobachtung etc. irrelevant. Den Tanz der Teilchen im Mikrobereich können wir (glücklicherweise) ohne ein spezielles Instrumentarium nicht sehen. Glücklicherweise insoweit, als wir nicht als wabernde Teilchen im Mikrobereich existieren müssen, sondern als Konglomerat derer im Makrobereich dieser Welt unser Leben zubringen dürfen. Eine Frage philosophischer Art bleibt: Wer oder was formt diese Konglomerate, haucht ihnen Geist ein? Oder gibt es da nichts einzuhauchen? Wie interagieren diese Konglomerate? Einiges dazu ist bekannt und gewusst, vieles noch nicht. Wer wird das erkenntnistheoretische Rennen gewinnen, die Natur- oder Geisteswissenschaft? Womöglich gibt es einen zeitgleichen Zieleinlauf. Doch wo ist überhaupt das Ziel aufgestellt?

Nochmal zur Frage der Skalierung. Das Beispiel mit der Betrachtung eines Bildes durch mikroskopische Sicht auf die Farbpigmente ist diesbezüglich sehr treffend: Entweder man interessiert sich ausschließlich für diese, oder man erfreut sich eher für deren Summe - in diesem Fall das Bild. Jeder wie er will und kann.

Bester Gruß! - Karl