Am 31.10.2023 um 12:11 schrieb Ingo Tessmann über PhilWeb <philweb@lists.philo.at>:




it: „Sollten andere Sichtweisen nicht wenigstes verständlich sein?“

Meine Sichtweise auf die zwischen uns diskutierten Themenbereiche kann Dir nicht verständlich sein, da Du per se in Gegenposition zu meiner Weltanschauung stehst. Und wenn Du eine Gemeinsamkeit zwischen uns bezogen auf Penrose' Thesen siehst, ist das auch aus meiner Sicht zutreffend wie gleichermaßen erfreulich.

 Roger Penrose ist erklärter Atheist, ich sehe mich als Christ, obgleich - nach all meinen Beiträgen hier - jedem an philweb Teilnehmenden klar sein sollte, welches Bild ich von Religion, Gott und Kirche und damit auch von der christlichen Schöpfungserzählung habe. Es ist eben nicht das Bild einer „verdummenden Schöpfungsgeschichte“, wie Du es benannt hast. 

Wollte ich Dich als unerbittlichen Reduktionisten und Materialisten sehen, müssen Dir meine bildreichen Ausführungen notwendigerweise als „Geschwafel“ vorkommen. Wir schreiben hier in philweb aber nicht nur zwischen uns beiden, d.h. tauschen unsere Weltsichten aus, sondern eben in einem Forum.

Unbenommen der bedauerlich geringen Teilnahme anderer Listenmitglieder, kann man davon ausgehen, dass meine Beiträge von anderen nicht grundsätzlich als Geschwafel gewertet werden (so entnehme ich das gelegentlich per pn an mich gerichtete Aussagen). Schwafeln ist für mich der Inbegriff inhaltsleeren Geschwätzes und mir ein solches hier vorzuhalten, erachte ich schlichtweg beleidigend!

it: „Aber wieder hast Du nur ablenkend geschwafelt. Was soll denn ein „axiomatisch angelegtes Faktum“ sein?, hatte ich gefragt. Eine Antwort hast Du nicht gegeben. Also was sollte die Formulierung?“ 

Es ist eine aus dem „Stehgreif“ gebrachte Formulierung, die für eine wissenschaftlich allgemein gültig anerkannte Tatsache steht, und als solche schlichtweg der Begrifflichkeit eines Axioms gleichkommt. 

Ich bin mir schon meiner bisweilen sehr abstrakt, aber oft auch bildreich angelegten Beiträge hier bewusst. Nur – wie oft gesagt – ist philweb ja kein „Kaffeekränzchen“, es ist auch nicht ein Forum wie ScienceBlogs, vielmehr sollte es - dem Impressum folgend - eine Plattform für den offenen, unmoderierten Austausch von vornehmlich an Philosophie orientierten Themen.

Das erfordert eben nicht exakte (mathematische) Beweisführungen oder penibel gewählte Ausdrucksformen, womit nicht gesagt sein soll, dass Beiträge dann tatsächlich als Geschwafel erscheinen können resp. dürfen.

Wie gesagt, ist mangels äußerst geringer Teilnahme von List-Mitgliedern kaum ein kollektives Korrektiv bzgl. meiner Beiträge gegeben. Wenn Du diese als Geschwafel abwertest, müssen diese bei anderen Teilnehmenden nicht unbedingt auch als solche gesehen werden. Sollte dieses der Fall sein, wäre es höchste Zeit, dieses hier auch kund zu tun und ich dann meine Teilnahme hier beenden sollte.

it: „Normativ ließe sie sich durchaus plausibel paraphrasieren, indem die Quantenzahlen der Elementarteilchen den Eichprinzipien zu genügen haben, aber noch quantitativ als Fakten bestätigt werden müssen. Weiter paraphrasiert könnte der „Geist“ als die Theorie und die „Materie“ als die Gesamtheit der existierenden Elementarteilchen bezeichnet werden.

Nun denn, damit ist doch sehr wohl eine Brücke gebaut zu dem, was ich in etwas umgangssprachlicher Form zum Ausdruck bringen wollte! Doch sollte doch auch anzunehmen sein, dass manchen, wenngleich nur passiv an philweg-Diskursen teilnehmenden Personen, der Begriff von Quantenzahlen der Elementarteilchen, oder die Funktion von Eichprinzipien nicht geläufig, bzw. überhaupt nicht bekannt sind. Gleichwohl gefällt mir die Paraphrasierung von Geist als Theorie und von Materie als Summe existierender Elementarteilchen sehr wohl!

it: „JH gegenüber hattest Du geschrieben: "Wie gesagt, sympathisiere ich mit Penrose' Vorstellung zyklischer Universen (CCC). So ist viel benannter Urknall nicht der Anfang eines absehbar thermodynamisch bedingten Endes als einmalig kosmisches Geschehen, was für unser jetzt existierendes Universum bedeutet, dass es sich solange ausdehnt, bis alle Masse zerfallen ist (Entropie) und zuletzt nur noch Strahlung verbleibt, quasi ein Strahlungsfeld (benannte Urflut), aus dem sich per Zufall ein neues Uratom bildet und daraus wiederum ein Universum entsteht. Die Idee zu diesem grandiosem Wechselspiel mag göttlicher Natur sein!“

Nichts anderes als Paraphrase ist mein – an die biblische Erzählung angelehntes – Bild der „Urflut“, die ich mit benanntem primordialen Strahlungsfeld gleichsetzte: schlichtweg ein Gleichnis sic!

it: „Zunächst einmal steht CCC für CONFORMAL CYCLIC COSMOLOGY.“

Nun, Penrose' Thesen, seine Vorlesungen und Talks sind meine naturwissenschaftlich angelegte Richtschnur. Müssig, mir das Kürzel CCC zu verdeutlichen.

it: „In meiner Mail an IM stand es ja für "covarying coupling constants“. Penrose findet immerhin unser beider Zustimmung. Die hört allerdings bei der Umschreibung eines Strahlungsfeldes als „Urflut“ auf.“

dito

it_ „Und was es mit der „göttlichen Natur“ einer Idee auf sich haben mag, dürfte normalsinnigen Menschen verborgen bleiben. Aber Du schwafels halt gern.“

Ideen, seien es die Platon'schen, seien es sonstige, dem Bereich der Metaphysik zugehörige, müssen Dir als Materialisten verborgen bleiben, wie gesamtheitlich die Vorstellung einer „Idee von einer Idee“ oder gar die Schöpfungsidee eines Gottes als quasi unbewegter Beweger. Daraus ist jedoch nicht abzuleiten, dass „normalsinnige Menschen“ von dergleichen Wahrnehmungs- und Erkenntnisblockaden betroffen sind.

it: „Die CCC ist natürlich bloße mathematische Spekulation, die das Standardmodell LCDM aber als Spezialfall enthält. Woher Du die Bezeichnung „Uratom“ hast, ist mir auch nicht klar.“

Die Bezeichnung Uratom entstammt geradewegs Penrose' These von einem zyklischen Universums und tatsächlich steht „CCC“ für „Conformal Cyclic Cosmology“, eine Theorie, die er in zahlreichen Veröffentlichungen, Vorlesungen, Interviews (z.B. mit Lex Friedman) oder Talks verwendet hat.

it: „ Bei Penrose kommen „aeons“ vor, das sind zeitorientierte Raumzeiten, die zeitartig conformal kompaktifizierbar sein sollen (siehe dazu „Cycles of Time“).“

Sie sind für Penrose nicht nur zeitorientiert, sondern es vollzieht sich ein Wechsel (ein Oszillieren) zwischen Zeit und Zeitlosigkeit, was bedeutet, dass ALLES zerfällt und nach (nicht denkbarer) zeitloser Unendlichkeit von NEUEM mit unvorstellbarer Energie ein weiterer Urknall erfolgt. Gemäß der von Hawking postulierten gleichnamigen Strahlung wird auch das letzt verbliebene Schwarze Loch „verdampfen“ und in völliger Energie- und damit Zeitlosigkeit eine nicht vorstellbare Leere (das NICHTS) entstehen, aus der sich per Zufall - oder eben als eines Gottes Schöpfungsakt (wer sich eher an biblischer Metaphorik orientieren will) ein neues Universum entsteht.

Penrose' „conformal“ in seinem CCC-Modell bezieht er auf sich gleichförmig gegen einen Unendlichkeitsrand verdichtende Figuren (Engel und Teufel des diesbezüglichen Escher-Bildes). Gemäß diesem Bild geht Penrose davon aus, dass nur Photonen (als quasi masselose Teilchen) diesen Rand überwinden können und damit zeitlose Ewigkeit, ein Equilibrium im thermischen Gleichgewicht bilden, aus dem sich nach einer Periode der Zeitlosigkeit, per Zufall ein Uratom herausbildet und das kosmische Spiel von Neuem beginnt. 

Dieses Zusammenspiel von wirklichem! Zufall und Notwendigkeit (eines vorhandenden Quantenschaums) könnte einer genialen Idee entstammen. Warum sollte man sie nicht göttlich nennen dürfen?

Wo könnte diese Idee über Äonen der Zeitlosigkeit gespeichert sein? Womöglich im Ereignishorizont (Bekenstein!) des letzt verbleibenden Schwarzen Lochs, als nie verloren gehende Information. Das kann man, als dem derzeitigen Wissensstand entsprechend, annehmen oder schlichtweg nur glauben, nichts anderes geschieht auch im Glauben an metaphorisch angelegte Schöpfungserzählungen: 

Im Anfang war das Wort und das Wort war bei Gott und das Wort war Gott. Dieses war im Anfang bei Gott. Alles ist durch das Wort geworden und ohne es wurde nichts, was geworden ist. In ihm war Leben und das Leben war das Licht der Menschen. Und das Licht leuchtet in der Finsternis und die Finsternis hat es nicht erfasst.

Man ersetze Wort mit „Theorie“ oder Geist (Gottes) als Träger immaterieller Information als kosmischen Logos, sowie Licht mit Strahlungsfeld des Equilibriums, so ergibt sich ein metaphorisch zu sehendes, gültiges Bild der Schöpfungserzählung. Letztere muss nicht immer sogleich mit Religion oder „dümmlich“ esoterischer Spinnerei gleichgesetzt werden. Damit zeigt sich, dass es durchaus zeitgemäß ist, einen spirituellen Bezug zu Anfang und Ende, resp. einem zyklischen Verlauf des Kosmos zu haben, vor allem bei Menschen, die keinen Zugang zu hoch wissenschaftlichen Erkenntnissen haben.


Bester Gruß an Dich und in die Runde! - Karl


PS: Ratfrag, ich hoffe mit diesem Beitrag auch einige Deiner Fragen beantwortet zu haben. Immer aber sollte hier gelten, dass Antworten so gut wie nie Anspruch auf absolute Gültigkeit haben können. Welcher Mensch könnte denn im Besitz der wirklichen Wirklichkeit sein, da doch immer nur des Eisbergs Spitze, quasi als erkennbare Realität von Welt und Kosmos sichtbar ist, um dieses Bild von Ruth Kastner zu bemühen.