Karl Janssen
janssen.kja@online.de



Am 19.03.2024 um 18:14 schrieb Joseph Hipp über PhilWeb <philweb@lists.philo.at>:

Soll prioritär eine Bewusstseinsänderung angezielt werden, oder sollen die Obrigkeiten aufgefordert werden, damit sie alles Mögliche ändern? Können sie das, wo sie doch genügend Kriegsgespräche und Parteigespräche führen. Oder suchen wir Gleichgesinnte, die bereit sind, mit weniger Wohlstand zu leben, du kennst sicher viele, ich leider nicht. Denn Wohlstand und Konsum sind doch in Wechselwirkung, und die Grundlagenzerstörung ist dazu proportional, oder etwa nicht? Kann KJ mitmachen, um das Geistige zu betonen, IT, um die Mathematik zu lehren, und eifrig zu zitieren, IM, um das alles in Gedichte umzuschreiben, damit alles verdaulich wird, CZ, um wieder Boden unter die Füße zu bringen? Wer leitet das Gespräch?

Das ist nun ein ganzer, auf den Kern des philweb-Geschehens reduzierter Fragenkomplex, zudem äußerst zutreffend formuliert und das lässt mich an Sokrates' nagende Fragen an seine Mitbürger denken. 

War es nicht Sokrates, der die Philosophie „vom Himmel auf die Erde“ zog, quasi in umgekehrte Richtung „transzendierte“. Denn der bis dato vorherrschende Glaube an im Himmel residierende Götter erschien ihm wohl zu abstrakt, schlichtweg zu abgehoben. Und das sind wir hier im Forum natürlich auch, was sicher auch ein Grund dafür ist, dass sich so wenige der in diese Liste Eingetragenen aktiv an Diskussionen beteiligen. Auf mich wirkt das ernüchternd, um nicht zu sagen bedrückend und ich denke - wieder einmal - darüber nach, philweb aufzugeben. 

Um als Listadmin einen Anhalt zu bekommen, wer von den 70 (ggf. nur 50 aktiven email-accounts) in philweb eingetragenen Teilnehmenden überhaupt hier zumindest noch mitliest, hatte ich um Rückmeldung (dem besagten „Lorenz-Piepser“) gebeten. Vergebliche Mühe, wie es die ausbleibenden Reaktionen zeigen und es kommen mir Waldemars Argumente in den Sinn, wonach philweb im Format einer Mail-Liste schlichtweg nicht mehr aktuell sei. Daraufhin erfolgte meine Argumentation in Richtung eines besonderen Alleinstellungsmerkmals von philweb, nämlich sich abzuheben vom Gewimmel der „aus der Hüfte geschossenen“ Postings, wie diese sich in Facebook & Co., Instagram, oder X zwitschernd im Nirvana des Internets verlieren.

Hier in philweb könnte es darum gehen, über Fragen des aktuellen Lebens aus philosophischer Sicht zu diskutieren, so wie es Sokrates zu seiner Zeit betrieben hat: Die von den Gelehrten seiner Zeit in den Himmel transzendierte Philosophie, somit die Weisheit des Himmels wieder auf die Erde, auf die Marktplätze, die Foren zu ziehen, quasi die Götter, samt den diesbezüglich abgehobenen Vorstellungen seiner Zeitgenossen zu entzaubern. Ich denke, darauf will Joseph hinaus. 

Mein diesbezügliches Ansinnen ist es, lebenspraktisch erfahrbare Kenntnis dieser Lebenswelt mit einer über die bloße Empirik unserer irdischen Daseinsform hinausgehenden Vorstellung von einer nicht zu wissenden, intelligiblen Ebene zu verbinden. Denn nur in aus dieser Verbindung heraus könnte ich den Telos begreifen, der sich hinter dieser verbirgt. 

Und als ob nicht schon alles Diesbezügliche ge- und beschrieben wäre und ich nicht schon unzähliges Schriftgut dieser Art rezipiert hätte, ergeht es mir wie Augustinus, der intrinsisch wusste, was Zeit ist, aber sich nicht in der Lage sah, dies zu erklären, wenn er danach gefragt wurde. Philosophie als Erinnerung an das, was die Menschheit immer schon (zuinnerst) wusste - kann diese Aussage Gültigkeit haben?

Warum also gab es den Übersprung vom Tier zum Menschen, was inspiriert Menschen, sich als geistige Wesen erkennen (cogito ergo sum) und zu welchem Zweick? Auch hier wieder: Abertausende Erklärungen, unzähliges Schriftgut, aber weiss ich es wirklich oder kann ich es nur erspüren, bzw. metaphysich erklären. Warum spüre ich dieses Numinose, bzw. fühle ich mich durch diese gestaltlose Wesenhaftigkeit beeinflusst, resp. geführt? 

Ich weiß es nicht, würde es aber gerne wissen, wohl wissend, dass dies nicht möglich ist, um dennoch immer wieder diese Fragen zu stellen. Ist das Philosophie? Spreche ich (etwa in Art eines Sokrates) mit Menschen, zumeist spontan, durchaus auf Plätzen oder zwischen „Tür und Angel“ über diese Themen, kommt zumeist die Reaktion: Aha, ein Philosoph. Bei Vorträgen über Philosophie fällt mir auf, dass ich danach gefragt werde, was denn deren „Benefit“ sei, so als sei Philosophie ein esoterisches Wunder- oder Heilmittel, quasi Religionsersatz. 

Ist all dieses Denken nichts als ein sinnloser Tanz im Kreis, eingedenk Du Bois-Reymonds „ignoramus et ignorabimus“ oder fatalerweise Waldemars perrenierend vorgebrachter Ansicht: der Mensch, nichts als eine ignorante nichtsnutzige Kreatur, warum sollte diese armselige Spezies (als Fehlgriff der Evolution) überhaupt ihr Dasein reflektieren?

Bevor ich nun wirklich in eine Depression verfalle, ist Schluss für den Moment. Ob das für philweb in naher Zukunft auch der Fall sein wird, weiß ich nicht zu sagen. Schade wäre es allemal. Vielleicht sollte ich in Anlehnung an Josephs „Wer leitet das Gespräch?“ die Frage stellen, welches Forum könnte uns Protagonisten hier  die Möglichkeit bieten, auf unsere sehr eigenwillige Weise miteinander im Gespräch zu bleiben? Ein Gespräch, das niemand führen muss, da es sich aus sich selbst führt.

Bester Gruß! - Karl