Leben und leben lassen. Dieses lebensbejahende Motto würde man gerne nicht nur als solches, sondern möglichst auch konkret umgesetzt sehen und erleben.

Leben, was ist das eigentlich? Diese Frage scheint sich nach heutigem Wissensstand zu erübrigen, jedenfalls was die biochemischen Erkenntnisse, von der Homöostase über Fortpflanzung bis zur Weiterentwicklung anbelangt. Doch was macht Leben aus, was macht es mit den Menschen, welchen Wert hat ein Menschenleben? Da steht eben auch die berühmt berüchtigte Frage nach dem Sinn des Lebens, nach dem Woher und Wohin (im nichtbiologischen Kontext) unmittelbar wieder im Raum, vornehmlich jetzt, wo es um den Tod Abertausender geht, der den Menschen nun (einmal mehr nach zwei Weltkriegen) im europäischen Kernland massiv durch die Corona-Pandemie, Putin-Russlands Überfall auf die Ukraine vor Augen geführt wurde und wird.


Warum treibt der Gedanke an den Tod die Menschen derart um, wo das Ableben doch mit jedem Eintritt in diese Lebenswelt unausweichlich vorgezeichnet ist? Ob Menschen sich das eingestehen oder nicht: Jeder miterlebte (natürlich nicht selbst erfahrene) Tod lässt die Frage aufkommen, was mit dem ureigensten ICH - allgemein als Seele verstanden und definiert – geschieht. Für mein Teil interessiert mich nicht die Antwort derer darauf, die sich mit dem zwangsläufigen Ende aller körperlichen Lebensfunktionen samt und sonders aus kosmischen Gefilden ausgelöscht sehen. Das ist medizinische Binsenweisheit, jedoch nicht Weisheit von Leben und Tod schlechthin, die eben auch ein immateriell transzendentes Weltengeschehen in Betracht zieht.


Etwa 8 Milliarden Menschen in unterschiedlichsten Kulturräumen und Lebensstilen teilen sich diesen Planeten Erde; die meisten dieser Kulturen sind überwiegend von diversen Religionen beeinflusst, weshalb Religion und kulturelle Identität für den Löwenanteil der Menschheit Seite an Seite stehen. Religion als Ausdruck archaischer Sehnsucht nach Rückbindung an ein gespürtes aber gleichsam nicht gewusstes übersinnlich Wesenhaftes. Diese unverbrüchliche Sehnsucht, wie diese sich als religiös kulturelle Identität vieler Menschen zeigt, bietet sich verführerisch zum Missbrauch von Religion in deren diversen Ausprägungen an. Wie anders sollte man es interpretieren, wenn Kyrill, das Oberhaupt der russisch-orthodoxen Kirchen, von einer „besonderen historischen Berufung“ seines Landes spricht und dabei die wesentlich entscheidende Rolle Wladimir Putin zuspricht, für den daher „unser besonderes Gebet“ zu gelten hat. Gott solle Putin „klüger machen, stärken, erleuchten, vor Sünden und Fehlern beschützen“. Nicht wenige fragen sich, welcher Gott wollte sich mit einem Führenden gemein machen, der für abscheulichste Kriegsverbrechen verantwortlich zeichnet und für den ganz offensichtlich ein Menschenleben (außer dem eigenen, jämmerlich in ängstlicher Besorgnis gehegten) nichts bedeutet. Wiederum Theodizee in Reinkultur: Die Vorstellung eines (die Menschen) liebenden, gerechten und barmherzigen, gleichsam omnipotenten Gottes steht dem unerträglichen Leiden dieser Welt diametral entgegen. Da ist die Erklärung der Theologie wenig tröstlich, Gott handele souverän in der Zeit, gleichwohl diese Ansicht dem Konzept des Dharma und Karma fernöstlicher Religion entsprechen könnte.

Zurückkommend auf die Frage, was Leben und insbesondere ein Menschenleben wert sei, stellt sich nun die theologisch ausgerichtete Frage nach der Rechtfertigung eines Gottes, insbesondere angesichts der zuletzt hier erörterten Beziehung Bonhoeffers zu einem Gott, den er als nicht existent definierte, sofern dieser einem Menschenbild entsprechen sollte.


wh: ich würde denken, dass bonhoeffer im kz andere reale probleme hatte, als sich um "gott-deutungen" zu kümmern, bzw dass er mit solchem tun die realen probleme versucht hat zu verdrängen ... bonhoeffer war einer der "persönlichen gefangenen" hitlers, also "sonderbehandlung" bis zur hinrichtung (kurz vor kriegsende aus praktisch rache) - indes, diese herren wussten, auf was sie sich einließen, als sie gegen hitler vorgehen wollten, und es gibt in solchen fällen nur 2 enden: entweder man erledigt die bestie, oder diese erledigt einen selbst - hätten "die bonhoeffers" konsequent gehandelt im sinne "tyrannenmord", und der wäre völlig berechtigt gewesen, und sich nicht mit bedenken und verkomplizierungen letztlich selbst an die henker ausgeliefert, wärs anders gelaufen.


Abgesehen von dieser sehr eigenwilligen (letztlich absolut dümmlichen) Interpretation zum verfehlten „Tyrannenmord“ der „Bonhoeffers“ erhebt sich die Frage der Rechtfertigung Gottes für unzählig viele Opfer des Nationalsozialismus, wie eben nun auch wieder bezogen auf die schrecklichen aktuellen Verbrechen in der Ukraine.

Dabei scheint nichts (außer einem mehr oder weniger jämmerlichen Leben) verloren, wollte man im Sinne Hiobs argumentieren: “Nackt ging ich hervor aus meiner Mutter Schoß und nackt werde ich dorthin zurückkehren: Jahwe hat's gegeben und Jahwe hat's genommen - der Name Jahwes sei gepriesen!“

Ebenso im Sinne Waldemars ist nichts verloren, da der „Judengott“ nicht mit dem „Christengott“ in Verbindung gebracht oder gleichgesetzt werden kann, denn ersterer ist ein „fröhlicher

Gott, bereit und zugänglich auch für schräges und schabernack im zwiegespräch“, hingegen der „Christengott“ eine ewig leidende, traurig-gestimmte "eminenz" ist.

Mit dieser Interpretation sollte klar werden, warum das christliche Abendland an ewigen Kriegen leidet, im Nahen Osten jedoch fröhlich Krieg betrieben wird; wiederum ganz im Sinne von „leben und leben lassen“ oder eben: Leben dürfen oder (sein) Leben lassen, denn der Herr hat‘s gegeben, der Herr hat‘s genommen.

Dieses Spiel geht also solange bis es (nach welcher Zeit auch immer) gelingt,

„die in unordnung geratenen buchstaben des wahren namens des judengottes, und die immer-weiter-nur-werden welt versuche deshalb im immer-nur- weiter werden in form endloser permutationen der buchstaben den wahren gottesnamens wieder in der richtigen reihenfolge zusammen zu setzen, worauf die welt zu gott zurückfließen wird, die trennung gott-welt also aufgehoben [sein wird]“ (wh)


Wie tröstlich Religion doch sein kann!


Bester Gruß in die Runde! - Karl