Am 30.08.2023 um 11:04 schrieb Ingo Tessmann über PhilWeb <philweb@lists.philo.at>:Moin Karl,auf die Berichte über die Machenschaften nicht nur ExxonMobil’s zur Leugnung des anthropogenen Klimawandels hatte ich bereits hingewiesen: „In 2015, investigative journalists discovered internal company memos indicating that Exxon oil company has known since the late 1970s that its fossil fuel products could lead to global warming with “dramatic environmental effects before the year 2050.” Additional documents then emerged showing that the US oil and gas industry’s largest trade association had likewise known since at least the 1950s, as had the coal industry since at least the 1960s, and electric utilities, Total oil company, and GM and Ford motor companies since at least the 1970s“:
https://www.science.org/doi/10.1126/science.abk0063Du scheinst das ebenso wenig gelesen zu haben wie IM.
Es wäre geradewegs unverzeihlich, wenn man als hinreichend gebildeter Bürger nicht über das Problem der Nutzung von fossilen Treibstoffen informiert gewesen wäre. Und überhaupt war Hauptthema der Oberstufen schon in den 60er Jahren das der Umweltverschmutzung, die mit zunehmend ungehemmten Konsum und Ressourcennutzung unabdingbar einherging.
Während sich ab den 68ern dann die Studentenbewegungen politisch links radikalisierten, hatte man dort nicht die Umwelt, sondern ideologisch die geopolitische Lage im Visier, vornehmlich den unseligen Vietnamkrieg.
Ich kann mich an ASTA-Typen erinnern, die unter Mao-Geschrei in die Hörsäle stürmten, allerdings bei technischen Studiengängen kein Gehör fanden, ganz anders bei SOWI&Co. Ich hatte damals schon Philosophie als Wahlpflichtfach gewählt, was bei meinen Kommilitonen für Unverständnis sorgte. Doch die Verbindung von Natur- und Geisteswissenschaft war mir schon derzeit ein Anliegen, ebenso natürlich die Sorge, dass die technische Entwicklung ohne entsprechende Technikfolgeabschätzung zu einer globalen Krise führen würde, letztere nicht nur die Umwelt, sondern auch die Weltbevölkerung betreffend.
Während die technologische Entwicklung einerseits eine erhebliche Ressourcennutzung mit sich führte, hat sie in der Folge aber auch zu deren Minimierung beigetragen. Was wie ein Widerspruch anmutet, zeigt sich konkret etwa am Beispiel eines TV-Geräts, das im Vergleich zu seinen ersten Ausführungen heute erheblich weniger Roh- bzw. Baustoffe zu seiner Herstellung benötigt. Die Achse einer Lokomotive (oder auch von anderen Fahrzeugen) musste früher mit einem Sicherheitsfaktor von 10 gefertigt werden, heute wird nur ein Bruchteil des Materials benötigt, da man mit modernen Bildgebungsverfahren die Werkstoffqualität feststellen und entsprechend bemessen kann.
Dieser klare Gewinn durch Technologie wird jedoch durch die Massenfertigung wieder relativiert. Und zudem: Es sind nicht die Techniker und Ingenieure, denen man die nachteiligen Auswirkungen technischer Entwicklungen anlasten muss, sondern jene, die mit diesen Gütern Handel um jeden Preis betreiben. Ein Leichtes, wenn man bedenkt, welch teils perfide Werbemethoden den Konsum von Waren und Gerätschaften befeuern, die sich sehr bald lediglich als Ballast, schlichtweg als unnötiger Tand erweisen und bestenfalls auf dem Bauhof zur „Entsorgung“ landet.
Anstatt sich also auf die Straße zu kleben, oder das fossile Imperium zu brandmarken, sollte Bewusstsein über die eigentliche Problematik des Massenkonsums bei der Bevölkerung geweckt werden und das nicht nur als Kassandraruf, sondern mit Fakten und Lösungsvorschlägen unterlegt. Das setzt (Aus-)Bildung, Berufs- und Lebenserfahrung bei den Warnern voraus, doch daran scheint es bei Straßenklebern und ihren Gesinnungsgenossen bis in die politische Ebene hinein weitgehend zu fehlen.
Geschickt angelegte Kampagnen würden eher durch kurze TV-Spots vor den Nachrichten, mit geeigneten Werbeanzeigen in Zeitungen und Zeitschriften, vor allem aber auch in den sog. soz. Medien zu entsprechender Resonanz und nicht zu mehrheitlichen Gegen- oder gar Trotzreaktion führen.
„Die Masse bringt den Gewinn, meine Herren!“ das war das Statement meines BWL-Professors (BWL war Pflichtfach auch für technische Studiengänge). Es waren tatsächlich nur zwei Mädchen im Semester, sie blieben mir im Gedächtnis, wie eben diese Aussage. Und es ging und geht immer um Gewinn, nicht nur ein angemessener, sondern stets steigender. Das setzt stets steigendes Wirtschaftswachstum voraus, welch wahnwitziger, seelentötender Teufelskreis!
Will ich ein Resümee über das hier Geschriebene ziehen, dann kann man daraus nur ableiten, dass nicht (unbegrenztes) Wachstum, sondern ein vernünftiger Kreislauf des Gesamtsystems als künftiges Wirtschafts- und Gesellschaftsmodell das Überleben dieser Erde und seiner Bewohner hergestellt und betrieben werden muss.
Ein hoch gesteckter Anspruch, der den Menschen als geistiges Wesen fordert und es bleibt daher zu befürchten, dass sich der Löwenanteil der Menschheit nicht proaktiv den genannten Problemen stellt, sondern – allen Kassandrarufen zum Trotz, in dumpfer Gesinnung weiterhin dem Streben nach Gewinn (welcher Art immer) den Vorrang geben wird – koste es, was es wolle. Der Preis wird hoch sein!
Bester Gruß an Dich und in die Runde! - Karl