Ok, irony off: aber damit wäre dann ja auch fast alles zur Tragweite dieses Erklärungstyps gesagt, denn man hätte damit beide Seiten gleichermaßen psychologisierend „abgefertigt“ und wir stehen bei der eigentlich philosophisch interessierenden Frage dieser Kontroverse, wie ich vermutet hatte, wieder ganz am Anfang.
Moin Joachim,
ich hatte ja auf das Zusammendenken von HADD und IREM verwiesen, wie es N. Van Leeuwen und M. van Elk vorschlagen in: "Seeking the supernatural: the Interactive Religious Experience Model.“
Daraus folgende Zitate als Übersicht:
"Lesson 1: human psychological capacities for detecting other agents do not take the form of a simple modular device (a HADD); rather, there are different agency-detecting cognitive capacities, some of whose underlying mechanisms serve other purposes as well.
Lesson 2: there may be weak causal links from agency-detection biases to having religious beliefs. But the cultural-social environment does much more to determine whether or not one has religious beliefs at all.
Lesson 3: thinking about supernatural agents activates the ToM network, which underwrites attributions of intentional states to various perceived or believed-in entities.
Lesson 4: though there are many sources of intuition and low-level experience, intuition and low-level experience are not sufficient for belief: believers learn many aspects of the contents of their religious beliefs from their surrounding cultures.
Lesson 5: while cultural learning largely accounts for general religious beliefs, it is inadequate on its own to explain the many personal beliefs that religious believers form and value.
IREM: Religious believers arrive at general beliefs about supernatural agents mostly by way of cultural learning from others in their society. But given their general background religious beliefs, believers may further seek experiences that allow them to form personal religious beliefs as well.
Hypotheses and predictions: the IREM research program
Importantly, IREM supports novel and testable hypotheses that can form the starting point of a research program. Below we canvass some of IREM’s suggested hypotheses and empirical recommendations.
First, IREM explains why some but not all religious believers have agency-like experiences.
Second, IREM suggests the empirical utility of a systematic investigation of the different circumstances that are well suited to generate agency-intuitions.
A third recommendation of IREM is to map out the different psychological mechanisms whereby agency-intuitions form the basis for personal religious beliefs.
A fourth implication of the IREM framework is that differences in mentalizing abilities (e.g., as observed in autism) should affect the endorsement of personal religious beliefs, even if those differences don’t much affect general beliefs.
Fifth, IREM predicts that specific types of agency experience will differ as a function of the practices encouraged within one’s community.“
Für mich gehört das Zusammendenken verschiedener Ansätze und Theorien auch zum Philosophieren. Dabei haben die Fachwissenschaften den Vorteil, dass in ihnen nicht nur fabuliert wird, sie vielmehr empirische Einsichten anhand testbarer Hypothesen ermöglichen.
Noch ein Wort zur „Beweislast-Umkehr“ (die du mir vorwirfst): meine Anregung mit der Adaption des „Wunder“-Arguments war ja genau die, keine Beweislastpflichten mehr zuzuweisen, sondern den reinen Fakt des zweitausendjahre alten Glaubens als „Beweis“ gelten zu lassen. Wie bei dem Streit Realismus vs. Konstruktivismus eben: niemand muß mehr etwas „beweisen“, sondern daß die Technik funktioniert, IST schon der Beweis. Das schien mir der Kniff des Arguments. Aber vielleicht kann man ihn tatsächlich nicht so anwenden, wie ich das unorthodoxerweise vorgeschlagen habe.
Ich hatte mit meiner Kritik zur Beweislastumkehr den Bezug aufs Glauben gemeint. Für mich liegt die Beweislast immer beim Behauptenden. Zuletzt hatten wir das hier ja am Beispiel der Brandmauer in der Politik exemplifiziert. Und beim Wunder-Argument hatte ich an physikalische Sätze gedacht, nicht an die funktionierende Technik. Aber im Experiment kommen ja beide Bereiche zusammen. Den Ingenieur reicht das Funktionieren, der Physiker will auch wissen, warum Technik funktioniert. Auf die Religion bezogen, ginge es entsprechend um eine substanzielle bzw. funktionalistische Deutung. Für die jeweiligen Machthaber funktionieren Religionen seit Jahrtausenden, aber haben sie auch Substanz? Das wären Themen der Religionssoziologie und der (analytischen) Religionsphilosophie.
Und jetzt lese ich mal bald noch Gödels Gottesbeweis nach, denn den hab ich auch bisher versäumt.
Falls Du meine damalige Mail an RF nicht schon gelesen haben solltest, hier ein Auszug:
„Erst der Informatiker Benzmüller konnte Gödels Beweis durch Nachrechnen berichtigen und nachvollziehbar machen. Und so sehe ich es umgekehrt als ein Problem der axiomatischen Theologie an, dem Anspruch Leibnizens gerecht werden zu wollen, von einer Möglichkeit auf eine Notwendigkeit zu schließen:
ANDRE FUHRMANN, „Existenz und Notwendigkeit, Kurt Gödels axiomatische Theologie“ ist hier klickbar:
https://user.uni-frankfurt.de/~afuhrman/downloads/GoedelExistenzNotwendigkeit.pdfIch nehme an, Du kennst Fuhrmanns Untersuchung zu „Existenz und Notwendigkeit“ von 2005. Dort axiomatisiert er die Modalitäten „möglich“ und „notwendig“ bzgl. möglicher Welten derart, dass er Leibniz und Gödel gerecht zu werden vermag.
Für die meisten Gläubigen dürfte ein Logott so belanglos sein, wie das vielfach zur Floskel verkommene „Friede sei mit euch!“ eines Christen wie Kyrill im Pakt mit Putin.“
IT